Agglomeration

Mittwoch 10. Oktober 2001, Agglomeration


Zweisprachigkeit gesetzlich verankern
CVP-Fraktion: Vier Thesen für eine offene Sprachenpolitik
Die CVP-Fraktion des freiburgischen Verfassungsrates hat anlässlich einer Klausurtagung vier Thesen zur Sprachenpolitik in der zukünftigen Kantonsverfassung verabschiedet.
Von CHANTAL BLANCHARD
«Die Zweisprachigkeit unseres Kantons und unserer Universität ist eine Chance», sagte gestern Laurent Schneuwly, Präsident der CVP-Fraktion des Verfassungsrates, anlässlich einer Medienkonferenz. Die neue Kantonsverfassung muss nach Überzeugung der CVP-Fraktion in der Sprachenfrage einen klugen und zukunftsweisenden Lösungsrahmen bieten. Die Verständigung und das gegenseitige Verständnis zu fördern sei für das gute Einvernehmen der beiden Sprachgemeinschaften zentral, erklärte Monika Bürge-Leu, Mitglied der Sprachenkommission.
Zweisprachigkeit als Teil der Identität des Kantons Freiburg
Die CVP-Fraktion des Verfassungsrates hat nach eingehender Diskussion vier Thesen zur Sprachenfrage verabschiedet. Die erste erklärt die Zweisprachigkeit als Teil der Identität des Kantons. Sie sei eine Chance, die gepflegt und gefördert werden müsse. Laut Bürge-Leu muss die Zweisprachigkeit zu einem Standortvorteil gemacht werden. Wenn das Zusammenleben beider Sprachen und Kulturen friedlich und bereichernd sein solle, sei die Verständigung und das gegenseitige Verständnis wichtig. Die CVP-Fraktion will dieses Ziel über das Erlernen der zweiten Amtssprache an den Schulen erreichen. Der Staat müsse den Austausch unter den Sprachgemeinschaften durch konkrete Massnahmen fördern. Mit seiner zweiten These - Förderung der Verständigung und Erlernen beider Amtssprachen - nimmt die CVP-Fraktion des Verfassungsrates Ziele des Projektes der Partnersprache auf, welches letztes Jahr vor dem Stimmvolk gescheitert ist.
Henry Baeriswyl, Mitglied der Kommission zur Sprachenfrage des Verfassungsrates, erläuterte die dritte These, welche die Amtssprache betrifft. Darin sind laut Baeriswyl Französisch und Deutsch die offiziellen Sprachen des Kantons. Französischsprachige Gemeinden haben Französisch und deutschsprachige Gemeinden Deutsch als Amtssprache. In der bisherigen Verfassung seien zweisprachige Gemeinden wie Freiburg oder Murten nicht berücksichtigt gewesen. Die CVP-Fraktion sieht deshalb vor, dass in gemischtsprachigen Gemeinden Deutsch wie auch Französisch Amtssprachen sind.
Für die Formulierung der letzten These haben sich die Fraktions-Mitglieder an die Bundesverfassung gehalten. Sie besagt, dass Sprachgemeinschaften respektiert werden müssen, um die Sprachenlandschaft nicht willkürlich zu verändern. Deshalb hat die CVP-Fraktion in der vierten These laut Verfassungsrat Anton Brülhart vier Kriterien zur Bezeichnung der Amtssprache einer Gemeinde verfasst. Grundsätzlich werde zur Festsetzung der offiziellen Sprache das Territorialitätsprinzip angewendet. Die Bevölkerungsanteile beider Sprachgruppen bildet das erste Kriterium, abgestuft nach der Anzahl Einwohner der Gemeinde. Zweitens wird eine Mindestdauer der Bevölkerungsanteile festgesetzt, um eventuellen Schwankungen in kleinen Gemeinden entgegenzuwirken.
Der dritte Punkt ist die Rolle der Gemeinde in ihrer Region und im Kanton. Freiburg als Kantonshauptstadt oder Murten als Bezirkshauptort müssten als gemischtsprachige Gemeinden offiziell zweisprachig sein, meinte Brülhart. Das letzte Kriterium will die Bildung von «Sprachinseln» durch die Ziehung der Sprachgrenze vermeiden. Diese soll durch die territoriale Verbindung mit anderen Gemeinden vermieden werden. Brülhart betonte, dass diese Kriterien zur Bezeichnung der Amtssprache von den einzelnen Gemeinden zu Gunsten der Sprachenminderheit abgeschwächt werden könnten.
Im Sinne der Kommission eins
«Unsere Thesen entsprechen dem Geist der Arbeit der Kommission eins des Verfassungsrates», erklärte Henry Baeriswyl. Die CVP-Fraktion bildet mit fünf Vertretern eine gewichtige Gruppe in der 17-köpfigen Sprachenkommission. Sie besteht aus sieben französischsprachigen, acht deutschsprachigen und zwei bilinguen Verfassungsräten.
Laut Anton Brülhart hat sich keine andere Fraktion des Verfassungsrates so sehr mit der Sprachenfrage auseinander gesetzt wie diejenige der CVP. Er erhofft sich, dass die CVP-Fraktion mit ihren vier Thesen die Weichen für die weitere Arbeit in der Kommission stellen kann.

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