Kanton

Dienstag 24. April 2001, Kanton


Gleichwertige Angebote in jeder Schule
SP stellt Konzept zur Schul- und Bildungspolitik vor
Der Staat soll verpflichtet werden, für Kinder ab drei Jahren vorschulische Strukturen zur Verfügung zu stellen. Für alle Belange der obligatorischen Schule soll zudem der Kanton zuständig sein. Dies verlangt die SP-Fraktion im Verfassungsrat.
Von WALTER BUCHS
Mitglieder einer Arbeitsgruppe, die im Auftrag der SP-Fraktion im Verfassungsrat einen Bericht zur Schul- und Bildungspolitik ausgearbeitet haben, haben diesen am Montag öffentlich vorgestellt. Wie Fraktionschef Alain Berset, Belfaux, dabei betonte, möchten die Sozialdemokraten in der neuen Staatsverfassung den Grundsatz der kantonalen Harmonisierung in der obligatorischen Schule verankern. Zudem wollen sie sich für eine flächendeckende Lösung für die vorschulischen Strukturen sowie Chancengleichheit beim Zugang zu Berufsbildung und Erwachsenenbildung einsetzen. «Die gegenwärtige Situation beinhaltet noch Ungleichheiten, die wir zum Verschwinden bringen möchten», sagte Alain Berset.
Kanton allein verantwortlich
Wie der Verantwortliche der Arbeitsgruppe, Stéphane Sugnaux, Vuisternens-devant-Romont, bekannt gab, sind die SP-Mitglieder im Verfassungsrat der Meinung, dass der Staat vom Eintritt in die Vorschule an für Chancengleichheit aller Schülerinnen und Schüler sorgen muss. Das könnten aber die Gemeinden mit ihren unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten nicht.
«Wir sind der Ansicht, dass der Kanton jene materiellen Aspekte, die heute den Gemeinden zufallen, übernehmen soll, wie etwa die Finanzierung von Schülertransporten oder die Beschaffung von Informatikmaterial», sagte Sugnaux. Der Kanton solle ein harmonisches Zusammenwirken garantieren, indem er gleichwertige Entwicklungs- und Ausbildungsmöglichkeiten im gesamten Kanton anbietet. Weder die familiäre Umgebung noch die Herkunft noch die Fähigkeiten dürften eine ungleiche Beurteilung oder Behandlung rechtfertigen.
Für eine weltliche Schule
Nach Meinung der Arbeitsgruppe hat eine Verwirklichung der Chancengleichheit auch zur Folge, dass die Schule multikulturell und multikonfessionell sein muss. «Eine Bevorzugung einer bestimmten Konfession geht immer auf Kosten anderer Konfessionen. Um die Gleichheit der Behandlung aller Kinder zu gewährleisten, ist eine weltliche Schule notwendig», unterstrich Stéphane Sugnaux. Die Schule werde auch ethische Werte berücksichtigen. Es werde ebenfalls darauf geachtet werden, «dass die menschlichen Aspekte in der Schule nicht zu kurz kommen».
Ein offenes Bildungssystem
Die Sozialdemokraten im Verfassungsrat schlagen weiter vor, das Alter der Einschulung herabzusetzen. Deshalb sprechen sie sich dafür aus, «dass der Staat im ganzen Kantonsgebiet die nötigen Infrastrukturen schafft und sowohl die materielle als auch die pädagogische Verantwortung übernimmt». Nach ihrer Auffassung sollten die vorschulischen Strukturen es den Eltern ermöglichen, Kinder ab einem Alter von drei Jahren teilweise oder vollständig einzuschulen.
«Unser Leitgedanke ist der Zugang für alle Menschen zu einem offenen und demokratischen Bildungssystem, das ihren Neigungen und Fähigkeiten entspricht und freiheitliche Wahlmöglichkeiten zulässt», stellte Ambros Lüthi, Freiburg, im Zusammenhang mit der Berufs- und Fachausbildung sowie der Erwachsenenbildung fest. Demzufolge sei der Zugang für alle Menschen durch Subventionen und andere Massnahmen zu erleichtern, um die Chancengleichheit zu fördern.
Laut Ambros Lüthi ist es von grosser Bedeutung, «dass ein leichter Zugang zu höheren Ausbildungen für alle talentierten Menschen möglich ist». Dies bedinge einen kostengünstigen Besuch der öffentlichen Universitäten und Fachhochschu-len, der beispielsweise durch Stipendien und Beiträge zu gewährleisten sei.
Angesichts der Globalisierung und der Mobilität der Menschen plädiert die SP für pädagogische Offenheit bereits auf der Ebene der obligatorischen Schule, was sich in den Schulprogrammen und in der Ausbildung der Lehrerschaft niederschlagen sollte. Dies gelte ebenfalls für die Hochschulen, denn deren Zukunft sei durch Vernetzungen und internationale Zusammenarbeit bestimmt, stellten die Mitglieder der Arbeitsgruppe fest.
Thesen zu 4 Schlüsselbereichen
Der von einer internen Arbeitsgruppe der SP-Fraktion im Verfassungsrat ausgearbeitete Bericht zur Schul- und Bildungspolitik umfasst 25 Seiten und ist zweisprachig. Zu den Themen «Grundrechte, öffentliche Güter, Sozialrechte und Staatsaufgaben» werden Thesen formuliert.
Das Dokument ist als Grundlage im Hinblick auf die Ausarbeitung der neuen Staatsverfassung gedacht. Sein Aufbau entspricht deshalb weitgehend den Sachbereichen, wie sie den Kommissionen des Verfassungsrates zugeteilt wurden. Die Vorschläge werden daher in erster Linie die Kommission drei «Staatsaufgaben, Finanzen» interessieren. Der Inhalt betrifft aber auch die Kommission eins (Grundprinzipien) und die Kommission zwei (Grundrechte und -pflichten, soziale Ziele).
Die SP-Fraktion im Verfassungsrat, die 27 Mitglieder zählt, hat das Konzept kürzlich an einem Studientag behandelt und dazu Stellung genommen. Der Bericht gilt nun, wie ihr Fraktionschef Alain Berset gestern sagte, als offizielle SP-Position in Schul- und Bildungsfragen.  wb

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