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Freitag 14. November 2003, Kanton Ein Schritt zur Integration
Verfassungsrat ringt sich zu einem Kompromiss durch
Niederlassungsberechtigte Ausländerinnen und Ausländer sollen in Gemeindeangelegenheiten stimm- und wahlberechtigt werden, nicht aber auf kantonaler Ebene. Dies hat der Verfassungsrat am Donnerstag nach intensiv geführter Debatte beschlossen.
Von WALTER BUCHS
In der Abstimmung wurde dieses neue Recht auf Gemeindeebene mit 80 zu 38 Stimmen beschlossen, wobei die Nutzniesser seit mindestens fünf Jahren im Kanton Wohnsitz haben müssen. Ein Antrag, diese Frist auf zehn Jahre anzuheben, wurde mit 67 zu 51 Stimmen abgelehnt.
Auf Vorschlag der Kommission beschloss das Plenum mit 70 zu 46 Stimmen, die entsprechenden Rechte auf Kantonsebene nicht einzuführen. Auch die Auslandschweizer sollen dieses Recht nicht ausüben können. Auf Vorschlag der FDP-Fraktion wurde mit 60 zu 59 Stimmen und zwei Enthaltungen beschlossen, eine entsprechende Bestimmung aus dem Vorentwurf für die neue Kantonsverfassung wieder zu streichen.
Damoklesschwert: Volksabstimmung
In der ersten Lesung vom Februar hatte die Mehrheit des Verfassungsrates beschlossen, den Ausländerinnen und Ausländern die Bürgerrechte auf Gemeinde- und Kantonsebene zu gewähren. Immer wieder wurde in der gestrigen Debatte im Plenum festgehalten, dass aufgrund der Reaktionen während der Vernehmlassung im Frühjahr dieser Vorschlag an der Volksabstimmung keine Chance haben würde. Wenn er als solcher vorgelegt würde, könnte das ein Grund sein, dass der Verfassungsentwurf vor dem Volk scheitern würde, und dies müsse unbedingt verhindert werden.
Weg frei für ersten Schritt
«Versuchen wir die Gemeindeebene durchzubringen, um nicht alles zu riskieren,» legte Claude Schenker, Freiburg, im Namen der CVP-Fraktion den Ratsmitgliedern ans Herz. «Machen wir uns an die Arbeit, um die Bevölkerung in diesem Sinne zu überzeugen,» ergänzte er.
Verschiedene Verfassungsräte, so Anton Brülhart (CVP, Düdingen), Jean-Bernard Repond (Öffnung, Bulle) und Noël Ruffieux (CSP, Courtaman) gestanden, dass man nach ihrer Meinung den kantonalen und kommunalen Bereich eigentlich nicht teilen sollte. Da die Zeit dafür offenbar nicht reif sei, seien sie zu einem Kompromiss bereit, um in die neue Verfassung wenigstens das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer in Gemeindeangelegenheiten aufnehmen zu können. Peter Bachmann (FDP, Murten) könnte sich vorstellen, dass der Verfassungsrat in diesem Punkt dem Volk eine Variante vorschlägt.
Im Laufe der Debatte, bei der es über 30 Wortmeldungen gab, hielt Alain Berset, Belfaux, fest, dass es die SP-Fraktion sehr bedauern würde, wenn den Ausländern die Rechte auf Kantonsebene nicht gewährt würden. Sollten sie ihnen auch auf Gemeindeebene vorenthalten werden, dann könnten die Sozialdemokraten nicht mehr zum Verfassungsentwurf stehen. Eine Warnung in die andere Richtung sprach Ueli Johner, Kerzers, im Namen der SVP aus: «Wer beides will, übernimmt die Verantwortung, dass die ganze Verfassung vom Volk abgelehnt wird.» Wie in der ersten Lesung, erinnerte Denis Boivin, Freiburg, daran, dass aus der Sicht der FDP die Integration über die Einbürgerung zu erfolgen habe. Seine Fraktion sei deshalb generell gegen das Ausländerstimm- und -wahlrecht. Familienstimmrecht
Daniel de Roche, Guschelmuth, hatte gestern im Namen der EVP den Vorschlag für die Einführung eines Familienstimmrechtes eingebracht. Danach würden «bis zum Erreichen der Mündigkeit die Erziehungsberechtigten das Stimm- und Wahlrecht treuhänderisch wahrnehmen». Die Wählbarkeit sei dann mit Eintritt der Mündigkeit anerkannt. Für Daniel de Roche könnte damit der Stellenwert der Familie gestärkt werden. Von kinderreichen Familien werde viel verlangt, deshalb sollten auch ihre Rechte ausgebaut werden. Der Vorschlag wurde abgelehnt.
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