Kanton

Samstag 30. September 2000, Kanton


Neues wagen

Von WALTER BUCHS

Nach der Eröffnungssitzung im Mai haben die Mitglieder des Verfassungsrats in dieser Woche zum ersten Mal den Alltag eines parlamentarischen Betriebs kennen gelernt. Für die meisten eine neue Erfahrung. Für einige ging es zu formalistisch zu und für viele zu wenig speditiv, ohne allerdings valable Alternativen vorlegen zu können.
Aufgefallen ist mir dabei unter anderem, dass sich die meisten Mitglieder bereits jetzt als Teil einer Fraktion verstehen und sich entsprechend verhalten. Positiv zu vermerken sind unter anderem zwei Punkte: Einerseits werden die meisten Fraktionen von jungen Mitgliedern geleitet, und zwar sehr zielstrebig und selbstbewusst. Andererseits werden auch die Erfahrungen älterer Fraktionsmitglieder anerkannt und ihr Sinn für praktische Lösungen in den Abstimmungen honoriert.
Ich muss aber ergänzen, dass mich die Fraktionsdisziplin etwas überrascht hat. Manchmal war mir das Verhalten zudem zu kleinkariert. Ich hoffe nicht, dass dies ein Ausdruck dafür ist, dass einige keine eigene Meinung haben oder diese nicht vertreten dürfen. Dann wären sie sicher am falschen Platz. In einigen Entscheiden des Verfassungsrates der letzten Tage hat mir schliesslich die Bereitschaft gefehlt, andere Wege einzuschlagen und Neues zu wagen.
Wenn die Sachkommissionen in den nächsten Monaten an die Arbeit gehen, wird aber genau diese Haltung gefragt sein. Mehr als in den letzten drei Tagen braucht es die Bereitschaft, einander zuzuhören, aufeinander zuzugehen, dies verbunden mit der Fähigkeit, die eigenen Gedanken und Überzeugungen nachvollziehbar darzulegen. Dann und nur dann sind die Voraussetzungen gegeben, um die Erwartungen der Bevölkerung an den Verfassungsrat zu erfüllen.
kommentar Gastkolumne
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