Joseph Jaquet (1822–1900), liberal-konservativ
Den ersten Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen erhält Joseph von seinem Vater, als dieser bis 1830 als Bediensteter in Paris arbeitet. Anschliessend besucht er die Primarschule in Echarlens (1830–1837). Er studiert Latein bei Hubert Thorin, dem zukünftigen Staatsrat (1845–1847), und Philosophie unter Leitung des Paters Rothenflue. Er besucht die Rechtsakademie in Freiburg, zuerst als Hörer (1845–1846), dann als Student (1846–1847). Er wird in einen antiradikalen Aufstand verwickelt, der scheitert und muss deshalb den Kanton verlassen (1848–1852). Er arbeitet als Hauslehrer in Österreich und studiert Rechtswissenschaften in München. Nachdem er nach Freiburg zurückgekehrt ist, schliesst er seine Rechtsstudien bei Professor Fracheboud mit dem Lizentiat ab (1855).
Im gleichen Jahr erhält er das Notars- und ein Jahr später das Anwaltspatent. Seine Praktika absolviert er bei den Notaren Toffel und Perrier (1852–1853) sowie bei Anwalt Louis Wuilleret, dem Führer der Freiburger Konservativen (1856–1857). Des Weiteren besteht er 1852 die Prüfung zur Katasterführung. Während des Sonderbundskriegs (1847) dient er als Leutnant in der Armee. Er bekleidet 1860 den Rangs eines Majors und Kommandanten des 118. Bataillons. Zudem ist er militärischer Grossrichter.
Joseph Jaquet ist als Notar tätig und Präsident des Bezirksgerichts Greyerz (1857–1867). Er ist Vizepräsident (1857–1861) und dann Präsident (1861–1867) des Schwurgerichts des ersten Kreises (Greyerz-, Glane- und Vivisbachbezirk).
Anschliessend arbeitet er als Anwalt und Notar in Echarlens (1867–1874). Seine Wahl ins Kantonsgericht am 11. Mai 1879 lehnt er ab. Aufgrund seiner Popularität steht er bei den Grossratswahlen 1866, 1871 und 1876 stets an erster Stelle im Greyerzbezirk. Von 1868 bis 1872 ist er Ständerat, von 1872 bis 1884 Nationalrat. Am 20. Januar 1872 wird er mit 66 von 69 Stimmen als Nachfolger seines Freundes Hubert Charles in den Staatsrat gewählt, was seine hohe Wertschätzung zu diesem Zeitpunkt zeigt. Als Direktor des Innern (1872–1874) revidiert er die Kantonsverfassung (1873) und das Gesetz über die Gemeinden und Pfarreien (1874). Er trägt dazu bei, die separatistischen Bemühungen der Murtner zu stoppen, indem er im Grossen Rat ein Gesetz über den evangelisch-reformierten Kultus durchbringt. Ein Schlaganfall schwächt die Gesundheit Jaquet's. Zudem ist er dem Aufstieg der ultramontanen Konservativen feindlich gesinnt, daher tritt er 1874 aus dem Staatsrat zurück, um seine Gesundheit zu schonen, und kann bis zu seinem Tod noch ein langes und friedlicheres Leben führen.
Joseph Jaquet setzt sich aktiv für die Interessen seiner Region ein. Er leistete eine Bürgschaft von 3000 Franken für die Eisenbahn Bulle–Romont (1864–1868), unterstützt den Bau der Strasse Bulle–Boltigen und ist im Crédit gruyérien tätig. In seinen vierbändigen «Souvenirs d’un Gruyérien» über die Zeit zwischen 1822 und 1879 hinterlässt er interessante historische Beiträge, die teilweise etwas geschwätzig sind. Sie zeugen von einem katholischen Politiker mit zurückhaltend liberaler Haltung, der Extreme wie die Radikalen und die ultramontanen Konservativen ablehnt. Er übt heftige Kritik am Chorherrn Schorderet, dem er Fanatismus und eine Neigung zu geistigen Getränken vorwirft. Einen Tag vor seinem 78. Geburtstag stirbt Jaquet am 3. August 1900 in Echarlens.
Aus dem Französische übersetzt, aus: «LE CONSEIL D'ETAT FRIBOURGEOIS – 1848 – 2011 – Son histoire, son organisation, ses membres» ¦ ISBN: 978-288355-153-4 ¦ Editions La Sarine