Kanton |
Montag 11. Februar 2002, Kanton Vorteile werden vermehrt erkannt
Chancen und Risiken der Zweisprachigkeit analysiert
Die Zweisprachigkeit gehört laut Verfassungsrat zur Identität des Kantons und stellt eine Bereicherung dar. Dies weist gemäss Prof. Peter Hänni auf einen Sinneswandel hin, der vertieft werden müsse.
Von WALTER BUCHS
Im Rahmen der Vortragsreihe, welche die Uni zur Ausarbeitung der neuen Staatsverfassung organisert, sprach am Mittwoch Peter Hänni, Professor für öffentliches Recht und derzeit Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, über verfassungsrechtliche Grundsätze des neuen freiburgischen Sprachenrechts. Einleitend wies er auf das Spannungsverhältnis zwischen Sprachenfreiheit und Territoritalitätsprinzip hin.
Sprachenfreiheit wurde gestärkt
Anschliessend ging Professor Hänni ausführlich auf das kürzlich veröffentlichte Bundesgerichtsurteil betreffend die Einschulung eines deutschsprachigen Kindes in Granges-Paccot ein. Dabei stellte er fest, dass das Freiburger Schulgesetz das Territorialitätsprinzip durchbreche.
Für den Referenten ist die Sprachenfreiheit durch besagtes Bundesgerichtsurteil gestärkt worden. Es habe zudem gezeigt, dass das Freiburger Sprachenrecht nicht vom Bundesrecht abweicht. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Situation entlang der Sprachgrenze nach flexiblen Lösungen rufe.
Neue Stossrichtung begrüsst
Der Verfassungsrat hatte Ende Januar Thesen zur Sprachenfrage verabschiedet. Hiezu stellte der Referent vor rund zwei Dutzend Zuhörern mit Genugtuung fest, dass der Verfassungsrat offensichtlich gewillt ist, die Zweisprachigkeit nicht nur als Problem, sondern vielmehr als Bereicherung für den ganzen Kanton anzusehen. Dies sei für die Stärkung der Stellung des Kantons innerhalb der Schweiz auch notwendig. Ebenfalls die Universität habe dies erkannt und die Weichen entsprechend gestellt.
Für Hänni ist die Freiburger Wirtschaft inklusive Tourismus existentiell auf den Standortvorteil der Zweisprachigkeit angewiesen. Gerade deshalb seien flexible Lösungen in der Sprachenfrage unbedingt notwendig. Als gutes Beispiel hob er dabei das zweisprachige Schulzentrum Prehl in Murten hervor, wo sich zahlreiche Probleme, die in früheren Jahren des öftern vor Gericht ausgetragen wurden, heute praktisch von selbst lösen.
Unter dem Aspekt Risiken, welche die Zweisprachigkeit allenfalls darstellen könnten, wies der Referent darauf hin, dass gelebte Zweisprachigkeit nicht zum Nulltarif zu haben ist. Es brauche notwendigerweise mehr finanzielle Mittel. Solche würden aber von einem Bundesgesetz, das gegenwärtig in der Vernehmlassung ist, in Aussicht gestellt. Dass eine zu starke Betonung der Zweisprachigkeit allenfalls zu einer Entfremdung von den eigenen kulturellen Wurzeln führen könnte, betrachtet der Referent hingegen als Scheinproblem. In der regen Diskussion wurde unter anderem die Frage aufgeworfen, wie man den angesprochenen Sinneswandel namentlich auch bei den französischsprachigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern fördern könnte. Dabei erinnerte Professor Walter Stoffel daran, dass die Französischsprachigen gesamtschweizerisch eine Minderheit darstellen. Diesen psychologischen Aspekt müsse man in den Kontakten immer vor Augen haben. Wenn man von Förderung der Zweisprachigkeit rede, müsse man daher immer wieder darauf hinweisen, dass keineswegs beabsichtigt sei, Sprachgrenzen zu verschieben. Zudem habe im Gegensatz zum deutschen Wort «zweisprachig» der Ausdruck «bilingue» einen gewissen negativen Beigeschmack. Gerade Deutschsprachige täten gut daran, diese drei Punkte im Umgang mit Französischsprachigen im Kanton mit zu berücksichtigen.
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