Kanton |
Montag 29. Oktober 2001, Kanton Behinderte in Gesellschaft integrieren
Anliegen der Eltern geistig Behinderter zum 40-Jahr-Jubiläum von Insieme Freiburg
Insieme, die Freiburgische Vereinigung Eltern geistig Behinderter, hat in ihrem 40-jährigen Bestehen schon viel erreicht. Vieles bleibt aber noch zu tun, insbesondere bezüglich der Integrierung der Behinderten ins Gesellschaftsleben.
Von ARTHUR ZURKINDEN
Nicht der Rückblick auf das Erreichte in den letzten 40 Jahren stand am Samstag anlässlich der Jubiläums in der Freiburger Festhalle im Mittelpunkt der Feierlichkeiten, sondern die Begegnung der Behinderten mit der Bevölkerung. «Die Integration unserer Behinderten steht im Mittelpunkt. Wir müssen ihnen viele Möglichkeiten bieten, damit sie sich aktiv am Gesellschaftsleben beteiligen können», betonte denn auch Brigitte Stritt-Schafer, Präsidentin von Insieme Freiburg, in ihrer Festansprache.
Dank weitsichtiger Pioniere
Die Präsidentin rief weiter in Erinnerung, dass Freiburg hinter Genf und Zürich der dritte Kanton war, der eine Elternvereinigung ins Leben rief. Dank weitsichtiger Pioniere verfügen die geistig Behinderten heute über gute Infrastrukturen. Einer dieser Pioniere, alt Oberamtmann Willy Neuhaus, hat all die Initiativen, die von Eltern ausgegangen sind, in einer Jubiläumsschrift festgehalten.
Brigitte Stritt zeigte sich dankbar, dass im Uno-Jahr der freiwilligen Arbeit sich viele Freiwillige in den Dienst der Behinderten gestellt haben, gerade auch für das Jubiläumsfest von Insieme. Sie dachte dabei an die Studierenden des Lehrerseminars, welche die Behinderten am Samstag begleiteten, so dass diese das Jubiläumsfest intensiv miterleben konnten, aber auch an den Lions Club und an viele andere mehr.
«Menschen mit Behinderungen
geben uns auch viel»
Die Glückwünsche der Freiburger Regierung überbrachte Gesundheitsdirektorin Ruth Lüthi. «Sie haben vor allem auch dazu beigetragen, das Bewusstsein zu schaffen, dass Menschen mit Behinderungen zu uns gehören wie alle anderen auch und dass sie Rechte haben wie alle anderen, aber auch spezifische Bedürfnisse. Und was vielleicht noch wichtiger ist, sie können uns durch ihre direkten Erfahrungen aufzeigen und bewusst machen, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur etwas von uns brauchen, sondern uns auch viel geben können. Wir brauchen nur in die strahlenden Gesichter der hier versammelten Kinder und Erwachsenen zu sehen, um uns davon überzeugen zu können», sagte sie in ihrer Festansprache.
Fortschritte
in drei Bereichen miterlebt
Nach ihren Worten konnte sie an der Spitze der Gesundheits- und Sozialfürsorgedirektion in drei Bereichen Fortschritte miterleben. So ist Freiburg der Kanton, welche jenen Personen, die einen Familienangehörigen oder Bekannten pflegen und so einen Heimaufenthalt verhindern, Anspruch auf eine Tagespauschale haben. Deshalb kommen auch die Eltern Behinderter in den Genuss dieser Pflegebeiträge. «Das ist gleichzeitig eine kleine Anerkennung für all jene Personen, die sich mit viel Hingabe und Kompetenz einsetzen, damit ihre Angehörigen in der Familie oder selbst unabhängig leben können», führte sie weiter aus.
Institutionen haben sich verbessert
Ruth Lüthi konnte auch festhalten, dass sich die Institutionen für Behinderte in den letzten Jahren verbessert haben. Freiburg habe aber auch die Gesetze verbessert, um die schulische Integration der behinderten Kinder zu fördern, z.B. mittels eines Stützunterrichts. So wies sie darauf hin, dass in den deutschsprachigen Kindergärten 15 Kinder regulär aufgenommen und integriert werden. Und in den Primarschulen sind es nicht weniger als 60 Kinder, welche in den beiden Sprachgruppen in die Regelklassen integriert werden können.
In der Praxis sieht es oft anders aus
Die Festrednerin gab weiter zu bedenken, dass in der Theorie alle für Integration und gleiche Rechte seien, die Praxis jedoch oft noch anders aussehe. Laut Ruth Lüthi muss noch vieles getan werden, damit die Behinderten an allen Aktivitäten wie die Nicht-Behinderten teilnehmen können. Dabei dachte sich nicht zuletzt ans Berufsleben, in welchem die Behinderten allzu oft Opfer des harten wirtschaftlichen Wettbewerbs werden.
Ruth Lüthi konnte den zahlreich Anwesenden in der Festhalle aber auch ankündigen, dass die vierte IV-Revision einige Verbesserungen bringen wird. «Die wichtigste Neuerung scheint mir die Einführung der Assistenzentschädigung. Dies gibt den Personen mit einer Behinderung eine neue Autonomie und Entscheidungsmöglichkeit. Sie können wählen, welche Hilfen sie benötigen, und können mit Entschädigungen die durch ihre Behinderung entstehenden Mehrkosten bezahlen», erklärte sie. Die Gesundheitsdirektorin begrüsste auch die Initiative für gleiche Rechte. Nach ihrer Überzeugung muss eine bessere gesetzliche Grundlage vorhanden sein, damit die Behinderten Zugang haben zu allen Verkehrsmitteln, zu öffentlichen Gebäuden, zu kulturellen Anlässen oder ganz einfach zu Wohngebäuden.
«Ich wünsche mir für die Zukunft eine Gesellschaft, welche weniger die Behinderungen der Menschen betont als ihre Qualitäten», schloss sie ihre Ausführungen, gelte es doch, die Kompetenzen und Qualitäten aller Menschen zu fördern, damit diese zum Tragen kommen und damit jeder dafür seine Anerkennung erhalte. Viel Prominenz an Jubiläumsfeier
Moritz Boschung, Mitglied des Zentralvorstandes von Insieme Schweiz, konnte zum offiziellen Jubiläumsakt eine Reihe von Persönlichkeiten begrüssen, angefangen von Grossratspräsident Dominique de Buman, Staatsratspräsident Claude Grandjean, die Staatsräte Ruth Lüthi, Urs Schwaller, Pascal Corminboeuf, Nationalrätin Thérèse Meyer, Oberamtmann Marius Zosso usw. Während des Banketts richteten Margrit Rüfenacht, Vizepräsidentin Insieme Schweiz, Adolphe Gremaud, Direktor Pro Infirmis Freiburg, und Hubert Waeber, Präsident der Freiburger Gruppe der Cerebral-Gelähmten, Grussbotschaften an die jubilierende Vereinigung. Adolphe Gremaud versprach als Mitglied des Verfassungsrates, dass den Behinderten und ihren Anliegen in der neuen Verfassung gebührend Platz reserviert werde.
Begegnung
mit Behinderten
Begegnung mit den Behinderten fand während des 40-Jahr-Jubiläums von Insieme Freiburg an den verschiedenen Ständen statt, die am Samstag ab 14 Uhr rege besucht wurden. Mal-, Bastel-, PC-, Kuschel- und Märchenzelt sorgten in der Festhalle für spannende Unterhaltung, während im Aussenbereich Hüpfburg, Olympiade, Streichelzoo und Ponyreiten den kleinen Besuchern viel Spass bereiteten. Eindrücklich waren aber auch die begeisternden Auftritte der Behinderten, die Guggenmusik des Institutes «Les Buissonnets» am Festakt sowie die Musikgruppe «Bernaville» aus Schwarzenburg, die Sängergruppe «Les Buissonnets» und die Theatergruppe «La Rosière» aus Estavayer, die am Abend viel Applaus ernteten.
Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Theres am Sonntagvormittag fanden die Feierlichkeiten zum 40-Jahr-Jubiläum ein Ende.
az
Zurück
|
|