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Freitag 21. Februar 2003, Kanton Integrationsschritt für Ausländer
Stimm- und Wahlrecht auf Gemeinde- und Kantonsebene
Nicht bloss auf Gemeinde-, sondern auch auf Kantonsebene sollen niederlassungsberechtigte Ausländer stimm- und wahlberechtigt sein. Dies hat der Verfassungsrat am Donnerstag relativ knapp entschieden. Hingegen ist er gegen eine Herabsetzung des Mündigkeitsalters.
Von WALTER BUCHS
Im vergangenen Jahr hatte der Verfassungsrat beschlossen, dass Ausländerinnen und Ausländer, die über eine Niederlassungsbewilligung verfügen und seit mindestens fünf Jahren in der Gemeinde Wohnsitz haben, daselbst stimmen können und wählbar sind. Gleichzeitig wurden diese Rechte auf Kantonsebene ausgeschlossen. Entsprechend diesen Beschlüssen war der Vorentwurf für die neue Verfassung formuliert.
«Ein Schritt des Miteinanders»
Im Hinblick auf dessen erste Lesung hatten sowohl die SP- als auch die Fraktion «Bürger» beantragt, «niederlassungsberechtigten Ausländerinnen und Ausländern, welche seit mindestens fünf Jahren im Kanton Wohnsitz haben», das Stimm- und Wahlrecht auch in kantonalen Angelegenheiten zu gewähren. Für die SP-Sprecherin Yvonne Gendre ist es an der Zeit, «die Immigranten nicht mehr länger von den politischen Entscheidungsprozessen auszuschalten».
Für Anna Petrig (SP, Freiburg) wird mit der Annahme dieses Vorschlages ein «Schritt des Miteinanders und nicht mehr des Nebeneinanders» gemacht. Wie bereits in der 0-Lesung unterstrichen, betonte sie auch in der gestrigen Debatte, dass das Kriterium der Staatsangehörigkeit als Kriterium der politischen Tätigkeit überholt sei. Für Peter Jaeggi (CSP, Schmitten) ist es wichtig, eine «mutige Verfassung» in die Vernehmlassung zu schicken.
Integrationsschritt unbestritten
Die Gegner des Vorschlages unterstrichen, dass der Weg der Integration in erster Linie über die Einbürgerung führe. Es sei eigentlich logisch, dass die Gewährung der vollen politischen Rechte mit der Erlangung des Bürgerrechts verknüpft sei. «Für jene, die daran interessiert sind, sind die Wege hiezu weit offen», stellte Denis Boivin (FDP, Freiburg) hiezu fest und unterstrich, dass die Einbürgerung unbedingt erleichtert werden müsse.
Mit dem Hinweis, dass eine entsprechende Abstimmungsvorlage erst vor sechs Jahren mit 76 Prozent Neinstimmen abgelehnt wurde, stellte Claude Schenker (CVP, Freiburg) fest, dass es jetzt noch zu früh sei, die Gewährung der politischen Rechte auf kantonaler Ebene vorzuschlagen und damit das Risiko einzugehen, dass die ganze Verfassung aufs Spiel gesetzt werde. Die realistische Lösung bestehe darin, einen ersten Schritt auf Gemeindeebene zu tun. Dieser Sicht konnte sich auch SVP-Sprecher Ueli Johner (Kerzers) anschliessen.
Nach einer ausgiebig geführten Diskussion mit insgesamt 50 Wortmeldungen entschied sich der Rat mit 62 zu 57 Stimmen für den Antrag der SP- und Bürger-Fraktion. Mit diesem Entscheid war klar, dass auch der Artikel über das Stimm- und Wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten, wie er in der 0-Lesung verabschiedet wurde, bestätigt wird. Trotzdem wurden zahlreiche Änderungsanträge eingereicht, die sich allerdings nur leicht unterschieden. Schliesslich setzte sich der Vorschlag der SP durch, wonach «niederlassungsberechtigte Ausländerinnen und Ausländer in ihrer Wohnsitzgemeinde stimm- und wahlberechtigt sind, wenn sie seit mindestens fünf Jahren im Kanton Wohnsitz haben». Die SVP, unterstützt von der FDP, wollte diese Rechte bloss Schweizerinnen und Schweizern verleihen. Ihr Vorschlag unterlag dem SP-Antrag mit 33 zu 76 Stimmen. Vorgängig hatte SVP-Fraktionschef Ueli Johner zu bedenken gegeben, dass der Rat eine Verfassung ausarbeiten müsse, die dann auch vor dem Volk bestehen könne. Gegen Stimmrechtsalter 16
Sowohl auf Kantons- als auch auf Gemeindeebene soll das Stimmrechtsalter der Bundesgesetzgebung entsprechen (heute 18 Jahre). Anderslautende Anträge wurden jeweils abgelehnt, obwohl sie zum Teil mehr als einen Drittel der abgegebenen Stimmen erhielten.
Im Namen der SP machte sich beispielsweise Anna Petrig für das Stimmrechtsalter 16 stark. Es sei zwar kein Allheilmittel, um die Stimmabstinenz zu verbessern. Aber zusammen mit einer Aufwertung des Staatskundeunterrichts versprach sie sich eine positive Wirkung. Im Namen ihrer Fraktion schlug Bernadette Haenni (SP, Murten) zudem vor, den Gemeinden das Recht zuzugestehen, ein tieferes Stimmrechtsalter vorzusehen.
Weg von veraltetem Vokabular
In Anlehnung an die Terminologie des Zivilgesetzbuches sah der Vorentwurf vor, dass Personen, die «wegen Geisteskrankheit oder -schwäche entmündigt» sind, nicht stimm- und wahlberechtigt sind. Moritz Boschung (CVP, Düdingen) schlug vor, die Überarbeitung der Verfassung dazu zu benutzen, «solch diskriminierendes und stigmatisierendes Vokabular» aus dem Grundgesetz zu verbannen. Zudem solle das Gesetz den Ausschluss vom Stimm- und Wahlrecht regeln, der sich sicher nicht nur auf Menschen mit einer geistigen Behinderung beschränke. Seinem Vorschlag wurde praktisch einstimmig stattgegeben.
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