Joseph Chuard (1870–1935), konservativ
Nachdem Joseph Chuard zwei Jahre lang das Lehrerseminar Hauterive besucht hat (1884–1886), wechselt er in die Technische Abteilung des Kollegiums St. Michael (1887–1890). Anschliessend studiert er an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, wo er 1894 sein Bauingenieurs-Diplom erlangt und anschliessend als Assistent tätig ist. Er durchläuft eine erfolgreiche Karriere in der schweizerischen, französischen und deutschen Privatwirtschaft und erwirbt Ingenieurs- und Verwaltungskenntnisse in mehreren Eisenbahn- und Bauunternehmen. In Frankfurt gründet und leitet er 14 Jahre lang die florierende Frankfurter Betonbaugesellschaft, eines der ersten Unternehmen, das sich auf die Verwendung von Stahlbeton spezialisiert. 1912 kehrt er nach Freiburg zurück, da er zum Generalinspektor für Hoch- und Tiefbau ernannt wurde (er tritt das Amt erst am 1. April 1913 an). Ab Ende 1913 leitet er zudem die Industriellen Betriebe des Kantons Freiburg. Allerdings kann er seine Ämter nicht lange ausüben, da er 1914 als Nachfolger seines plötzlich verstorbenen Chefs Louis Cardinaux in den Staatsrat gewählt wird.
Chuards Wahl fällt in die bewegte Zeit des Machtkampfes zwischen Python und Musy. Zunächst von Python unterstützt, doch dann zugunsten des Freiburger Stadtammanns Ernest Weck fallen gelassen, bleibt Chuard dennoch Kandidat für den Staatsrat. Bei der Wahl am 30. Mai 1914 erhalten Chuard und Weck gleich viele Stimmen. Da Chuard nicht über die Mehrheit der konservativen Stimmen verfügt, jedoch auf die Unterstützung der Freisinnigen zählen kann, erhält er im zweiten Wahlgang 55 von 107 Stimmen. Die Wahl zeugt von der Uneinigkeit der Konservativen und bestätigt die Machtzunahme Musys innerhalb des Staatsrats.
Chuard hat die schwierige Aufgabe, die Baudirektion in den Kriegsjahren und zu einem Zeitpunkt zu leiten, da es um die Staatsfinanzen schlecht bestellt ist. In diesem Umfeld fördert er die Erneuerung der durch die Erhöhung des Automobilverkehrs beschädigten Kantonsstrassen und fördert die Projekte der Pérolles- und der Zähringerbrücke, die unter seinem Nachfolger Victor Buchs verwirklicht werden. Da er sich der Bedeutung der Wasserkraftwerke für den Kanton und der Ertragsschwäche der bestehenden Anlagen bewusst war, setzt er sich 1915 für die Gründung der Freiburgischen Elektrizitätswerke (FEW) und 1918 für den Bau der Staumauer von Montsalvens ein. Im gleichen Jahr ist er Staatsratspräsident.
Aufgrund seines Amtes und seiner Kenntnisse wird er Mitglied zahlreicher Verwaltungsräte, Vorstände oder Kommissionen im Verkehrs- und Energiebereich auf kantonaler (FEW, Eisenbahngesellschaft Freiburg–Murten–Ins usw.) und schweizerischer Ebene (Eidgenössische Kommission für elektrische Anlagen, SBB usw.). Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats des Technikums und des ETH-Rats, dessen Vizepräsident er 1927 wird. 1915 nimmt er als Vertreter des Saanebezirks Einsitz im Grossen Rat.
Am 30. Juni 1919 tritt Chuard als Staatsrat und Grossrat zurück, da er in die Direktion der Elektrobank in Zürich (der späteren Elektrowatt) berufen wird, eines wichtigen Unternehmens, das elektrische Betriebe in Europa und den Vereinigten Staaten finanziert. Am 8. Februar 1935 stirbt er in Zürich, als man ihn zum Generaldirektor der Bank ernennen will.
Aus dem Französische übersetzt, aus: «LE CONSEIL D'ETAT FRIBOURGEOIS – 1848 – 2011 – Son histoire, son organisation, ses membres» ¦ ISBN: 978-288355-153-4 ¦ Editions La Sarine