Kanton

Dienstag 22. August 2000, Kanton


Öffentliche Foren und Volksmotion
SP-Vorschläge zur Arbeitsweise des Verfassungsrates
Die verfassunggebende Behörde soll ihre Arbeit in absoluter Unabhängigkeit verrichten. Gleichzeitig sollen alle Bürgerinnen und Bürger die Mittel erhalten, ihre Meinung zu wichtigen Fragen der neuen Verfassung einzubringen. Im Sinne einer Mitwirkungsdemokratie schlägt die SP verschiedene Massnahmen vor.
Von WALTER BUCHS
«Es gehört nicht zu den politischen Gepflogenheiten dieses Kantons, eine sehr offensive Informationspolitik zu betreiben... Die Verfassungsreform bietet uns die Möglichkeit, diese Praxis zu ändern. Die SP-Fraktion wünscht, die Medien und damit die Bevölkerung über die Ansichten zu informieren, welche sie im Verfassungsrat vertreten wird.» Mit diesen Worten zu Beginn der gestrigen Presseorientierung machte Christian Levrat, Präsident der SP-Fraktion im Verfassungsrat, die Haltung seiner Partei deutlich.
Nach Meinung von Levrat muss eine transpartente, offene und aktive Informationspolitik auf drei Ebenen zur Anwendung kommen:
- In der künftigen Verfassung des Kantons solle das Öffentlichkeitsprinzip verankert werden. Danach sollte jeder Bürger das Recht haben, die meisten Dokumente der Kantonsverwaltung zu konsultieren.
- Die SP wird sich dafür einsetzen, dass auch die Sitzungen der Kommissionen des Verfassungsrates öffentlich sind. Die Bürger sollten Zugang zu allen Unterlagen des Verfassungsrates, inkl. Sitzungsprotokolle der Kommissionen, haben. Die Partei spreche sich ganz klar gegen eine «Geheimhaltungspolitik» aus.
- Die SP-Fraktion will zudem selber in einem Geist der Öffnung handeln, dies innerhalb der Gruppe und gegen aussen, und will somit ihre Haltung immer wieder öffentlich darlegen und erläutern.
«Mitwirkung der Bürger unabdingbar»
Der Verfassungsrat wird sich an seiner nächsten Sitzung vom 27. September mit der eigenen Geschäftsordnung befassen, die im Entwurf vorliegt. Wie Vertreter der Sozialdemokraten am Montag vor den Medien weiter beteuerten, werden sie nur eine Geschäftsordnung annehmen, welche das Recht der Bürgerinnen und Bürger vorsieht, zu wichtigen Fragen der Verfassungsrevision direkt Stellung nehmen zu können.
Die Revisionsarbeiten müssten in einem Geist der Mitwirkung der Bevölkerung geführt werden. «Die Akzeptanz, die Legitimität und die Originalität der neuen Verfassung werde davon abhängen, ob die Bevölkerung bei den vom Verfassungsrat gewählten Lösungen wirklich einbezogen wurde», sagte Verfassungsrätin Yvonne Gendre.
Volksbefragung zu wichtigen Themen
Als direktes Mitwirkungsrecht der Bevölkerung wird die SP-Fraktion die Volksmotion vorschlagen. Damit soll ein Anliegen direkt in die Diskussion im Verfassungsrat eingebracht werden, wenn es von 1000 Bürgerinnen und Bürgern getragen wird. Ein Vertreter der Unterzeichner würde auch das Recht erhalten, das Anliegen selber vor dem Verfassungsrat oder einer seiner Kommissionen zu begründen.
Die Sozialdemokraten wollen zudem dafür sorgen, dass die Geschäftsordnung des Verfassungsrates die Einberufung von Verfassungsforen vorsieht. Es ginge dabei darum, zu bestimmten Themen eine olksbefragung durchzuführen. Zu diesem Zweck würden in verschiedenen Regionen Veranstaltungen angeboten, an denen je ein einziges Thema diskutiert würde und jedermann teilnehmen kann.
In einer zweiten Phase sollten die spezifischen Organisationen und Vereinigungen miteinbezogen werden, um die Ideen und Argumente der Bürgerinnen und Bürger in einem minimalen sozialen Konsenz zu sichern. Es wird die Bildung einer speziellen Kommission vorgeschlagen, welche die Foren und die Konsenskonferenzen organisiert und ein Kommunikationskonzept für den Einbezug der Bevölkerung erstellt.
Souveränität des Verfassungsrates
Die Foren sollen nach Vorstellung der SP-Fraktion von aussenstehenden Kommunikationsspezialisten geleitet werden, um jede unerwünschte Einmischung und Beeinflussung zu vermeiden. Es soll sich ausdrücklich nicht um Hearings handeln. Für die Sozialdemokraten ist es im Weiteren wichtig, dass der Verfassungsrat seine Aufgabe in absoluter Unabhängigkeit erfüllt. Das Zusammenwirken zwischen Verfassungsrat, Grossem Rat und Staatsrat sei vernünftig und wünschbar, bedinge aber auch eine klare Grenzziehung. Die Aufgabe, die dem Verfassungsrat anvertraut wurde, unterscheidet sich grundlegend von den Aufgaben der Regierung und des Parlaments ... Im Verfassungsrat gehe es vor allem auch um ein offenes Nachdenken über unseren Kanton und dessen Organisation», betonte Patrik Gruber, Mitglied der Kommission für das Geschäftsreglement, vor den Medien.
Was die Mitwirkung des Staatsrates bei der Ausarbeitung der Verfassung betrifft, unterstützt die SP-Fraktion im Unterschied zu den drei vorgeschlagenen Varianten ein Modell der «abgeschwächten Zusammenarbeit». So sei es beispielsweise unangebracht, vom Staatsrat einen Verfassungsentwurf zu verlangen. Der Staatsrat soll aber an den Arbeiten beteiligt werden. Patrik Gruber unterstrich: «Die sozialdemokratische Fraktion des Verfassungsrates will keine Verfassung gegen die Regierung oder das Parlament erarbeiten.»
Im Sinne der Souveränität der verfassungsgebenden Behörde soll auch deren Sekretariat völlig unabhängig sein. Seine Beziehungen zur Verwaltung seien auf ein Minimum zu beschränken.

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