Hubert Charles genannt « von Riaz » (1793-1882), liberal-konservativ
Hubert Charles besucht von 1807 bis 1813 das Kollegium St. Michael, das er mit der Matura abschliesst. 1814 begibt er sich nach Paris, um dort Rechts- und Griechischstudien zu betreiben. Zudem besucht er 1815 Chemiekurse bei Professor Langier im Jardin des Plantes. Er begibt sich nach Wien, wo er Sekretär des Herzogs von Württemberg, eines Verwandten des russischen Zars Alexander I., wird. Er begleitet den Herzog auf dessen Reisen, insbesondere nach St. Petersburg. Allein bereist er Italien, um seine literarischen und künstlerischen Kenntnisse zu vertiefen. Als sachkundiger Intellektueller und Autodidakt beherrscht er neben dem Französischen Latein, Griechisch, Italienisch, Deutsch und Englisch und liest die entsprechenden Schriftsteller in der Originalsprache.
Hubert Charles kehrte 1819 nach Freiburg zurück und wird zum Bezirksrichter in Bulle (1819-1820) ernannt, bevor er weitere Studienreisen nach Deutschland (1820-1823) unternimmt. Von 1825 bis 1830 hält er sich erneut in Bulle auf, wo er den grossen Familienbesitz verwaltet. Hubert Charles blieb ledig und führte das Leben eines Gentleman Farmer, der seinen Schwestern eng verbunden bleibt.
1824-1825 hält sich Charles im Wallis auf, um Flussverbauungen zu studieren. Nachdem er ins Greyerzerland zurückgekehrte, wird er vom Staatsrat zum Direktor der Wasserkraftanlagen ernannt, die von den betroffenen Gemeinden zwischen den Brücken von Montbovon und Thusy errichtet werden. Dieses erfolggekrönte Unternehmen macht ihn im ganzen Greyerzerland bekannt.
1829 hätte Hubert Charles eine politische Karriere beginnen können. Er wird zum Grossrat ernannt, wenn er im Sinne des Staatsrats abstimmt. Als echter Liberaler lehnt er dies ab, indem er erklärt, er stimme so ab, wie ihm dies sein Gewissen gebiete. Das Regime der Restauration (1814-1830) entfernt ihn aus dem Grossen Rat, und er geht offen in die Opposition. Wenig später nimmt er am Aufstand vom Dezember 1830 teil, in dem die Oligarchie der privilegierten Bürgerschaft der Hauptstadt gestürzt wird.
Nun beginnt für Charles der erste, sehr aktive Teil seines politischen Lebens auf kantonaler Ebene: er wird Verfassungsrat, Grossrat des Greyerzbezirks (1831-1846) und Staatsrat (1831-1846). Er beteiligt sich aktiv am Kommissionssystem der Regierung und präsidiert den Polizeirat (1831-1841), der das umfassende Programm der geteerten Kantonsstrassen lanciert, den Rat des Innern (1831-1839), den Gesundheitsrat (1831-1837) und den Regiebetrieb der Kantonspost (1832-1841). Als gläubiger Katholik und politischer Liberaler folgt er nicht der extremen Minderheit der Liberalen, die sich dem Radikalismus annähern. Als Anhänger des «Juste-Milieu» bleibt er aber auch den Konservativen fern, die nach 1837 an Bedeutung gewinnen. Sein Einfluss in der Regierung schwindet. 1846 tritt er zurück, nachdem er vergeblich den Beitritt des Kantons zum Sonderbund bekämpft hat. Er nimmt dieselbe Haltung ein wie sein Freund und künftige Kollege Romain Werro: Beide sind bestürzt über die Zunahme des politischen Extremismus.
Nach dem Beginn des radikalen Regimes (1847) kehrt er in die Politik zurück, um die Exzesse der Schaller'schen Regierung zu bekämpfen. Bei Wahlen, die in Form von Volksversammlungen abgehalten werden, riskiert er seine Gesundheit und sein Leben, bleibt jedoch der Champion des gesetzlichen Widerstands und gewinnt die gemässigten Konservativen für seine Sache. Charles ist einer der Organisatoren der Volksversammlung von Posieux. 1852 wird er in den Nationalrat gewählt, in dem er bis 1863 verbleibt. Von 1853 bis 1871 ist er Grossrat. Er gibt Broschüren heraus und organisiert Petitionen, die das radikale Regime ins Wanken bringen, bis es im Dezember 1856 gestürzt wird.
Am 4. Juni 1857 beginnt Charles' zweite politische Karriere, als ihn der Grosse Rat mit 70 von 73 Stimmen in den Staatsrat wählt. Er nimmt die Wahl unter der Bedingung an, dass das Parlament auch seinen Freund Romain Werro zum Staatsrat ernennt, was denn auch geschieht. Charles wird der starke Mann der Exekutive, die er 1857, 1859, 1861, 1862, 1864, 1866 (Juni bis Dezember), 1867, 1869 und 1871 präsidiert. Fünfzehn Jahre lang (1857-1871) ist er Erziehungsdirektor. Er führt den klassischen Unterricht am Kollegium St. Michael (1857) wieder ein, organisiert das Lehrerseminar in Hauterive (1868) und reformiert die Primarschule (1870). Der Politiker, dem es gelingt, die den radikalen Exzessen feindlichen Liberalen mit den gemässigten Konservativen zu vereinen, setzt sich zwischen 1857 und 1865 als inoffizieller Regierungschef durch. Danach verlieren die gemässigten Kräfte an Einfluss, und das liberal-konservative Bündnis beginnt zu bröckeln. Spannungen tauchen auf, die Charles bewegen, im Dezember 1871 im Alter von 78 Jahren der Politik den Rücken zu kehren. Er geht erneut auf Reisen und hält sich häufig in Montpellier auf, um seiner literarischen Leidenschaft zu frönen. Am 28. März 1882 stirbt er im Alter von 89 Jahren.
Hubert Charles liebt die Literatur und die Naturwissenschaften. Mit seiner Prosa und seinen Dichtungen ist er mit für den Erfolg der 1841 gegründeten Zeitschrift «L'Emulation» verantwortlich. Er verfasst zahlreiche politische Broschüren und eine bemerkenswerte «Course dans la Gruyère» (1827).
Aus dem Französischen übersetzt, aus: „LE CONSEIL D'ETAT FRIBOURGEOIS“ - 1848 – 2011 - Son histoire, son organisation, ses membres ¦ ISBN: 978-288355-153-4 ¦ Editions La Sarine