Kanton

Mittwoch 6. Juni 2001, Kanton


Zweisprachigkeit ist Staatsaufgabe
SP-Fraktion des Verfassungsrats will Minderheiten schützen
In der neuen Verfassung soll das Territorialitätsprinzip beibehalten, Minderheiten besser geschützt und die Zweisprachigkeit vom Staat gefördert werden. Die SP-Mitglieder des Verfassungsrats wollen mit diesen Forderungen eine Grundsatzdebatte anregen.
«Es ist politisch riskant, sich in Freiburg auf die Sprachenfrage einzulassen», sagte Christian Levrat, Vize-Präsident des Verfassungsrats, an der gestrigen Medienkonferenz. Die SP habe sich aber nicht von gefählichen Machenschaften verleiten lassen, sondern den Spaltungsversuchen konstruktive Vorschläge entgegengebracht. Der Konflikt um die Interpretation des Territorialitätsprinzips lähme das politische System nämlich seit Jahren.
Welche Sprachpolitik?
Mit der Ausgangsfrage «Wie soll man die Sprachenfrage in der Verfassung behandeln?» haben sich die 28 Fraktionsmitglieder auseinander gesetzt. Man habe in einer frühen Phase von Ideen und Projekten die Diskussion lancieren wollen, sagte Alain Berset, Präsident der SP-Fraktion. Die anderen Parteien hätten sich aber noch nicht zu den Vorschlägen äussern können.
Ambros Lüthi, der sich in der Kommission 1 der Verfassung mit der Sprachenfrage auseinander setzt, sprach ebenfalls von einer «sensiblen und heiklen Angelegenheit». In beiden Sprachgruppen gäbe es Leute, für die die vorgeschlagenen Forderungen zu wenig weit gingen. Der Kanton Freiburg befinde sich halt in einer doppelten Minderheits-Situation, in der sich keine sprachliche Mehrheit einfach grosszügig verhalten könne.
Es sei darum gegangen, einen Kompromiss zu finden, der für möglichst viele akzeptabel sei. Tatsächlich habe die heterogene SP-Fraktion den Vorschlägen fast einstimmig zugestimmt.
Territorialitätsprinzip plus
Die Vorschläge gehen von einer Beibehaltung des Territorialitäts-Prinzips aus. «Es ermöglicht es, ein unerwünschtes Verschieben der Sprachgrenze zu vermeiden und verankert die kulturelle Identität eines Ortes», führte Christian Levrat aus.
Was sich aber grundlegend ändern müsse, sei der Status einer sprachlichen Minderheit in einer Region. In einer bedeutsamen Sprachgemeinschaft, die auf längere Dauer in einer Gemeinde präsent sei, sollen die Leute ihre Kinder in der Muttersprache einschulen und sich in dieser Sprache an die Behörden wenden können.
Was eine «bedeutsame Sprachgemeinschaft» sei, liess die SP-Fraktion offen. Man habe vorerst einmal den Mechanismus aufzeigen wollen. Über Zahlen müsse dann der Grosse Rat entscheiden. Intern seien Zahlen von 15 bis 40 Prozent genannt worden.
Französischsprachige Stadt Freiburg
Die Stadt Freiburg wäre demnach eine französischsprachige Stadt mit einer bedeutsamen deutschsprachigen Minderheit. Um diese zu schützen, gäbe es obligatorische und freiwillige Elemente. Entlang der Sprachgrenze müssten einige kleine Gemeinden regional zusammenarbeiten, um sprachliche Minderheiten angemessen zu berücksichtigen. Einheitliche Schulsysteme und Gerichtsbarkeiten wären gemäss Ambros Lüthi ideal.
Im dritten Vorschlag der SP kommt die Zweisprachigkeit zu Ehren. Sie solle als Element der Identität des Kantons gelten und deshalb vom Staat gefördert und in der Verfassung verankert werden. Die Brückenfunktion Freiburgs hänge von beiden Sprachen ab. Furcht vor der anderen Sprache hätten vor allem Leute, die selbst die andere Sprache nicht können, sagte Ambros Lüthi. Auch habe Freiburg dank der Zweisprachigkeit ein grosses wirtschaftliches Potenzial, das es auszuschöpfen gelte. chs

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