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Samstag 30. September 2000, Kanton Simultanübersetzung im Verfassungsrat
Verfassungsgebende Behörde setzt Beratungen über die Geschäftsordnung fort
Die Verhandlungen in den Plenarsitzungen des Verfassungsrats werden simultan übersetzt. Nach langen Beratungen ist der Rat damit gestern dem Vorschlag der vorberatenden Kommission gefolgt. Er will damit allen Mitgliedern möglichst die gleichen Chancen geben, sich uneingeschränkt an den Beratungen beteiligen zu können.
Von WALTER BUCHSDie am Mittwoch begonnene Beratung der über die Geschäftsordnung des Verfassungsrates ist am Freitagvormittag fortgesetzt worden. Zu den Sitzungen des Plenums hatte die Reglementskommission vorgeschlagen, dass die Beratungen in französischer oder deutscher Sprache erfolgen und dass diese simultan übersetzt werden.
Im Laufe der ausgiebig geführten Diskussion stellte Patrik Gruber (sp, Düdingen) mit Genugtuung fest, dass die Kommission als Ganze sich in der Sprachenfrage sehr offen gezeigt habe. Der Vorschlag für die Simultanübersetzung sei denn auch von französischer Seite gekommen. Man wolle jedem Mitglied die Möglichkeit geben, die Verhandlungen gut verfolgen zu können.
«Gelebte Zweisprachigkeit»
Für Denis Boivin (fdp, Stadt) wäre es aber ein Zeichen der Öffnung, wenn der Rat ohne Simultanübersetzung auskommen könnte. Es sei doch besser, den Sprechenden im Originalton zuzuhören; mit einer Hörmuschel am Ohr sei man weniger konzentriert. Für den FDP-Fraktionschef trifft es zwar zu, dass nicht alle beide Sprachen genügend verstehen. Das Reglement sehe aber vor, dass die Abstimmungstexte und alle anderen Unterlagen in beiden Sprachen vorliegen. Zudem werde alles in den Fraktionen besprochen, so dass alle Mitglieder gut vorbereitet zu den Sitzungen des Plenums kommen.
Denis Boivin machte praktische Gründe für den Verzicht auf die Simultanübersetzung geltend, so der fehlende Platz, um im Grossratssaal Kabinen für die Übersetzerinnen aufstellen zu können. Der Vorschlag wurde von Josef Vaucher (sp, Freiburg) unterstützt. Er machte darauf aufmerksam, dass die wichtigste Arbeit in den Kommissionen erfolgt und dort keine Übersetzung vorgesehen sei. Er beantragte allerdings, die Möglichkeit vorzusehen, dass ein Mitglied im Plenum gegebenenfalls eine Übersetzung verlangen kann.
Auch Claudine Brohy (Öffnung, Freiburg) schloss sich diesen Überlegungen an mit dem Hinweis, dass Übersetzungen in der Regel den Gang der Diskussionen stören. Käthi Hürlimann (fdp, Kerzers) vertrat die Meinung, dass es nicht dem Freiburger Geist entspreche, Debatten simultan zu übersetzen. Eine praktische, keine Grundsatzfrage
Für Peter Jaeggi (csp, Schmitten) geht es aber klar um eine Frage der praktischen Anwendung und der Fairness und nicht um die Zweisprachigkeit des Kantons an sich. Es gebe deutschsprachige Mitglieder, die die Verhandlungen nicht genügend verstehen, und diese könnten ohne Übersetzung bei den Diskussionen nicht voll mitmachen. Dies bestätigte auch Anton Brülhart (cvp, Düdingen) aufgrund von Gesprächen, die er mit anderen Mitgliedern geführt hat.
Für Moritz Boschung (cvp, Düdingen) sind es in erster Linie praktische Gründe, welche den Rat zwingen, eine Simultanübersetztung vorzusehen. Diesen Gedanken unterstützte Alexandre Grandjean (sp, Murten) für den es darum geht, zwei Problemkreise, nämlich Zweisprachigkeit und Demokratie, zu unterscheiden. Man müsse bedenken, dass es Mitglieder im Rat gebe, die ihren demokratischen Auftrag ohne Simultanübersetzung nicht erfüllen könnten. Hingegen werde die Zweisprachigkeit dadurch nicht in Frage gestellt.
Offen blieb in der Diskussion, ob die Anlage für eine Simultanübersetzung im Grossratssaal überhaupt eingerichtet werden kann und was das kostet. Deshalb schlug Christian Levrat (sp, Bulle) vor, die Frage zur Abklärung an die Kommission zurückzuweisen. Sein Antrag wurde praktisch einstimmig abgelehnt. Mit 84:25 Stimmen entschied sich der Rat für die Simultanübersetzung. Keine finanziellen Barrieren
Verschiedene Sachkommissionen werden in den nächsten Monaten Teilbereiche der künftigen Verfassung zu behandeln und Vorschläge auszuarbeiten haben. Frédéric Sudan (fdp, Bulle) hatte vorgeschlagen, dass in diesen Berichten ebenfalls auf die Auswirkungen für die spätere Gesetzesarbeit und die finanziellen Folgen hinzuweisen sei. Auch alt Finanzdirektor Félicien Morel zeigte Verständnis für dieses Anliegen.
Noël Ruffieux (csp, Courtaman) machte geltend, dass sich der Verfassungsrat keine solchen Barrieren auferlegen sollte. Eine Verfassung sei langfristig angelegt und die künftigen Rahmenbedingungen nicht voraussehbar. Zudem komme es insbesondere darauf an, wie der Gesetzgeber einen in der Verfassung festgelegten Grundsatz verwirklicht. Für Patrik Gruber (sp, Düdingen) schiesst der Vorschlag klar übers Ziel hinaus, und für Kommissionspräsident Nicolas Grand (cvp, Remund) ist er zu einschränkend. Der Rat lehnte ihn mit 79:29 Stimmen ab.
Sitzungen der Kommissionen
«nicht öffentlich»
Am Mittwoch hatte der Verfassungsrat bekanntlich beschlossen, dass die «Kommissionen unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln». Aufgrund eines Ordnungsantrags von Joseph Rey (csp, Freiburg) hat das Plenum diese starre Formulierung gestern etwas aufgeweicht. Neu heisst es jetzt, dass die Beratungen «nicht öffentlich» sind. Zudem hatte er am Freitag einem Antrag von Jean-Bernard Repond (Öffnung, Bulle) zugestimmt, wonach die Sachkommissionen befugt sind, die Öffentlichkeit über das Ergebnis ihrer Arbeiten zu informieren.
Wie weiter?
Am Mittwoch und Freitag hat der Verfassungsrat insgesamt 54 der 74 Artikel seiner Geschäftsordnung durchberaten. Vor der Vereidigung am nächsten Mittwoch um 17 Uhr will er dieses Reglement zu Ende diskutieren. Gemäss Zeitplan sollten auch noch die Wahlen der Organe (Präsidium und Büro) vorher stattfinden. Hiezu ist eine weitere Sitzung am Mittwochnachmittag angesetzt worden.
Da es aufgrund der noch zu erwartenden Diskussionen über das Geschäftsreglement nicht sicher ist, dass die Wahlen kurz vor der Vereidigung durchgeführt werden, hatte das Büro gestern vorgeschlagen, diese erst am Donnerstagmorgen abzuhalten. Dagegen regte sich aber Widerstand. Unter den verschiedenen Vorschlägen wurde jener von Bernadette Hänni-Fischer (SP, Murten) angenommen: Der Verfassungsrat wird nächsten Mittwoch bereits ab 12.30 Uhr tagen und die Wahlen vor der Vereidigung abwickeln. wb
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