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Freitag 25. Januar 2002, Kanton Territorialitätsprinzip mit neuem Inhalt
Verfassungsrat möchte die Chancen und die Realität der Zweisprachigkeit besser nutzen
Eine flexiblere Handhabung des Territorialitätsprinzips durch eine besondere Auslegung im Sprachgrenzgebiet ist seit gestern einen Schritt näher gerückt. Der Verfassungsrat hat Thesen verabschiedet, welche den Weg für eine gewisse Öffnung ebnen könnten.
Von WALTER BUCHS
Seit gut zehn Jahren besagt der Sprachenartikel in der geltenden Staatsverfassung, dass Französisch und Deutsch die Amtssprachen sind und ihr Gebrauch in Achtung des Territorialitätsprinzips geregelt wird. Zudem soll der Staat das Verständnis zwischen den beiden Sprachgemeinschaften fördern. Das genannte Prinzip besagt, dass im französischsprachigen Teil des Kantons Französisch und im deutschsprachigen Gebiet Deutsch die offizielle Sprache ist.
Strenge Auslegung unhaltbar
Die strenge Auslegung, wonach es nur deutsch- oder französischsprachige, aber keine gemischtsprachigen Gebiete gibt, wurde von gewissen Bezirks- und Gemeindebehörden so sehr verteidigt, dass es in den letzten Jahren mehrmals zu Gerichtsverfahren kam. Diese führten zu unnötigen sprachpolitischen Auseinandersetzungen, die weder dem Ansehen des Kantons noch der Annäherung unter den Sprachgemeinschaften förderlich waren.
Namentlich angesichts dieser Tatsachen kam die Sachbereichskommission des Verfassungsrates, welche Thesen zur Sprachenfrage auszuarbeiten hatte, zum Schluss, dass die geltende Bestimmung den heutigen Gegebenheiten nicht mehr gerecht wird. Das Territorialitätsprinzip ist nämlich auf Gebiete an der Sprachgrenze nicht anwendbar. Aus diesem Grund hat die Kommission unter dem Präsidium von Bernadette Hänni Fischer (SP), Murten, nach Lösungen gesucht, um der gelebten Wirklichkeit und den Anliegen eines grossen Teils der Bevölkerung namentlich auf dem Sprachgrenzgebiet Rechnung zu tragen. Diese Vorschläge wurden nun am Donnerstag vom Plenum des Verfassungsrates beraten.
Bundesverfassung richtungsweisend
Gemäss den Thesen der Kommission wird das Territorialitätsprinzip keineswegs abgeschafft, sondern es soll nach den einschlägigen Bestimmungen der neuen Bundesverfassung angewendet werden. Danach haben der Kanton und die Gemeinden «auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete zu achten und auf die angestammten sprachlichen Minderheiten Rücksicht zu nehmen, dies um das Einvernehmen zwischen den Sprachgemeinschaften zu wahren».
Der Gebrauch der Amtssprachen wird mit der weiteren These präzisiert: «In den französischsprachigen Gemeinden ist Französisch die Amtssprache; in den deutschsprachigen Gemeinden ist Deutsch die Amtssprache; in den gemischtsprachigen Gemeinden im Sprachgrenzgebiet sind Französisch und Deutsch die Amtssprachen.» Damit würden auf Verfassungsebene «gemischtsprachige Gemeinden» anerkannt. Der Gesetz-
geber hätte diese auf Grund bestimmter Kriterien festzulegen.
Minderheitsanträge
Eine Minderheit der Kommission, zu der Ambros Lüthi, Claudine Brohy und Bernadette Hänni gehörten, schlug allerdings vor, den Begriff «gemischtsprachige Gemeinden» ersatzlos zu streichen. Nach ihrer Auffassung sollte man keine Gemeinden zwigen, beide Amtssprachen zu benutzen. Aufgrund der Erfahrung sei auch eine Definition von zweisprachigen Gemeinden durch den Gesetzgeber politisch nicht durchsetzbar.
Eine andere, französischsprachige Kommissionsminderheit schlug vor, am Territorialitätsprinzip ausdrücklich auf der Grundlage der heutigen Verfassung festzuhalten. Dieses sollte allerdings durch Schutzbestimmungen zu Gunsten der Minderheiten ergänzt werden. Dabei wird namentlich an den Schulbereich gedacht. Die Fraktion «Öffnung» wollte sich ausdrücklich und strikt auf die geltende Verfassung beziehen.
Kommission setzt sich durch
Die lange Diskussion wurde zwar sachlich, aber hart und zum Teil kompromisslos geführt. In einem längeren Abstimmungsprozedere, das von Präsidentin Katharina Hürlimann mit der notwendigen Bestimmheit geleitet wurde, wurden die verschiedenen Änderungsanträge nach und nach ausgeschaltet. Dazu hatte namentlich auch ein Kompromissvorschlag von Claude Schenker (CVP), Freiburg, beigetragen, so dass am Schluss die ursprünglichen Formulierungen der Kommission mit klarem Mehr gutgeheissen wurden.
Das Plenum hat noch sieben weitere Thesen zur Sprachenfrage verabschiedet. Danach ist die Hauptstadt Freiburg zweisprachig und ihr Name wird in
der jeweiligen Sprache benutzt. Der Antrag der Kommission, immer den Doppelnamen Fribourg/Freiburg zu verwenden, wurde abgelehnt.
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