Das lange Warten – Die 1848 von der radikalen Regierung gegründete Kantonsbibliothek wurde im Kollegium St. Michael eröffnet, als Provisorium, das mehr als ein halbes Jahrhundert fortbestehen sollte. Während dieser Zeit wurden sieben Projekte für sieben Standorte erarbeitet und wieder verworfen: vom Franziskanerkloster zum Post- und Telegrafenamt über die Liebfrauenbasilika bis hin zum Zeughaus an der Murtengasse.
Der «Landesstil» triumphiert – Infolge des im Juli 1906 ausgeschriebenen internationalen Wettbewerbs für eine Bibliothek am heutigen Standort wurde dem Heimatstil gegenüber dem Akademismus’ der Beaux-Arts den Vorzug gegeben. Das Berner Büro Bracher & Widmer triumphiert mit einem neubarocken Projekt, das sich an die Berner Architektur des 18. Jahrhunderts anlehnt, dessen Plan und Raumordnung sich aber an der Öffentlichen Bibliothek der Universität Basel orientiert, die damals mit ihren getrennten Verwaltungs- und Magazinflügeln als bedeutendes Vorbild galt.
Die Modernität im Sonntagskleid – Eisenbeton, Linoleumbeläge, Staubsauger, elektrisches Licht, Dampf- und Warmwasserzentralheizungen, Lüftung und patentierte Regalsysteme: Die Modernität des Freiburger Bibliothekbaus und dessen Einrichtungen liegt verborgen hinter Sandsteinfassaden, Kalkputz, Holztäfelungen und Gips, welche die zweckmässige Arbeit der Ingenieure in ein Festkleid hüllen.
Ein bedeutender städtebaulicher Wurf – Die 1908-1909 errichtete Bibliothek schliesst die Reihe der Grossbaustellen der Belle Époque, die der Stadt Freiburg ein neues Gesicht verliehen haben. Dieser Bau bietet dem neu geschaffenen Altquartier sein bis anhin fehlendes monumentales Gegenüber und fungiert zudem als Übergang zum historischen Spitalquartier.
Eine visionäre Planung – Der sorgfältig ausgewählte Standort sollte die Entwicklung der Institution und deren Erweiterung ermöglichen. Der Bau der Universität Miséricorde und der damit verbundene Umzug der Seminarbibliotheken in den 1940er-Jahren haben die Bibliothek von der sich anbahnenden Asphyxie bewahrt. Der Umbau und die Erweiterung von 1970-1975 wurden im Geist der Zeit durchgeführt, einmal mehr nach dem Basler Vorbild, jedoch weniger konsequent, zumal das Wesentliche des Gebäudes von 1910 erhalten blieb.
Die Vergangenheit im Dienst der Zukunft – Neue Bedürfnisse, neues Gebäude! Die digitale Revolution und neue Bibliotheksaufgaben zeigen, dass eine Erweiterung der bestehenden Gebäude den neuen Bedürfnissen nicht mehr genügt. Unter diesen Voraussetzungen galt es, die gesamte Anlage zu überdenken und anzupassen. Zum hundertjährigen Jubiläum der Kantons- und Universitätsbibliothek wurde denn auch ein neuer internationaler Wettbewerb ausgeschrieben. So wird das Siegerprojekt «Jardins cultivés» des Lausanner Architekturbüros Butikofer de Oliveira Vernay sàrl, das auch den Erweiterungsbau der Berufsschule in Freiburg realisiert hat (2008-2010), das zukünftige Gesicht der Kantons- und Universitätsbibliothek bestimmen.
Eine Einladung zu einer Zeitreise – Um die Baugeschichte dieser Bibliothek zusammenzufassen und sich deren Reichtum zu vergegenwärtigen sowie um verschiedene Bereiche der Kommunikation auszuschöpfen, wird die traditionelle, illustrierte und zweisprachige Publikation um eine Internetseite ergänzt (Link weiter unten).
Das Werk ist durch eine Online-Dokumentation ergänzt, welche die Pläne, eine Fotoreportage und zwei 3D-Rekonstruktionen – des 1910 eingeweihten und des heutigen, 1970-1975 erweiterten Gebäudes – zusammenträgt.