Kanton

Donnerstag 23. Januar 2003, Kanton


Sprachenfreiheit wird Grundrecht
Verfassungsrat setzt Ehe vor andere Lebensgemeinschaften
Die Sprachenfreiheit wird in der künftigen Freiburger Staatsverfassung als Grundrecht anerkannt. Der Verfassungsrat hat einen entsprechenden Artikel gutgeheissen. Danach kann sich jede Person künftig in der Amtssprache ihrer Wahl an eine für den ganzen Kanton zuständige Behörde wenden.
Von WALTER BUCHS
Während der Artikel über die Sprachenfreiheit am Mittwochnachmittag diskussionslos verabschiedet wurde, gab jener über «Ehe und andere Lebensgemeinschaften» zu einem längeren Seilziehen mit zahlreichen Abänderungsanträgen Anlass. Unbestritten waren die Bestimmungen, dass das Recht auf Ehe gewährleistet ist, und die Freiheit, eine andere gemeinschaftliche Lebensform zu wählen, anerkannt wird. Der Absatz 3 dieses Artikels, wonach «Gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche eingetragene Partnerschaften Ehepaaren gleichgestellt» sind, bildete den Stein des Anstosses.
Partnerschaften registrieren?
Gemäss einem von Philippe Wandeler erläuterten CSP-Vorschlag sollte lediglich erwähnt werden, dass gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft eintragen können, ohne diese auf die gleiche Ebene wie die Ehe zu stellen. Trotz Gleichstellung sei eine Unterscheidung notwendig. Die FDP-Fraktion wandte sich entschieden gegen die Möglichkeit, dass verschiedengeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft registrieren können.
Bundesbestimmungen sollen genügen
Die Freisinnigen konnten sich aber auch mit dem Antrag anfreunden, diesen Absatz ganz aus dem Verfassungsentwurf zu streichen, was von der CVP beantragt wurde. Deren Sprecherin, Martine Banderet, stellte fest, dass die Bestimmungen der Bundesverfassung und das in Vorbereitung stehende Bundesgesetz zu dieser Thematik vollauf genügten. Ihr Fraktionskollege Daniel de Roche unterstrich, dass es auch bei der Anerkennung verschiedener Lebensformen angebracht sei, die eine - in diesem Falle die Familie - zu privilegieren. Er wurde dabei von Noël Ruffieux (CSP) unterstützt.
Anna Petrig (SP) setzte sich vehement für die Beibehaltung des bestrittenen Absatzes ein mit dem Hinweis, es gehe nicht an, verschiedene Lebensformen zu werten, sondern dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen. Nach einem längeren Ausscheidungsverfahren wurde der Antrag zur ersatzlosen Streichung des Absatzes 3 knapp zu Lasten des CSP-Antrages gutgeheissen.
Zwei von der SP-Fraktion eingebrachte resp. unterstützte Zusätze wurden relativ knapp verworfen. Die Sozialdemokraten hätten gerne näher umschrieben, in welchen Fällen das Diskriminierungsverbot zu beachten ist. Im Weiteren hat sich die SP für einen Antrag eingesetzt, wonach der Artikel über das Willkürverbot in dem Sinne hätte ergänzt werden sollen, dass der «Schutz vor Willkür als unabhängiges Grundrecht» anerkannt wird. Nach Meinung der Präsidentin der Redaktionskommission hätte dies aber nichts gebracht, weil die Grundrechte in der Bundesverfassung bereits abschliessend aufgeführt sind.
Gleichstellung von Mann und Frau
Bei den im Grundsatz nicht bestrittenen Bestimmungen über die Rechtsgleichheit zwischen Frau und Mann kam es zu einem Seilziehen zwischen FDP- und SP-Fraktion. In der Formulierung, dass «Staat und Gemeinden für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, namentlich in Familie, Ausbildung, Arbeit und beim Zugang zu öffentlichen Ämtern sorgen», witterte die FDP eine Quotenregelung. Sie schlug deshalb vor, die genannte Formulierung durch folgenden Satz zu ersetzen: «Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit.» SP-Sprecherin Yvonne Gendre bestritt, dass der Text der Kommission eine Quotenregelung bei der Vergabe öffentlicher Stellen zur Folge haben würde. Für ihre Parteikollegin Eva Ecoffey ist es wichtig, dass in der Verfassung auch klar gesagt wird, dass und wie die Gleichstellung sicherzustellen ist. Zudem wolle die SP hiezu kein neues kantonales Gesetz. In der Abstimmung unterlag dann der Antrag der FDP knapp zu Gunsten der Formulierung im Vorentwurf.
Die FDP-Fraktion unterlag ebenfalls mit ihrem Vorschlag, im Artikel über die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung einen Abschnitt zu streichen. Gemäss Vorentwurf lautet dessen Formulierung: «Wissenschafterinnen und Wissenschafter nehmen ihre Verantwortung gegenüber Menschen, Tieren, Pflanzen und deren Lebensgrundlagen wahr.»
Die Sprecher der Freisinnigen beteuerten, dass sie keineswegs gegen den Inhalt des erwähnten Satzes seien, dass dieser aber nicht anwendbar und im Kapitel über Grundrechte fehl am Platz sei. Ambros Lüthi (SP, Freiburg) wandte sich klar gegen die Streichung mit der Begründung, dass Ethik in der Wissenschaft gerade heute sehr wichtig sei. Namentlich in Freiburg würden wir von der Universität erwarten, dass sie ein ethische Gewissen behält. Gemäss seinem Antrag wurde die Bestimmung im Vorentwurf belassen.
Altersgrenze bei öffentlichen Ämtern?
Unter dem Titel «Rechtsgleichheit im Alter» enthielt der Verfassungsentwurf eine Bestimmung, wonach der Zugang zu öffentlichen Mandaten keiner oberen Altersgrenze unterliegt. Aus der Mitte des Rates wurde vorgeschlagen, diese negativ formulierte Aussage zu streichen. Der Doyen des Verfassungsrates, Joseph Rey (CSP, Freiburg), fühlte sich ob dieses Antrags sehr beleidigt und erniedrigt. Er wurde aber damit getröstet, dass die Abgabe von Aufgaben im Alter ein normaler Prozess sei und dass mit der Streichung noch gar keine obere Grenze eingeführt werde. Der Rat entschied sich, auf den entsprechenden Artikel zu verzichten.
Ebenfalls im Interesse eines schlanken, kohärenten und gut lesbaren Verfassungstextes entschied er sich - allerdings sehr knapp - die ausführlichen Formulierungen über den Datenschutz auf ein Minimum zu reduzieren, obwohl sich namentlich Patrick Gruber und Bernadette Haenni (beide SP) für deren Beibehalten einsetzten. Angenommen wurden ebenfalls Artikel über die persönliche Freiheit, die Niederlassungs-, Meinungs- sowie Informationsfreiheit.

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