Kommissionssitzung vom 4. Juni 2024
An ihrer zweiten Sitzung des Jahres hatten die Mitglieder der kantonalen Kommission für die Gleichstellung von Frau und Mann und für Familienfragen das Vergnügen, einem Vortrag von Ingela K. Naumann, Professorin für Soziologie an der Universität Freiburg, zum Thema «Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Freie Wahl, Kompromiss oder Aufopferung?» beizuwohnen.
Einleitend stellte Frau Naumann fest, dass pluralistische und demokratische Gesellschaften wie die Schweiz der Wahlfreiheit einen hohen Stellenwert einräumen. Nach dem politischen Willen sollen Familien selbst entscheiden können, wie sie familiäre Sorgearbeit und Erwerbsarbeit miteinander vereinbaren möchten. Diese Freiheit wird jedoch aufgrund verschiedener Zwänge erheblich eingeschränkt: Notwendigkeit, die Familie finanziell abzusichern, Anforderungen des Arbeitsmarkts, Mangel an bezahlbaren Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder logistische Komplexität bei der Koordinierung von Arbeitszeiten und Schul- oder Kinderbetreuungszeiten. In Wahrheit ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel mehr eine Reihe von Kompromissen als das Ergebnis einer echten Wahl.
Weiter stellt die Forschung fest, dass all diese Kompromisse zu Aufopferungen führen können, die sich auf das Wohlergehen der Familienmitglieder auswirken – insbesondere der Frauen. Eine Unterbrechung der Berufstätigkeit oder Reduktion des Pensums erschwert nicht nur die Wiederaufnahme einer bezahlten Arbeit oder Vollzeitbeschäftigung, sondern führt auch zu einer Lücke in der Altersvorsorge. Im Zentrum dieses Problems steht der strukturelle Konflikt zwischen Erwerbstätigkeit und unbezahlter familiärer Sorgearbeit.
Auf dieser Grundlage schlägt die Forscherin mehrere Massnahmen vor:
- bezahlte Elternzeit;
- Rechtsanspruch der Eltern auf ganztägig verfügbare Bildungs- und Betreuungsleistungen für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, der einen nahtlosen Übergang zwischen Elternzeit und familienergänzender Betreuung ermöglicht;
- gesetzlicher Anspruch auf Teilzeitarbeit, gleichzeitig für beide Elternteile bis zum 12. Lebensjahr des Kindes, um die Erschöpfung der Eltern und für Kinder lange Tage in familienergänzenden Betreuungseinrichtungen zu vermeiden;
- zweistufige finanzielle Unterstützung für Kinder – universelle Kinderzulage plus einkommensabhängige Zusatzleistung –, um sicherzustellen, dass auch Alleinerziehende und einkommensschwache Familien ihr Recht auf eine 70-Prozent-Teilzeitbeschäftigung ohne Armutsrisiko wahrnehmen können.
Die Kommission nahm die vorgeschlagenen Massnahmen interessiert zur Kenntnis. Die Elternzeit ist z. B. bereits Gegenstand mehrerer kantonaler und nationaler parlamentarischer Vorlagen; andere Vorschläge scheinen hingegen in einer politischen Sackgasse zu stecken. Die Freiburger Bevölkerung stimmt im September über das Gesetz über Ergänzungsleistungen für Familien ab – zweifellos ein grosser Fortschritt für den Kanton. Die Kommissionsmitglieder sollten die vorgestellten Massnahmen auf jeden Fall mit nach Hause nehmen und mit ihren jeweiligen politischen Parteien Vorschläge ausarbeiten, damit die Schweizer Familienpolitik modernen Aufwind erhält. Weitere Informationen finden Sie im Artikel von Ingela K. Naumann.
Leonardo Gomez Mariaca
Präsident kantonale Kommission für die Gleichstellung von Frau und Mann und für Familienfragen
Folgende Organisationen und politische Parteien sind in der Kommission vertreten
- Konsumentenschutz der Romandie, Freiburg
- Frauenhaus Freiburg
- Christdemokratische Partei, Christlich-soziale Partei, Freisinnige Partei, Grüne, Schweizerische Volkspartei, Sozialdemokratische Partei
- Kantonales Sozialamt (KSA)
- Freiburger Krippenverband
- Gewerkschaften
Präsident:
Herr Leonardo Gomez Mariaca, Grünliberale
Vizepräsidentin:
Frau Marie Giller-Zbinden, SVP
Das Büro für die Gleichstellung und für Familienfragen führt das Sekretariat der Kommission. Die Kommission trifft sich jährlich 3 bis 4 Mal.