Auch wenn die verschiedenen flexiblen Arbeitsmodelle regelmässig für ihre positiven Auswirkungen auf die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben gelobt werden, führt deren Umsetzung keinesfalls automatisch zu einer Verbesserung in diesem Bereich.
Die in der Arbeitswelt geltenden Normen sowie die Geschlechterstereotypen in Bezug auf die soziale Rollenverteilung tragen daran zum grossen Teil eine Mitschuld.
Einsatz, Produktivität und Verdienst von Mitarbeitenden werden noch immer zu häufig an deren physischen Präsenz, Verfügbarkeit und Flexibilität im Interesse des Unternehmens gemessen. Dies soll beweisen, dass dem Berufsleben Priorität eingeräumt wird, und setzt eine Unabhängigkeit von der Haus- und Familienarbeit voraus – eine Eigenschaft, die gemeinhin den Männern zugesprochen und von diesen auch erwartet wird. Aus dieser Sicht wird die Nutzung flexibler Arbeitszeitmodelle zur Verbindung von beruflichen und familiären Verpflichtungen als fehlender Einsatz und mangelndes Interesse für die Arbeit interpretiert – eine Eigenschaft, die als für Frauen typisch angesehen wird, da ihnen auch die Hauptverantwortung für die Haus- und Familienarbeit zugeschrieben wird.
Missstände und das «Stigma der Flexibilität»
Diese normativen Vorgaben verleiten gewisse Personen – insbesondere Männer – dazu, Angebote zur Flexibilisierung nur zögerlich zu nutzen, um eine Abwertung am Arbeitsplatz oder gar eine Ausgrenzung zu vermeiden. Oder aber sie beugen sich dem Druck, die Flexibilisierung für Überstunden zu nutzen und lassen die Arbeit in die Privatsphäre eindringen, um so ihr berufliches Engagement unter Beweis zu stellen. Dies führt zu erhöhtem Stress, mangelnder Erholung und weniger Zufriedenheit in Sachen Vereinbarkeit.
Für viele Frauen wird es hingegen fast zu einer Pflicht, das Angebot an flexiblen Arbeitszeiten zu nutzen, damit Haushalt und Familie nicht benachteiligt werden; jedoch auch, um ihre Partner hinsichtlich seines Engagements für die Arbeit von diesen Verpflichtungen zu befreien. Resultat: eine verstärkte Zuteilung der Haus- und Familienarbeit an die Frauen und eine Abwertung ihres beruflichen Engagements. Wird Teilzeitarbeit Frauen leichter bewilligt, oder gar auferlegt (mehr Angebote für Teilzeitarbeit in den typisch weiblichen Berufsfeldern; Arbeitszeitreduzierung von Frauen im Rahmen von Sparmassnahmen), fördert dies nicht nur das Bild der Frau im häuslichen Umfeld, sondern steigert auch ihr Risiko bezüglich Arbeitsplatzsicherheit, finanzielle Unabhängigkeit und Armut hinsichtlich Sozialleistungen.
Eine ganze Reihe von Studien spricht deshalb vom «Stigma der Flexibilität» in der Arbeitswelt.
Wie kann die Flexibilisierung halten, was sie verspricht?
Bibliographie
- SECO (2018): Zusammenhänge zwischen ausgewählten Arbeitsbedingungen und Zufriedenheit, Engagement und Erschöpfung von Arbeitnehmenden in der Schweiz.
- Lott, Yvonne (2017): Selbstorganisiertes Arbeiten als Ressource für Beschäftigte nutzen (Policy Brief). Hans Böckler Stiftung
- Reuyß, Stefan / Rauschnick, Laura / Kanamüller, Alexander (2016): Expertise Arbeitszeit. Qualitative Ergebnisse für Deutschland, hrsg. von der Kommission „Arbeit der Zukunft“, Berlin
- SECO (2012): Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz - Auswertung einer repräsentativen Befragung der Schweizer Erwerbsbevölkerung.