Kanton

Mittwoch 19. Februar 2003, Kanton


Sprachenfrage erhitzt erneut die Gemüter
Verfassungsrat berät die Bestimmungen zum Thema Bildung und Schulen
Die Frage der Wahl der Sprache bei der Einschulung hat bekanntlich im Kanton Freiburg immer wieder zu Streitigkeiten geführt. Der Vorentwurf für die neue Kantonsverfassung enthielt deshalb eine Bestimmung, um Probleme dieser Art künftig regeln zu können. Der Verfassungsrat hat aber diesen Artikel am Dienstag wieder gestrichen.
Von WALTER BUCHS
Im Januar hatte der Verfassungsrat mit der 1. Lesung des Vorentwurfs für eine neue Staatsverfassung begonnen. Dabei hat er unter anderem Artikel verabschiedet, welche die Zweisprachigkeit des Kantons, den Gebrauch der Amtssprachen und die Festschreibung der Sprachenfreiheit betreffen. Die Artikel zum Thema Bildung, welche der Rat gestern zu Beginn der Februarsession diskutiert hat, enthielten eine weitere Bestimmung, welche das Sprachenkonzept, wie es die Sachbereichskommission unter dem Präsidium von Bernadette Haenni (SP, Murten) konzipiert hat, abrunden sollte.
Der entsprechende Vorschlag im Vorentwurf lautete: «Kinder, welche in einem im Sprachgrenzgebiet liegenden Schulkreis wohnen, können in der Amtssprache ihrer Wahl, nötigenfalls in einem anderen Schulkreis, eingeschult werden.» Präsidentin Haenni betonte, dass diese Bestimmung die Gleichbehandlung der Kinder im Sprachgrenzgebiet sicherstellen soll und deshalb in den Augen der Kommission notwendig sei.
Klärung oder neues Hindernis?
Für Monika Bürge-Leu (CVP, Wünnewil) kann mit der erwähnten Bestimmung eine zentrale Schulfrage geregelt werden, die in den letzten Jahren immer wieder zu Problemen geführt hat. Sie erinnerte daran, dass der Vorschlag bei der 0-Lesung im vergangenen Jahr mit grossem Mehr gutgeheissen wurde im Bewusstsein, dass er Klarheit und Rechtssicherheit schaffen kann.
Eine andere Meinung vertrat Peter Bachmann (FDP, Murten), der im Namen seiner Fraktion vorschlug, die Bestimmung ersatzlos zu streichen. Er wies darauf hin, dass der Begriff «Sprachgrenzgebiet» nirgends definiert sei und dieses mit einem Schulkreis auch kaum je übereinstimme, was zu Verwirrung und Unklarheiten führen werde.
Für pragmatische Lösungen
«Im Seebezirk haben wir gute, pragmatische interkommunale Lösungen gefunden. Lassen wir den Gemeinden die Freiheit, diese Frage selber zu lösen», forderte Peter Bachmann weiter. Diese Meinung vertrat auch Ambros Lüthi (SP, Freiburg), der den Streichungsantrag unterstützte. In einem mehrseitigen Kommentar unter dem Titel «Der Sprachenfriede im Kanton Freiburg» kommt er zum Schluss, das eine «einschränkende, allgemeine Regelung für die sprachliche Einschulung der Kinder in der Verfassung nicht sinnvoll ist». Die neue Fassung des Territorialitätsprinzips, wie sie im Januar vom Plenum angenommen wurde, verpflichte Kanton und Gemeinden «auf die angestammten sprachlichen Minderheiten Rücksicht zu nehmen», stellte Ambros Lüthi weiter fest. Damit seien «implizit Rechte zum Schulbesuch der sprachlichen Minderheit» enthalten.
Anton Brülhart (CVP, Düdingen) unterstrich aber, dass das «ausgewogene Konzept der Kommission für das gute Einvernehmen und Gleichgewicht im Kanton wichtig ist». Claudine Brohy (Offene Liste, Freiburg) wies darauf hin, dass der Kommissionsvorschlag internationalen Bestimmungen zum Minderheitenschutz und der Bundesverfassung entspreche und Josef Vaucher (SP, Freiburg) gab zu bedenken, dass Angst immer ein schlechter Ratgeber sei. Trotzdem wurde dieser Absatz mit 75:39 Stimmen aus dem Vorentwurf gestrichen. Gleichzeitig wurden auch zwei Anträge abgelehnt, welche den Kommissionsvorschlag einschränken wollten.
Schule und ihr christliches Erbe
Der dem Plenum vorgelegte Vorentwurf sieht vor, dass «der Unterricht in öffentlichen Schulen politisch und konfessionell neutral ist». Der Rat hiess einen Zusatz der Fraktion «Öffnung» gut, wonach dies auch in den subventionierten Privatschulen der Fall sein muss.
Claude Schenker (CVP, Freiburg) begrüsste diese Formulierung. Im Namen seiner Fraktion und der CSP schlug er aber zwei Zusätze vor: Wie das gemäss Schulgesetz heute bereits der Fall ist, soll der Unterricht sich «am christlichen Verständnis der Person und an seinen Grundrechten orietieren». Zudem sollen Kirchen und anerkannte Religionsgemeinschaften das Recht haben, einen Religionsunterricht im Rahmen der obligatorischen Schule zu organisieren. Gemäss Claude Schenker geht es damit keineswegs darum, eine christliche oder gar konfessionelle Schule einzuführen Es gehe lediglich um den Bezug zum christlich-abendländischen Erbe und die Besätigung der heutigen Praxis in der neuen Verfassung.
Zahlreiche Vorbehalte
Für Daniel de Roche (CVP/EVP, Grossguschelmuth) geht es beim Vorschlag lediglich um eine Einladung zu einer ethisch-spirituellen Orientierung des Unterrichts. Als Antwort auf einige Befürchtungen stellte er ganz klar in Abrede, dass die Kirchen die Absicht hätten, wieder «die Hand auf die Schulen zu legen». Philippe Wandeler (CSP, Freiburg) ergänzte im Namen seiner Fraktion, dass das Recht der Kirchen, Religionsunterricht zu organisieren, auch bedeute, dass Eltern und Kinder das Recht haben, auf dieses Angebot zu verzichten.
Von verschiedenster Seite wurde der CVP/CSP-Vorschlag teils massiv kritisiert und in der Abstimmung auch abgelehnt. Das gleiche Schicksal erlitt ein Antrag von sieben Ratsmitgliedern aus den Fraktionen FDP, SP und offene Liste. Sie hatten dafür plädiert, dass «der Unterricht in den öffentlichen Schulen laizistisch» ist. Damit war der ursprüngliche Vorschlag mit einem kleinen Zusatz genehmigt.
Gleich zu Beginn der gestrigen Debatte hatte der Verfassungsrat die Grundsätze zum Thema Bildung behandelt. Dazu lagen insgesamt acht Änderungsanträge vor, die schlussendlich alle abgelehnt wurden. Sowohl der von verschiedener Seite unterstützte Streichungsantrag der Bestimmung, wonach das Gesetz den Besuch des Kindergartens vom Schulobligatorium ausnehmen kann, als auch die Forderung, dass der Kindergarten zwei Jahre dauern muss, wurden abgelehnt. Zudem wurde auch die Kantonalisierung der Grundausbildung verworfen. Kanton und Gemeinden sollen auf Verfassungsstufe auch nicht verpflichtet werden, «vorschulische Sozialisierungs- und Erziehungsinitiativen» zu untersützen. Mit Erfolg wehrte sich der Rat ebenfalls gegen einen Streichungsantrag des Passus, wonach die Grundausbildung den Fähigkeiten der einzelnen Kinder Rechnung tragen soll.
Entwicklungshilfe wird Staatsaufgabe
Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sollen neu in den Katalog der Staatsaufgaben aufgenommen werden. Sowohl ein Streichungsantrag dieser Bestimmung als auch ein Zusatz, wonach der Kanton hiefür jährlich 0,7 Prozent der Bruttoeinnahmen aufzuwenden hat, wurden verworfen.
Schliesslich hat der Rat den Vorschlag zur Einführung einer Beschwerdeinstanz für Einbürgerungsentscheide auf die März-Session vertagt. In der Zwischenzeit soll die juristische Machbarkeit abgeklärt werden.

Zurück