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Mittwoch 19. September 2001, Kanton Erster Blick auf eine Grossbaustelle
Konturen der künftigen Staatsverfassung zeichnen sich ab
Die neue Verfassung des Kantons Freiburg wird bedeutende Neuerungen enthalten, aber nichts Revolutionäres bringen. Dies haben die Verantwortlichen des Verfassungsrates am Dienstag bei der Vorstellung der Zwischenberichte der Kommissionen betont.
Von WALTER BUCHS
Beim Durchlesen der Rapporte der acht Sachbereichskommissionen, die je zwischen zehn und 31 Seiten umfassen, stellt man fest, dass eine breite Fülle von Themen und Anregungen behandelt wurden. Es werden vielen Vorschläge gemacht, Thesen formuliert; aber noch nichts ist definitiv. Es ist wie ein Blick in eine grosse Baustelle, auf der überall emsig gearbeitet wird, die Form und der Inhalt des Bauwerkes aber noch nicht ersichtlich sind.
Grundrecht der Sprachenfreiheit
Zur Sprachenfrage hat die zuständige Kommission acht Thesen formuliert. Nach ihrer Meinung ist das Grundrecht der Sprachenfreiheit in der Verfassung zu verankern. Der Kanton soll das Erlernen der zweiten Amtssprache sowie den Austausch unter den beiden Sprachgemeinschaften zum Zweck der besseren Verständigung fördern. Freiburg soll sich zudem in der Verfassung den Auftrag geben, eine aktive Rolle für den nationalen Zusammenhalt zu übernehmen.
Neben der Senkung der Zahl der Grossräte möchte die Kommission 5 unter der Leitung von Peter Jäggi, Schmitten, die Stellvertretung für die Grossräte einführen. Sie schlägt im Weiteren vor, die Dauer der Grossratsmandate auf 15 Jahre (drei Amtsperioden) zu beschränken. Zudem sollen die Mitglieder des Grossen Rates künftig ihre (wirtschaftlichen) Interessenverbindungen offen legen müssen.
Rolle der Familie anerkennen
Zwei Arbeitsgruppen haben sich intensiv mit Fragen der Familienpolitik, Mutterschaft, Rechte der Kinder und Jugendlichen sowie Gleichstellung von Mann und Frau befasst. Neben dem Recht auf eine Mutterschaftsversicherung soll dem Staat die verfassungsmässige Aufgabe übertragen werden, für Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder zu sorgen und den Schutz der Kinder und Jugendlichen sicherzustellen.
Nachhaltigkeit
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die These, der Staat müsse seine Tätigkeit in erster Linie auf die Kinder ausrichten und Leistungen zu Gunsten der Kinder vorsehen. Staatliches Handeln soll somit die Auswirkungen auf künftige Generationen in seine Entscheide miteinbeziehen. Diese Forderung ist ebenfalls unter dem Aspekt zu sehen, dass nach Meinung der Kommission, die sich mit den Staatsaufgaben befasst hat, in der Einleitung dieses Kapitels ein Hinweis auf die Menschenwürde vorzusehen ist. Es geht der Arbeitsgruppe dabei ausdrücklich darum, die Stellung des einzelnen Individuums in der Gemeinschaft zu stärken.
Der Staats soll künftig ausdrücklich verpflichtet werden, die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Dazu gehört ein haushälterischer Umgang mit dem Boden, die Förderung der Holznutzung und die Bestimmung, dass die Öffentlichkeit sich im Umgang mit der Kernenergie «vorsichtig und zurückhaltend zu verhalten» habe.
Die Kommission, welche sich mit der territorialen Struktur befasst, hat bis jetzt lediglich ihre Vorstellungen über Stellung und Aufgaben der Gemeinden formuliert. Über eine allfälligen Einteilung des Kantons in Regionen, die Gliederung der Bezirke und die Stellung der Oberamtmänner wird sie in den kommenden Monaten beraten. Politische Parteien und Vereine
Neu soll die Rolle der Parteien bei der politischen Meinungsbildung ausdrücklich anerkannt werden. Diese sollen aber gewisse Auflagen erfüllen, nämlich Transparenz sicherstellen und für eine angemessene Vertretung von Frauen und Männern sorgen. Ebenfalls soll die Wichtigkeit des Vereinslebens anerkannt werden. Kanton und Gemeinden können ihnen gewisse Aufgaben delegieren.
Wie alt Nationalrätin Rose-Marie Ducrot, die in diesem Jahr den Vorsitz des Verfassungsrates innehat, gestern vor den Medien ausführte, hat sich im Laufe der Beratungen in den Kommissionen gezeigt, dass sich bei der Themenbehandlung gewisse Überschneidungen ergeben haben. Dies werde jeweils zwischen den Kommissionspräsidenten bilateral bereinigt. Sie zeigte sich im Übrigen beeindruckt von der «bemerkenswerten Arbeit», die bis jetzt geleistet wurde.
Plenarsitzung
Am Freitag, 28. September, wird der Verfassungsrat im Grossratssaal eine Plenarsitzung abhalten. Neben der Vereidigung neuer Mitglieder und dem Budget 2002 geht es dabei um die Zwischenberichte der Kommissionen. Diese haben zwischen Februar und August 2001 je zwischen acht und 14 Sitzungen abgehalten.
An der Plenarsitzung geht es nicht darum, (Änderungs-) Anträge zu stellen oder Beschlüsse zu fassen. Es werden lediglich Reaktionen und Bemerkungen zu Handen der zuständigen Kommissionen erwartet. Diese werden ihnen als Anhaltspunkte für die weitere Arbeit dienen. Erst an den Plenarsitzungen im kommenden Jahr wird die eigentliche Debatte eröffnet. wb
Die Zwischenberichte der Kommissionen sind auf dem Internet verfügbar: www.fr.ch/constituante
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