Jean Riesen (1920–1987), sozialdemokratisch
Von Beruf Mechaniker, besucht Jean Riesen Volkshochschulkurse in seiner Geburtstadt. Von 1962 bis 1972 ist er Zentralsekretär der SP Schweiz und Korrespondent der Tageszeitung La Sentinelle. Von 1963 bis 1971 organisiert er insbesondere die Wahlkampagnen auf nationaler Ebene. Obwohl er in Flamatt wohnt, vertritt er den Wahlkreis der Stadt Freiburg im Grossen Rat (1966–1971), in dem er während der ganzen Legislatur die SP-Fraktion präsidiert.
Er stösst die alte sozialdemokratische Garde vor den Kopf, als er eine Werbekommission schafft, die ein Gegengewicht zum Zentralvorstand der Kantonspartei bildet ; dieser ist in seinen Augen unfähig, den politischen Kampf einer im Aufwind befindlichen Partei zu führen (10 Grossräte 1961, 21 im Jahr 1966 und 29 im Jahr 1971).
1967 schlägt er den bisherigen Nationalrat Charles Strebel und zieht an seiner Stelle in die Grosse Kammer ein, in der er 20 Jahre lang sitzt. 1972/73 präsidiert er die Geschäftsprüfende und 1981/82 die Finanzkommission. Ab 1979 ist er Mitglied des Nationalratsbüros, von 1983 bis 1987 Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. In diesem Zusammenhang führt ihn eine Mission zugunsten vermisster Personen und Flüchtlinge nach Zypern. Über seine politischen Aktivitäten berichtet er in Fribourg-Contact (Gratis-Wochenblatt, das inzwischen eingestellt wurde) und in Travail. Es gelingt ihm, grosse Netzwerke zu knüpfen, die ihm die Türen der Bundesverwaltung öffnen.
Da ihm eine bestimmte Idee der Schweiz vorschwebt, bekämpft er im Nationalrat die Waffenexporte. In Bezug auf Biafra (sezessionistische Provinz Nigerias) erklärt er 1968 : « Der Schweizer Bürger kann keine brutal grauenhafte Realität dulden. Er kann nicht glauben, dass die Schweiz, Wiege des Roten Kreuzes, aus Gewinnsucht dazu beitragen konnte, einen mörderischen Konflikt, in dem Menschen andere Menschen derselben Hautfarbe umbringen, in Gang zu halten und zu verlängern. Es gibt einen Abgrund zwischen der Waffenlieferung an Nigeria und den Aufrufen an die Grosszügigkeit des Schweizer Volks, um Biafra zu helfen. » Sein letzter Vorstoss gilt der Ausfuhr des Pilatus PC-7. Er präsidiert eine Kommission, welche die Notwendigkeit einer Warenumsatzsteuer auf Energieträger zu prüfen hat, ein Projekt, das 1996 aufgegeben wird. Im Februar 1966 kandidiert er bei einer Ersatzwahl des Staatsrats und erhält ein Viertel der Stimmen. Bei den allgemeinen Wahlen im Dezember wird er knapp geschlagen.
« Das Fernsehen hat ihm den unschätzbaren Dienst erwiesen, ihn beim Freiburger Volk bekannt zu machen, und laut den nach der Sendung gesammelten Reaktionen genoss er die Sympathie des Publikums », kommentiert die Gazette de Lausanne. 1971 wird er in den Staatsrat gewählt. An der Spitze der Baudirektion setzt er sich für den Bau der Nationalstrasse A12 ein. Die Raumplanung fällt ebenfalls in sein Ressort. In Ermangelung eines Gesetzes muss er die dringenden Bundesbeschlüsse umsetzen. Er hat über Subventionen zu entscheiden, welche die Zivilschutzräume, den Unterhalt der staatlichen Gebäude, den Betrieb der Kiesgruben und den Kulturgüterschutz betreffen. Obwohl er 1976 nach einem enttäuschenden ersten Wahlgang, der durch das Wiedererstarken der Freisinnigen gekennzeichnet ist, gedrängt wird, sich zurückzuziehen, nimmt er am zweiten Wahlgang teil und wird geschlagen. Jean Riesen ist der einzige Staatsrat, der aus der Arbeiterklasse stammt. Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung gehört er weiter der von Nationalrat Walter Biel geleiteten Kommission an, die das Schweizer Nationalstrassennetz zu überprüfen hat (1979–1982). Zudem ist er Präsident der Vereinigung Schweiz-Israel und begibt sich auf eine schwierige Mission nach Moskau, um das schwere Los der Juden in der UdSSR zu lindern. Des Weiteren ist er Ehrenpräsident der Union romande des amis de la nature.
Da die sozialdemokratische Partei von Wünnewil-Flamatt Schwierigkeiten hat, eine Liste zu füllen, stellt er sich 1986 für die Gemeinderatswahlen zur Verfügung. Er wird zwar nicht in die Exekutive, doch in den Generalrat gewählt. Am 12. September 1987 stirbt Jean Riesen im Alter von 67 Jahren in Bern. Er liebte es, seine Freunde in Flamatt zu empfangen, darunter Bischof Pierre Mamie und Korpskommandant Pierre Hirschy : Neuenburger, die es ausserhalb ihres Kantons « zu etwas gebracht hatten », wie er scherzhaft bemerkte.
« Äusserlich war er kein raffinierter Mann. Ein Rhinozeros ? Von diesem hatte er das Draufgängerische und den scheinbar gegen Schläge unempfindlichen Panzer. In Wirklichkeit jedoch zeichnete sich Jean Riesen durch seinen politischen Feinsinn aus », schreibt die Zeitung La Gruyère in ihrem Nachruf.