Ernest Perrier (1881–1958), konservativ
Ernest Perrier legt die Matura am Kollegium St. Michael ab, wo Gonzague de Reynold zu seinen Klassenkameraden zählt. Nach dem Umzug seiner Familie nach Lausanne studiert er dort Rechtswissenschaften und ergänzt seine Studien durch Semester in Zürich und München. Sein Doktorat in Recht legt er an der Universität Lausanne ab (1906). Anschliessend absolviert er ein Praktikum in einer angesehenen Lausanner Kanzlei und erwirbt 1908 das Waadtländer Anwaltspatent. Danach lässt er sich in Freiburg nieder, wo er mit einem einheimischen Kollegen eine Kanzlei eröffnet. 1911 zum Generalstaatsanwalt des Kantons Freiburg ernannt, ist er ab 1915 zudem als ausserordentlicher Bundesstaatsanwalt tätig.
Perrier wird nicht nur aufgrund seiner juristischen Kenntnisse, sondern auch wegen seiner hohen Bildung geschätzt. Als Freund der Literatur verkehrt er in intellektuellen Kreisen. So präsidiert er die konstituierende Sitzung der Neuen Helvetischen Gesellschaft (1914). Im Militär ist er Hauptmann der Infanterie (1911). Er führt 1918 seine Kompanie beim Einsatz der Freiburger Truppen anlässlich des Generalstreiks in Bern an.
Am 9. Mai 1916 wird Ernest Perrier in den Staatsrat gewählt, den er dreimal präsidiert (1919, 1925, 1932), wobei er jedesmal eine andere Direktion leitet. Er beginnt als Vorsteher der Polizei- und Sanitätsdirektion (1916–1920), wo er insbesondere das Gesetz über die Gaststätten revidieren lässt (1919), um den Alkoholismus zu bekämpfen. Anschliessend wechselt er zur Direktion der Justiz, des Kultus sowie der Gemeinden und Pfarreien (1920–1927). Dort leitet er die Verfassungsrevision von 1921, die eine Demokratisierung der kantonalen Institutionen mit sich bringt: Wahl der Regierung durch das Volk, Proporzsystem für die Grossratswahlen, Einführung des Initiativ- und Referendumsrechts. Er befürwortet ein hohes Quorum von 15 %, das den Zugang zum Grossen Rat für Vertreter von Minderheitsparteien erschwert.
Abgesehen von gesetzlichen Bestimmungen, die durch die Verfassungsrevision nötig geworden sind, führt Perriers intensive gesetzgeberische Tätigkeit zu einem neuen Strafrecht (1924), für dessen Abfassung er den jungen Rechtsprofessor Joseph Piller, seinen künftigen Nachfolger, beizieht. Zudem ist ihm ein neues Pressegesetz zu verdanken (1925). Schliesslich wird er Pythons Nachfolger an der Spitze der Erziehungsdirektion (1927–1932), nachdem er bereits in zunehmendem Mass dessen Stellvertreter war. Er setzt das Werk seines Vorgängers fort und fördert die Reorganisation oder Erweiterung mehrerer Einrichtungen.
Von 1918 bis 1921, als die Ämterhäufung verboten wird, sitzt er als Abgeordneter des Saanebezirks im Grossen Rat. Von 1919 bis 1932 ist er im Nationalrat aktiv. Darüber hinaus engagiert er sich in den politischen Gremien und in der Konservativen Volkspartei, deren Vizepräsident 1920) und Präsident (1928) er auf Landesebene ist. Dank seiner Beredsamkeit und seines politischen Sinns wird er Vizepräsident des Nationalrats (1932). Er ist Mitglied der Schweizer Delegation bei der in Genf vom Völkerbund veranstalteten Abrüstungskonferenz (1932) und präsidiert in diesem Rahmen die Kommission für moralische Abrüstung.
Als Staatsratspräsident und erster Freiburger, der im folgenden Jahr die Vereinigte Bundesversammlung präsidiert hätte, tritt Perrier im November 1932 zur allgemeinen Überraschung von allen politischen Ämtern zurück, um sich in die Benediktinerabtei Sainte-Marie in La Pierre-qui-Vire zurückzuziehen. Ein paar Tage später beginnt er sein Noviziat unter dem Namen Dom Nicolas und wird Priester (1937) und Prior (1938). Er verfasst das Buch Cité chrétienne (1948) und lebt bis zu seinem Tod 1958 in grosser Zurückgezogenheit. Die religiösen Beweggründe für seinen Gang ins Kloster mögen aufrichtig gewesen sein, sein finanzieller Ruin aufgrund nicht eingehaltener Bürgschaften dürfte den Eintritt ins Kloster indes beschleunigt haben. Sein Entscheid stösst in der internationalen Presse auf ein breites Echo.