Henri Schaller (1828–1900), konservativ
Nach dem Besuch des Kollegiums St. Michael dient er als Freiwilliger in einer Reservekompanie während des Sonderbundskriegs (November 1847). Er studiert Rechtswissenschaften an der Freiburger Rechtsakademie sowie an den Universitäten Würzburg, Heidelberg und Paris, bevor er ein Praktikum bei Anwalt Wuilleret absolviert. 1855 ernennt ihn der radikale Staatsrat zum Schreiber des Kantonsgerichts. Die liberal-konservative Regierung befördert ihn zum Oberamtmann des Sensebezirks (1857–1858). Von 1857 bis 1900 ist er Abgeordneter des Sensebezirks im Grossen Rat.
Am 11. Mai 1858 wird Henri Schaller vom Kantonsparlament mit 40 von 66 Stimmen in den Staatsrat gewählt, dem er bis 1900 angehört, das heisst 43 Jahre lang, ein Rekord, der ihn noch vor Georges Python platziert (42 Jahre von 1886 bis 1927). Schaller präsidiert die Regierung 1881, 1893 und 1899. In Bern sitzt er im Ständerat (1870–1896), den er 1892 präsidiert, und dann im Nationalrat (1896–1900).
Schaller leitet nacheinander die Kultusdirektion (1858–1862), die Direktion des Innern (1862–1872), die Erziehungsdirektion (1872–1886) und die Polizeidirektion (1886–1900). Er ist ein Workaholic, der ein umfangreiches Werk hinterlässt. Während seiner kurzen Zeit als Kultusdirektor setzt er Werros Politik fort, die darauf abzielt, wieder gute Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche zu schaffen, insbesondere in Hinsicht auf die Verwaltung der Kirchengüter und der beschlagnahmten Güter einiger Klöster. Als Direktor des Innern erneuert er das Gesetz über die Gemeinden und Pfarreien (1864), mit dem in grösseren Ortschaften Generalräte geschaffen werden. Er unterstützt die Gründung des Spitals von Billens (1866) und der psychiatrischen Klinik in Marsens (1869), schafft Gesetze über die Fürsorge und das Bettelwesen (1869) sowie über die Heimatlosen (1870) und unterstützt die Landwirtschaft (Hilfen für die Verbesserung der Viehzucht 1863, für die Milchgenossenschaften und Käsereien 1867), die Forstwirtschaft, die Wasserverbauungen und die Trockenlegung von Sumpfgebieten. Zudem setzt er sich für die Wasser- und Forstgesellschaft sowie die Industrialisierungsbemühungen Guillaume Ritters im Kantonshauptort ein.
Schaller übernimmt die Erziehungsdirektion zu einem Zeitpunkt, da die finanzielle Lage des Staats weniger angespannt ist. So kann er die Löhne der Lehrer (1872) und ihre Pensionen (1881) verbessern. Er schafft das Gesetz über die Sekundarschulen (1875) und erhält eine gute Dotation für das Lehrerseminar in Hauterive, erweitert das Kollegium St. Michael um eine Handelsschule und gewährt den Kollegiumslehrern eine Gehaltserhöhung (1872). Darüber hinaus unterstützt er die historischen und naturwissenschaftlichen Museen. Er bereitet das Terrain für seinen Nachfolger Python vor, indem er neue Primarschulen eröffnet, ihr Material vereinheitlicht und Turnstunden einführt. 1884 tritt das neue Schulgesetz in Kraft. Für die von ihm eingeführten Maturitätsprüfungen erhält er die Anerkennung des Bundes. Nachdem er die Erziehungsdirektion verlassen hat, unterstützt er Pythons Bemühungen um die Gründung einer Universität.
Als Polizeidirektor richtet Schaller eine Strafkolonie in Bellechasse ein (1899). Er bekämpft die Zunahme der Pinten im Kanton, die er für Brutstätten des Alkoholismus hält, und verbessert die Brandbekämpfung, indem er die Feuerwehr verstärkt. Schliesslich verbessert er die Versicherung gegen Viehkrankheiten (1899).
Schaller ist ein gemässigter Konservativer mit einigen liberalen Ideen. Besonders deutlich zeigen dies seine Aktivitäten in den eidgenössischen Kammern, da er sich dort weniger von den Freiburger Verhältnissen eingeengt fühlt. In Freiburg hält er sich fern von Intrigen und Verschwörungen, nähert sich aber allmählich den ultramontanen Konservativen an, Ausdruck eines gewissen Opportunismus und eines Sinns für politisches Überleben. Neben der Politik hat er weitere Interessen und begeistert sich beispielsweise für die Kantons- und Landesgeschichte. Er ist Mitglied der Société d’histoire du canton de Fribourg, die er 1877 präsidiert, der Société d’histoire de la Suisse romande, der Ökonomischen Gesellschaft, der Société des Beaux-Arts und verschiedener weiterer wissenschaftlicher, ökonomischer und künstlerischer Vereinigungen. Mehrere historische Werke und Artikel stammen aus seiner Feder. Schaller ist ein Beamter, der auf ein beachtliches Werk blicken kann. Liebenswürdig und fröhlich, in Gesellschaft gern gesehen und ein ausgezeichneter Redner, muss er eine harte Prüfung bestehen, als seine Frau Henriette dem Wahnsinn verfällt.
Am 18. Mai 1900 stirbt er nach langer Krankheit im Alter von 72 Jahren. Er zählt zu den letzten Vertretern der Generation von Politikern, die 1856 das liberal-konservative Regime errichteten. Sein Werk ist beachtlich, wird aber durch jenes von Weck-Reynold und Python in den Schatten gestellt.