Die Freiburger Verfassung hält in Artikel 60 Abs. 2 fest, dass Familien mit Kleinkindern ergänzende Leistungen (EL) ausgerichtet werden, sofern ihre finanziellen Verhältnisse es erfordern. Angesichts des jüngsten sozioökonomischen Wandels in unserer Gesellschaft zeigt sich erneut die Relevanz dieser Verfassungsbestimmung. Die Einführung von EL für Familien entspricht einem Bedarf, der mit der Entwicklung von Sozialrisiken, mit denen Familien konfrontiert sind, zusammenhängt, insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit, Working Poor-Phänomen und Scheidungsrate. Zudem wurden gewisse Haushalte aufgrund der COVID-19-Krise noch fragiler, denn für einige Familien schafft das Virus das zusätzliche Risiko, sich von einem Tag auf den anderen in Armut wiederfinden.
Familien anerkennen und entlasten, Armut vorgreifen und die Wirtschaft unterstützen
Die Ergänzungsleistungen für Familien greifen an der Schnittstelle zwischen Familien-, Sozial- und Wirtschaftspolitik: Als familienpolitische Massnahme anerkennen die FamEL die tragende Rolle der Familien in der Gesellschaft; als sozialpolitische Massnahme gewährleisten sie Familien in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen eine materielle Sicherheit; auf wirtschaftspolitischer Ebene unterstützen diese Leistungen den inländischen Konsum.
Der Vorentwurf des FamELG entspricht auch der Motion der Grossräte Bruno Fasel und Hans-Rudolf Beyeler, vom Grossen Rat angenommen im 2010 (2010-GC-6), in dem sie den Staatsrat ersuchen, dem Grossen Rat einen Gesetzesentwurf für die Schaffung von Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien zu unterbreiten.
Eine Antwort auf einschneidende Fragen für Familien
Der Vorentwurf des FamELG beruht auf fünf zentralen Grundsätzen.
Allen voran sind die Leistungen für das Kind bestimmt. Sie werden zum einen ermöglichen, die Situation der Einelternfamilien und kinderreichen Familien, die besonders von Armut betroffen sind, zu verbessern, und zum anderen, den Erscheinungsformen sozialer Ausgrenzung vorzubeugen, indem sie den Kindern würdige Lebensbedingungen gewährleisten.
Der Vorentwurf zum FamELG berücksichtigt weiter ein hypothetisches Mindesterwerbseinkommen der Familien, das als Ansporn zur Wiederaufnahme oder Erhöhung der Berufstätigkeit dienen soll. Ausserdem haben Simulationen bestätigt, dass sich die Ausübung einer Erwerbstätigkeit allemal lohnt (Arbeitsanreiz) und finanziell insgesamt günstiger ist als die materielle Hilfe nach dem Sozialhilfegesetz (SHG).
Die Familien erbringen bedeutende Leistungen für die Gesellschaft. Der Vorentwurf zum FamELG berücksichtigt die unterschiedlichen Familienmodelle, um Familien bei der Vereinbarkeit von Familienplanung und Ausübung einer Berufstätigkeit zu unterstützen.
Die im Rahmen der FamEL gewährten Beträge sollten es den beziehenden Familien grundsätzlich ermöglichen, eine Beanspruchung der Sozialhilfe zu vermeiden oder aus der Sozialhilfe auszutreten, und damit den Auswirkungen (Stigmatisierung, Rückerstattungspflicht u. Ä.) vorzubeugen.
Um die Einführung der FamEL zu vereinfachen und die Kosten zu kontrollieren, basieren die Berechnungen auf jenen der EL zur AHV und IV, mit denen das Personal der kantonalen AHV-Ausgleichskasse bereits Erfahrung hat.
Finanzielle Auswirkungen
Für die Neuausgaben infolge Einführung der FamEL wurde angenommen, dass 1200 Haushalte von den Leistungen profitieren könnten. Die Bruttokosten des neuen Gesetzes werden auf 13 Millionen Franken geschätzt.
Dennoch bedeutet die Einführung der FamEL nicht nur Neuausgaben, da die öffentliche Hand schon heute eine Vielzahl von Fällen unterstützt. Beispielsweise erhalten rund 800 Familien materielle Hilfe der Sozialhilfe (SHG), was rund 6,1 Millionen Franken zulasten der Gemeinden (60 %) und des Staates (40 %) entspricht. Von diesen Bruttokosten abzuziehen sind die aktuellen Ausgaben für die materielle Hilfe SHG sowie die kantonalen Mutterschaftsbeiträge im Bedarfsfall (gut 2,3 Millionen Franken zulasten des Staates), die in die EL Familien enthalten wären.
Die Ausgaben in diesen Leistungen können somit um insgesamt 8,4 Millionen Franken gesenkt werden.
Zudem werden die regionalen Sozialdienste den Administrativaufwand für die Begleitung von rund 800 Familien künftig einsparen können. Dies entspricht einer Lohnsumme, die auf eine Million Franken veranschlagt wird (unter Berücksichtigung, dass die persönliche Hilfe der RSD in einigen Fällen weiterhin nötig sein wird). Gleiches gilt für die Verwaltungskosten, die der Staat der Ausgleichskasse für die kantonalen Mutterschaftsbeiträge im Bedarfsfall vergütet. Hier beträgt die Einsparung rund 200 000 Franken, die derzeit gänzlich vom Staat getragen werden.
Die durch das neue Gesetz verursachten Nettokosten für die öffentliche Hand werden damit auf etwas unter 3,5 Millionen Franken geschätzt (50 % Staat, 50 % Gemeinden).
Die Antworten auf die Vernehmlassung können an sasoc@fr.ch gesandt werden (Frist 15. Juni 2021).