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Mittwoch 22. Januar 2003, Kanton Angst vor dem eigenen Mut
Verfassungsrat macht Aufweichung des Territorialitätsprinzips rückgängig
Entgegen den vor einem Jahr verabschiedeten Thesen und dem Vorschlag der Kommission soll der Begriff «Territorialitätsprinzip» zur Regelung der Sprachenfrage doch in der neuen Staatsverfassung stehen. Dies hat der Verfassungsrat nach einem aufwändigen Abstimmungsverfahren beschlossen.
Von WALTER BUCHS
Die verfassunggebende Behörde des Kantons Freiburg hat am Dienstag zu Beginn der Januar-Session die ersten sieben Artikel des Vorentwurfs für eine Kantonsverfassung verabschiedet. Kernstück neben den Staatszielen war dabei die Regelung der Sprachenfrage. Zwei Artikel sind dieser Problematik gewidmet. Der eine legt erstmals fest, dass der Kanton zweisprachig ist und dass er die Verständigung unter den Sprachgemeinschaften fördern soll. Der zweite regelt die Amtssprachen (siehe nebenstehenden Kasten).
Kommissionspräsidentin Bernadette Haenni-Fischer (SP, Murten) erinnerte daran, dass die Aufweichung des Territorialitätsprinzips im Januar 2002 klar angenommen wurde und dass sich daran nichts geändert habe. Die Kommission habe vielmehr für ihre zukunftsweisenden Vorschläge viele Komplimente entgegennehmen dürfen. Sie räumte aber auch ein, dass bei einigen Kommissionsmitgliedern Ängste aufgetaucht seien, da das Territorialitätsprinzip nicht ausdrücklich erwähnt werde.
Angst vor Sprachenstreit
Genau diese Angst kam auch in den meisten Abänderungsanträgen zu Handen des Plenums zum Ausdruck. Am weitesten ging dabei der Vorschlag der Fraktion «Öffnung», welche bloss die Bestimmungen der heute gültigen Verfassung übernehmen wollte. Ihr Sprecher, alt Staatsrat Félicien Morel, stellte fest, dass die Zweisprachigkeit auch in der heutigen Verfassung nicht erwähnt sei, und es sei eine Illusion, dies zu tun. In der Abstimmung unterlag dieser Vorschlag dann aber klar.
Die anderen Änderungsvorschläge bezogen sich vorwiegend auf die Formulierung des Artikels 7. Dabei war die Bestimmung, dass der Gebrauch der Amtssprachen «in Achtung des Territorialitätsprinzips» geregelt wird, in den Anträge der FDP-Fraktion, jenem von Ambros Lüthi (SP, Freiburg) sowie einer überparteilichen Gruppe von 13 Verfassungsratsmitgliedern enthalten. Unterschiedlich waren ihre Vorstellungen darüber, wer bestimmen soll, wann eine Gemeinde als gemischtsprachig gelten kann. Hiezu brachte die Sprachwissenschaftlerin Claudine Brohy (offene Liste, Freiburg) einen weiteren Vorschlag ein, ohne allerdings den Begriff «Territorialität» zu verwenden.
Ambros Lüthi räumte ein, dass der Kanton mit der Übernahme des Vorschlags der Kommission einen Sprachenkrieg riskiere. Es sei deshalb besser, zu Gunsten des Sprachenfriedens auf eine elegante Lösung zu verzichten. Sein Vorschlag verbinde zudem das Territorialitätsprinzip mit den Bestimmungen der neuen Bundesverfassung, auf die sich die Kommission abstütze. Der Vorschlag der überparteilichen Gruppe, der von Claude Schenker (CVP, Freiburg) vertreten wurde, enthielt auch Übergangsbestimmungen, wonach eine Gemeinde dann als zweisprachig gelten würde, wenn die Minderheitssprache mindestens von 30 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird. Davon warnten verschiedene Votanten. Dieser Antrag war auch der erste, der im Abstimmungsverfahren ausschied. Der Rat entschied sich - beim Artikel 7 - für den Antrag Lüthi und beim Artikel 6 für die korrigierte Variante der Kommission. Plädoyers für Kommissionsvorschlag
Vorgängig hatten sich zahlreiche Redner - von einer Ausnahme abgesehen alles deutschsprachige - für die Vorschläge der Kommission stark gemacht. Christine Müller (SP, Freiburg) unterstrich dabei, dass der Rat nicht das Recht habe, mit «kleinlichen Bestimmungen die Zukunftschancen der Jungen zu verbauen». Moritz Boschung (CVP, Düdingen) wies darauf hin, dass es auch heute noch keine einheitliche Interpretation des Begriffs «Territorialität» gebe.
Vorentwurf
Kantonsverfassung
Art. 6 Sprachen
a) Zweisprachigkeit
1 Die Zweisprachigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Identität des Kantons und seiner Hauptstadt.
2 Der Kanton fördert durch gezielte Massnahmen die Verständigung, das gute Einvernehmen und den Austausch zwischen den kantonalen Sprachgemeinschaften. 3 Er fördert die Beziehungen zwischen den nationalen Sprachgemeinschaften, insbesondere zwischen der französisch- und deutschsprachigen Schweiz. Art. 7 b) Amtssprachen
1 Französisch und Deutsch sind die Amtssprachen.
2 Ihr Gebrauch wird in Achtung des Territorialitätsprinzips geregelt: der Kanton und die Gemeinden achten auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete und nehmen Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten. 3 Französisch ist die Amtssprache der französischsprachigen Gemeinden; Deutsch ist die Amtssprache der deutschsprachigen Gemeinden. In den Gemeinden mit bedeutenden angestammten sprachlichen Minderheiten können Deutsch und Französisch Amtssprachen sein; die Zustimmung des Kantons ist notwendig. Comm.
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