Kanton

Dienstag 22. Januar 2002, Kanton


Für lebhafte Debatten ist gesorgt
Der Verfassungsrat nimmt morgen die Diskussion zu den Vorschlägen der Kommissionen auf
An der Sprachgrenze soll es in Zukunft im Kanton Freiburg offiziell anerkannte gemischtsprachige Gemeinden geben. In diesen Schulkreisen können die Kinder nach Wahl deutsch oder französisch eingeschult werden. Mit diesen und vielen Dutzend anderen Anträgen wird sich der Verfassungsrat in den nächsten Monaten befassen.
Von WALTER BUCHS
«Die erste Etappe unserer Arbeit ist beendet», stellte Katharina Hürlimann, seit anfangs Jahr turnusgemäss Präsidentin des Verfassungsrates, gestern vor Medienvertretern fest. Nach elf Monaten Arbeit hatten nämlich die acht Sachbereichskommissionen ihre Schlussberichte bis Ende 2001 abgeliefert.
Noch keine definitiven Beschlüsse
In den nächsten Monaten finden nun sechs Sessionen statt, die jeweils drei Tage dauern werden. Dabei werden die von den Kommissionen vorgeschlagenen Thesen diskutiert und über deren Annahme abgestimmt. Damit ist aber noch nichts besiegelt, wie die letztjährige Präsidentin Rose-Marie Ducrot am Montag feststellte. Die Thesen werden nämlich in der zweiten Jahreshälfte Gegenstand eines breiten Vernehmlassungsverfahrens sein. Im kommenden Jahr wird dann aufgrund dieses Ergebnisses ein erster Verfassungsentwurf ausgearbeitet. Dieser wird wiederum im Plenum beraten und anschliessend in die Vernehmlassung geschickt, bevor - voraussichtlich im Jahr 2004 - die Volksabstimmung stattfindet.
In der Januarsession, die von morgen Mittwoch bis Freitag dauert, werden die Thesen der Kommission I und zwei Drittel der Vorschläge der Kommission II überprüft. Im Mittelpunkt stehen dabei die Grundprinzipien, die Sprachenfrage, die Grundrechte und -pflichten sowie Teile der Sozialrechte.
Förderung der Zweisprachigkeit
Bei der Erläuterung der Ergebnisse der Kommission I hat deren Präsidentin Bernadette Hänni-Fischer gestern betont, dass nach Meinung ihrer Arbeitsgruppe «eine konsequente Förderung der Zweisprachigkeit auf allen Ebenen und in allen Bereichen für die Zukunft des Kantons unabdingbar» sei. Freiburg solle und könne seine Stellung innerhalb des Landes dadurch verbessern, dass der Kanton die Zweisprachigkeit als Trumpf besser nutzt.
So hält die Kommission in einer ihrer Thesen Folgendes fest: «Die Zweisprachigkeit ist ein Bestandteil der Identität des Kantons und bedeutet eine Bereicherung. Sie ist entsprechend zu pflegen und zu fördern.» Demzufolge sollen in der künftigen Verfassung Deutsch und Französisch als Amtssprachen festgelegt sein. Nach Meinung der Arbeitsgruppe soll die territoriale Gliederung zudem nicht nach sprachlichen Kriterien vorgenommen werden, und in den Sprachenfragen seien grundsätzlich pragmatische Lösungen vorzuziehen.
Bernadette Hänni wies schliesslich darauf hin, dass Verbesserungen zu Gunsten der sprachlichen Minderheit in den letzten Jahren keineswegs zu einer Germanisierung geführt hätten. Die Entwicklung sei eher umgekehrt verlaufen und niemand spreche von einer Romanisierung. Die Thesen zur Sprachenfrage wird das Plenum des Verfassungsrates am Donnerstagvormittag behandeln.
Am Donnerstagnachmittag und Freitagvormittag geht es um Fragen der Menschenwürde und der persönlichen Freiheiten. Wie der Präsident der Kommission II, Adolphe Gremaud, Öffnung, Freiburg, dazu betonte, möchte seine Arbeitsgruppe den Kanton und die Gemeinden stärker als bisher in die Aufgaben im Sozialbereich einbinden. Dies solle aber unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips erfolgen.
Die von Peter Jaeggi, CSP, Schmitten, präsidierte Kommission V schlägt vor, die Zahl der Grossräte von 130 auf 100 zu reduzieren mit dem Ziel, das Parlament zu verstärken. Dabei ist es erfahrungsgemäss nicht notwendig und daher nicht vorgesehen, eine Schutzklausel für die Vertretung der sprachlichen Minderheit einzuführen, wie Peter Jaeggi sagte. Eine solche würde sich aufdrängen, wenn die Zahl der Staatsräte herabgesetzt würde. Dies werde aber nicht vorgeschlagen.
Welche territoriale Struktur?
Der Kommission, die sich mit der territorialen Struktur befasste, schwebt ein Kanton vor, «der sich aus Gemeinden zusammensetzt». Das würde bedeuten, dass die Verwaltungsbezirke etappenweise abgeschafft würden, während die Kantonsverwaltung dezentralisiert würde. Zudem soll ein besseres Gleichgewicht zwischen dem Kantonszentrum und den anderen Regionen gesucht werden. Aus dem Bericht der Kommission geht noch nicht nachvollziehbar hervor, wie dies geschehen soll.
Eine weitere wesentliche Neuerung besteht in der Schaffung eines Justizrats, der die richterliche Gewalt zu überwachen hätte. Schliesslich soll in der Verfassung die Möglichkeit festgeschrieben werden, dass die Kirchensteuer per Gesetz durch eine Mandatssteuer ersetzt werden kann. Dabei könnte der Steuerzahler den Empfänger seiner Abgabe bestimmen. An Stelle einer Kirche könnte dies eine gemeinnützige Organisation sein.

Die Berichte der Sachbereichskommissionen können im Internet konsultiert werden: www.fr.ch/constituante. Dort finden sich auch weitere Informationen und Dokumente.
Wettbewerb für die Präambel
In diesen Tagen erhalten alle Haushaltungen des Kantons eine Publikation des Verfassungsrates. Dieser lädt damit die Bevölkerung ein, an der Formulierung der Präambel für die neue Staatsverfassung mitzuwirken. Damit können sich auch jene Personen an der Ausarbeitung der neuen Verfassung beteiligen, die (noch) kein Stimmrecht haben.
Die Präambel ist die Einleitung der Verfassung. Darin werden die Grundlagen, die Wert- und Wunschvorstellungen der Charta des Kantons festgehalten. Die Idee dieses Wettbewerbs stammt von der Arbeitsgruppe «Konsultation und Kommunikation». Die Konzeption entstand innerhalb der Kommission I, welche thematisch für die Präambel verantwortlich ist.
Neben ausformulierten Texten können auch Zeichnungen eingereicht werden. Damit steht die Teilnahme ebenfalls Kindern und Schulen offen. Die Beiträge müssen bis zum 28. Februar 2002 eingesandt werden. Die besten werden veröffentlicht und ihre Urheber bekommen Preise. Es gibt Eintrittskarten für die Expo, Tageskarten für Freiburger Bergbahnen oder tpf-Gutscheine.
Eine Jury, bestehend aus Mitgliedern der Kommission I, des Büros und des Sekretariats, wird die besten Texte und Zeichnungen prämieren und sie dem Plenum unterbreiten. Als Kriterien wird sie berücksichtigen: Originalität, Kreativität, Qualität der Sprache, Abbild der zeitgenössischen Situation des Kantons sowie Berücksichtigung der Zukunft.
Wie Generalsekretär Antoine Geinoz an der Medienorientierung ergänzte, ist der Verfassungsrat frei, die eingesandten Vorschläge in seine Arbeit einzubeziehen oder nicht.  wb

Weitere Auskünfte und Unterlagen sind beim Sekretariat des Verfassungsrates erhältlich: Tel.: 026 305 23 70. E-Mail: constituante@fr.ch

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