Joseph Piller (1890–1954), konservativ
Nach der Primarschule und dem Kollegium St. Michael in Freiburg wechselt Joseph Piller an das Kollegium von Einsiedeln, wo er die Matura besteht (1910). Seine Rechtsstudien an der Universität Freiburg (1910–1913) schliesst er mit dem Lizentiat ab und belegt anschliessend zwei weitere Semester in Rechtswissenschaften in München und Paris (1914). Obwohl der Fortgang seiner Studien durch die Mobilisation beeinträchtigt wird, kann er 1917 sein Doktorat in Recht ablegen. Nach einem Praktikum bei Anwalt Louis Bourgknecht erwirbt er 1918 sein Anwaltspatent. Im Militär ist er zuletzt Kommandant des Gebirgsbataillons 17 im Rang eines Majors (1927–1930). Zudem ist er Militärauditor. Zunächst ist Joseph Piller als Anwalt und Journalist tätig, doch wird er 1919 als ausserordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Universität reiburg berufen. Daneben lehrt er Verwaltungs- und Kirchenrecht.
1924 wird er zum ordentlichen Professor befördert. Er verfasst zahlreiche wissenschaftliche Artikel und die Eléments de droit et d’instruction civique à l’usage des écoles du canton de Fribourg. 1923 erhält er den Auftrag, zusammen mit Professor Alfred von Overbeck einen Vorentwurf zum Freiburger Strafgesetzbuch zu verfassen, und 1926 erarbeitet er die kantonale Strafprozessordnung.
1926 wird Piller ins Bundesgericht gewählt. Er behält seine Kurse an der Universität Freiburg bei, verzichtet jedoch auf jede Besoldung. Zunächst Mitglied der II. Zivilabteilung (Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Familienrecht), wechselt er 1928 in die Kammer für Öffentliches und Verwaltungsrecht. Als Staatsrat Perrier 1932 aus der Regierung zurücktritt, nimmt Bundesrat Jean-Marie Musy mit Piller Kontakt auf. Der Jurist hatte sich seit Längerem für die Universität interessiert und war 1920 in den Vorstand des Hochschulvereins gewählt worden. Er setzt sich für die Einführung eines zweiten Medizinjahrs ein (1924) und beginnt, dafür Geldmittel zu sammeln. Da die Universität im Lyzeum des Kollegiums St. Michael unter akutem Platzmangel leidet, erhält er 1926 mit den Grossräten Perrier und Bays den Auftrag, den Freiburger Gemeinderat von der Abtretung des Geländes des Friedhofs Miséricorde zu überzeugen, was ihnen 1928 gelingt. Am 16. Dezember 1928 wird Piller zum Präsidenten des Hochschulvereins gewählt.
Piller leitet die Erziehungsdirektion von 1933 bis 1946. Unter seiner Leitung wird 1942 das allgemeine Reglement für die Primarschulen verabschiedet. Mit Erfolg verteidigt er das Gesetz vom 7. Februar 1945 über die obligatorische Krankenversicherung für die Schüler der Sekundarstufe und der Berufsschulen. Er modernisiert das Lehrerseminar und verlegt es von Hauterive (die Abtei wird den Mönchen zurückgegeben) in den Kantonshauptort. Er präsidiert den Internationalen Verband für Hauswirtschaft (1933–1954).
Am meisten profitiert jedoch die Universität Freiburg von der Energie ihres beurlaubten Professors (1933–1947). Auf ihn geht das Dekret vom 14. Mai 1937 zurück, das den Staatsrat beauftragt, das medizinische Propädeutikum einzuführen, wobei der Staat ein Zehntel (50 000 Franken) des dafür benötigten Gebäudes bezahlt, während der Hochschulverein dank seiner Reserven den grössten Teil der Kosten übernimmt. Auf diese Weise erhält der Staat die Institute für Chemie, Botanik und Anatomie. Am 22. November 1939 wird ein Kredit von 597 000 Franken (20% der Kosten) gesprochen, um den Hochschulverein bei der Errichtung der Gebäude von Miséricorde zu unterstützen. Der Staatsrat ist ermächtigt, dem Verein ein Darlehen bis maximal 2 Millionen Franken zu gewähren. Die Baukosten explodieren jedoch : Anfangs auf 1,6 Millionen Franken geschätzt, betragen sie schliesslich 5,7 Millionen, wobei die Mehrkosten zu einem grossen Teil durch geologische Überraschungen bedingt sind. Piller wird des Grössenwahns beschuldigt. Zu Unrecht klagt man ihn an, angebliche Nazi-Professoren an der Universität unterstützt zu haben. Als zurückhaltender Mensch mit autoritärem Auftritt, der sich hinter scheinbarer Kälte und beissender Ironie versteckt, ist Joseph Piller kein Volkstribun wie Georges Python. Diskret unterstützt er soziale Werke. Seine Unbeliebtheit lässt ihn kalt, und seine schlechte Wiederwahl 1936 und 1941 scheint ihn nicht zu erschüttern. In dem Klima der Erneuerung, das die Nachkriegszeit kennzeichnet, wird er 1946 nach Schachzügen des Konservativen Quartenoud und des Freisinnigen Glasson gestürzt.
Der Grosse Rat wählt Piller in den Ständerat, in dem er den Kanton von 1935 bis 1947 und erneut von 1950 bis 1954 vertritt. 1945/46 ist er Ständeratspräsident. Er ist Mitglied der Eidgenössischen Getreidekommission und des Verwaltungsrats der SBB.
Piller verkörpert eine wichtige Strömung der Freiburger Konservativen Volkspartei. Er verteidigt die Idee der « Mission von Freiburg », einer kleinen katholischen Gemeinschaft, die für die Verbreitung der « Wahrheit » in der Schweiz eintritt und sich als Brücke zwischen den Kulturen versteht. Er ist Föderalist (Widerstand gegen das Zivilgesetzbuch) und verteidigt in den 1930er Jahren den Vorrang der Korporationen (zwei diesbezügliche Veröffentlichungen). Als Befürworter des materiellen Fortschritts setzt er sich für den Bau der Staumauer von Rossens ein (1943).
Mit der Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit (1947–1954) hält Piller 1953 auch Kurse und Vorträge in Kanada. Nach einem Flugzeugunfall erholt er sich nur schlecht von einer Gehirnerschütterung und stirbt am 14. Februar 1954 in seinem Haus in Cormanon (Villars-sur-Glâne) an einer Embolie.