Pierre Dreyer (1924–2005), christlichdemokratisch
Nach der Primarschule in Villars-sur-Glâne besucht Pierre Dreyer das Kollegium St. Michael, das er 1944 mit einer technischen Matura abschliesst. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg und legt 1948 sein Lizentiat und 1949 sein Doktorat ab. Nach einem Praktikum in der Freiburger Staatsbank tritt er 1949 in die öffentliche Verwaltung ein. Vom Landwirtschaftsdepartement (Direktion des Innern) wechselt er 1951 als Dienstchef in das Industrie- und Handelsdepartement. Als rechte Hand von Staatsrat Paul Torche arbeitet er an der Entwicklung der Industrialisierungspolitik des Kantons mit. 1962 verlässt er die kantonale Verwaltung und wird kaufmännischer Direktor eines grossen Tiefbauunternehmens (1962–1966).
Bei den allgemeinen Wahlen 1966 wird Pierre Dreyer im zweiten Wahlgang vom 18. Dezember mit drei weiteren Mitgliedern seiner Partei in den Staatsrat gewählt.
In der Regierung übernimmt der 42-jährige Pierre Dreyer die Direktion des Innern, der Industrie, des Handels, des Gewerbes und der Sozialfürsorge, die er während drei Amtszeiten (1967–1981) leitet. Tatkräftig und allgemein geschätzt, wird er 1971 als einziger von insgesamt 15 Kandidaten im ersten Wahlgang wiedergewählt. 1976 nimmt er im zweiten Wahlgang den zweiten Platz von acht verbleibenden Konkurrenten ein.
Die Bilanz von Dreyers Tätigkeit im Staatsrat ist eindrucksvoll. In 15 Amtsjahren verbucht er eine erhebliche Zahl von Erfolgen in Volksabstimmungen, die insbesondere folgenden Themen gelten: Frauenstimmrecht (1969, 1971), Wahl der Ständeräte durch das Volk (1970, 1972), Wahl der Oberamtmänner durch das Volk (1970, 1972), obligatorisches Finanzreferendum (1970, 1972), Teilrevision der Verfassung hinsichtlich des Wählbarkeitsalters, der Einstellung der bürgerlichen Ehrenfähigkeit und des Datums der Grossratssitzungen (1976, 1978). Die Zahl der Gesetze und Dekrete, die er vor dem Parlament vertritt, inklusive jene, die dem Volk vorgelegt werden, beläuft sich auf insgesamt 121. Die innovativsten Gesetze betreffen den Jahresurlaub (1968), die Feiertage (1968), den Tourismus (1973, 1975) und die Ausübung der politischen Rechte (1976). Vor allem jedoch führt der Industriedirektor die von seinem Vorgänger Paul Torche begonnene dynamische Entwicklungspolitik weiter, mit der die Aufholjagd der Freiburger Wirtschaft einsetzt. Pierre Dreyer ist 1973 und 1979 Staatsratspräsident.
1972 wird Dreyer in den Ständerat gewählt, den er vom 7. Juni bis 29. November 1982 präsidiert. Er ist als Ständerat Mitglied mehrerer Kommissionen und sitzt bis 1987 in der Kleinen Kammer. Von 1968 bis 1970 präsidiert er die kantonale Konservative Volkspartei und ist zudem in den höchsten Instanzen der Schweizer KVP vertreten. Von 1983 bis 1989 sitzt er in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.
Aufgrund seiner natürlichen Autorität hat Pierre Dreyer während seiner politischen Laufbahn zahlreiche Organisationen in verschiedensten Bereichen präsidiert. Dazu gehören insbesondere das Komitee für die Einführung des Frauenstimmrechts und, im wirtschaftlichen Bereich, die Verwaltungsräte der Freiburgischen Elektrizitätswerke (1972–1981) und der GFM. Zudem ist er Verwaltungsrat von Energie Ouest Suisse, der SUVA in Luzern, der Rentenanstalt in Zürich und der Basler Mustermesse.
Auch nach seinem Rückzug aus der Politik bleibt Pierre Dreyer sehr aktiv, sei es in Verwaltungsräten (Sibra) oder in den Vorständen von Kultur-, Sport- und Wohltätigkeitsvereinen, wie der Vereinigung des Instituts St. Joseph für taube oder hörbehinderte Kinder. Zudem ist er Mitglied des Rotary Clubs und der Table Ronde Nr. 8.
Am 28. Juli 2005 stirbt Pierre Dreyer im Alter von 81 Jahren in Freiburg.
Mit seiner Tatkraft und Telegenität (er war häufiger Gast des Westschweizer Fernsehens) trug er dazu bei, das traditionelle Bild eines Kantons zu modernisieren, der sich in voller Industrialisierung befand. Es gelang ihm insbesondere, den Kanton nach aussen zu öffnen, im Sinne einer dynamischen und entschieden auf Expansion bedachten Wirtschaftspolitik. Er hinterlässt das Andenken einer Persönlichkeit, die zweifellos zu den bedeutendsten freiburgischen Staatsmännern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt.
Aus dem Französischen übersetzt, aus: «LE CONSEIL D'ETAT FRIBOURGEOIS – 1848 – 2011 – Son histoire, son organisation, ses membres» ¦ ISBN: 978-288355-153-4 ¦ Editions La Sarine