In Kürze
Die Initiative schlägt eine Änderung der Kantonsverfassung vor, damit die öffentliche Spitalnotaufnahme im Süden, im Zentrum und im deutschsprachigen Teil des Kantons rund um die Uhr und an sieben Tagen der Woche gewährleistet werden kann.
Der Grosse Rat und der Staatsrat, unterstützt von Berufsverbänden aus dem Gesundheitsbereich, lehnen diese Initiative ab und legen einen Gegenvorschlag vor, der zahlreiche Massnahmen zur Verbesserung des Notfallversorgungssystems umfasst sowie ein hohes Qualitäts- und Sicherheitsniveau für alle gewährleistet.
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Die Politik des Staates und des HFR der letzten Jahre hat zur Folge, dass die Versorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet werden kann. Der Leistungsabbau in den Randregionen führt zu einer Überlastung und Überbelegung der Notaufnahme am Standort Freiburg. Zur Entlastung des Standorts Freiburg braucht es bürgernahe Spitalnotaufnahmen.
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Die Initiative steht im Widerspruch zu den aktuellen Standards in der Notfallversorgung, die auf Qualität und Sicherheit durch die Zentralisierung der Versorgung abzielen. Aktuell ist es bereits schwierig, medizinisches und Pflegepersonal für die bestehenden Einrichtungen zu finden. Vor diesem Hintergrund ist die Initiative kontraproduktiv und gefährdet die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Hingegen stärken die Massnahmen des Gegenvorschlags das Gesundheitssystem als Ganzes und bieten angemessene Lösungen für unterschiedliche Notfallsituationen.
Die Initiative
Die Initiantinnen und Initianten der Verfassungsinitiative «Für bürgernahe öffentliche Spitalnotaufnahme 24/24» erachten die Initiative aufgrund der Reorganisation des Spitalwesens in den letzten Jahren als notwendig. Die Reorganisation führte unter anderem zu einer Zentralisierung bestimmter Pflegeleistungen am Standort Freiburg. Die Initiantinnen und Initianten sehen in dieser Zentralisierung einen Grund für die Überlastung gewisser Spitaldienste und insbesondere für die Wartezeiten in der Notaufnahme in Freiburg.
Der Gegenvorschlag des Grossen Rats und des Staatsrats
Auch der Grosse Rat möchte eine optimale Versorgung in allen Notfällen gewährleisten. Jedoch ist er der Ansicht, dieses Ziel lasse sich nicht mit der in der Initiative vorgeschlagenen Lösung erreichen, und hat den Staatsrat einstimmig mit der Ausarbeitung eines Gegenvorschlags beauftragt. Die Massnahmen des Gegenvorschlags passen die Verfassung und das Gesundheitsgesetz an. Sie bieten damit eine angemessene Versorgung bei allen Notfällen im gesamten Kantonsgebiet und beziehen die Partnerinnen und Partner des Gesundheitswesens mit ein.
Die Massnahme der Initiative
Die Initiative schlägt vor, die Entscheidungen für die Umwandlung in Permanences der Notaufnahmen in Riaz und Tafers rückgängig zu machen. So soll die Verpflichtung einer rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche geöffneten öffentlichen Spitalnotaufnahme im Süden, im Zentrum und im deutschsprachigen Teil des Kantons in der Kantonsverfassung verankert werden. Die Initiative fordert, dass der Staat die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten voll ausschöpft, damit Notfalldienste gewährleistet werden können.
Die Massnahmen des Gegenvorschlags
Die Massnahmen des Gegenvorschlags wurden in Zusammenarbeit mit Gesundheitsexpertinnen und -experten sowie Grossrätinnen und Grossräten aus verschiedenen Regionen und Fraktionen erarbeitet. Sie sollen einen raschen Zugang zu Versorgung, Sicherheit sowie angemessene Versorgungsqualität sicherstellen – dies sowohl bei lebensbedrohlichen Notfällen (sprich wenn das Leben der betroffenen Person ohne rasche und angemessene Versorgung in Gefahr ist) als auch bei nicht lebensbedrohlichen Notfällen (sprich wenn das Leben der betroffenen Person nicht in Gefahr ist, sie aber dringend medizinische Versorgung benötigt).
Das Freiburger System, das insgesamt eine angemessene Reaktion auf Notfälle bietet, wird verbessert:
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Die Gesundheitsfachpersonen, die den Anruf entgegennehmen, legen den ersten Behandlungsschritt fest und leiten die Person an das bestgeeignete medizinische Angebot weiter.
Die «Einheitliche Gesundheitsnummer» ist bei allen Anliegen die erste Anlaufstelle, auch bei pädiatrischen. Die Anrufe können dann an den Partner weitergeleitet werden, der am ehesten auf die jeweilige Situation reagieren kann. In der Zentrale sind vornehmlich speziell für die Anrufannahme Gesundheitsfachpersonen (Pflegefachpersonen) tätig, die von Ärztinnen und Ärzten überwacht werden. Sie nehmen die Anrufe entgegen, triagieren und sie beurteilen den Schweregrad der Fälle, so dass alle Patientinnen und Patienten entsprechend ihrer spezifischen Bedürfnisse weitergeleitet werden.
In enger Zusammenarbeit mit der Zentrale 144 und dem ärztlichen Bereitschaftsdienst organisiert die Zentrale «Einheitliche Gesundheitsnummer» den Einsatz der Notfallärztinnen und Notfallärzte sowie der Spezialistinnen und Spezialisten. Sie gewährleistet zudem die Anrufannahme bei «nicht lebensbedrohlichen» Notfällen der Pflegeheime sowie die Weiterleitung an die psychiatrische Notfalldienste und die Notfallapotheken. Schliesslich geben die Gesundheitsfachpersonen einfache Ratschläge, bis ein Kontakt zu einer behandelnden Ärztin oder einem behandelnden Arzt hergestellt ist.
Die Anrufe bei der Zentrale und die Leistungen der Gesundheitsfachpersonen sind kostenlos, die Finanzierung der Zentrale übernimmt der Kanton.
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Gesundheitszentren sind Einheiten, die ambulante Leistungen erbringen. Sie bieten einen gemeinsamen Grundstock an Leistungen an, der spezialisierte medizinische oder paramedizinische Konsultationen sowie eine Tagesklinik für Pflegeleistungen, z. B. für chronisch kranke Patientinnen und Patienten, umfasst. Diese Leistungen werden von einem Netzwerk von internen und externen Dienstleistenden des HFR erbracht. Darüber hinaus haben die HFR-Gesundheitszentren in Riaz und Tafers jeweils eine Permanence sowie ein «Maison de Garde». Langfristig wird es auch in der Agglomeration Freiburg ein Gesundheitszentrum geben.
Die Permanences sind ambulante Versorgungseinrichtungen mit engagiertem Personal, das in der Lage ist, «nicht lebensbedrohliche» Notfälle zu versorgen. Die Weiterleitung der Patientinnen und Patienten an diese Einrichtungen erfolgt hauptsächlich über die zentrale Anlaufstelle «Einheitliche Gesundheitsnummer». Der Zugang zu diesen Einrichtungen ist auch ohne Termin möglich («Walk-in»).
Die von den ärztlichen Bereitschaftsdienstkreisen verwalteten «Maisons de garde» nehmen Hausärztinnen und Hausärzte auf, damit diese dort ihren Bereitschaftsdienst leisten können. Die Ärztinnen und Ärzte kümmern sich um «nicht lebensbedrohliche» Notfälle, die ihnen von der «Einheitlichen Gesundheitsnummer» zugewiesen werden
Im Allgemeinen bilden Permanences, «Maisons de garde» und Gesundheitszentren ein Gesundheitsökosystem, das die Interprofessionalität in den Vordergrund stellt, indem es auf einer engen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Partnern des Gesundheitswesens, einschliesslich Hausärztinnen und Hausärzten, Pflegepersonal mit Fachausbildung, Gesundheitsnetzen, Gesundheitsligen und anderen Fachpersonen, aufbaut.
Zur Vervollständigung dieses Systems sind mobile Pflegeteams geplant, die rund um die Uhr dringende Haus- und Einrichtungsbesuche durchführen können. Diese Teams arbeiten mit den Notfallärztinnen und Notfallärzten zusammen und stehen unter der Aufsicht des HFR. Die Beurteilung und Betreuung zu Hause wird letztendlich dazu beitragen, die Zahl der unangemessenen Spitalaufenthalte zu verringern.
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Die Zentrale 144 ist IVR-zertifiziert (Interverband Rettungswesen) und arbeitet professionell. Dennoch kann ihre Funktionsweise noch optimiert und ihre Struktur gefestigt werden. An dieser Stelle zu nennen sind die Technologiebeobachtung, die Verbesserung der Mitarbeitendenausbildung und die kontinuierliche Förderung der Qualität.
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Jede Person, die sich in einer «lebensbedrohlichen» Notsituation befindet, wird im gesamten Kantonsgebiet nach einheitlichen Qualitätsstandards behandelt. In eben dieser Qualitätsoptik werden die Glieder der Rettungs- und Versorgungskette situationsspezifisch aktiviert. So kann die Zeit bis zur Versorgung so kurz wie möglich gehalten werden.
Eines der Hauptprobleme in den Randregionen besteht darin, dass die Einsatzzeiten der Ambulanzen die üblichen Standards überschreiten. Um die Zeiten bis zur Versorgung in diesen Regionen zu verkürzen, ist der Einsatz von «Rapid Responder» geplant. «Rapid Responder» sind erfahrene Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter mit leichtem Notfallfahrzeug, die in einer Randregion stationiert sind. Sie werden von der Zentrale 144 eingesetzt, sind schnell am Unfallort und stabilisieren die Patientin oder den Patienten, bis die Ambulanz eintrifft.Darüber hinaus wird die Rolle bestimmter ehrenamtlicher Akteurinnen und Akteure wie «First Responder» oder «First Responder Plus» gestärkt. Der Staat sorgt dafür, dass die Organisationen, die sie betreuen, eine angemessene Subventionierung für die Ausbildung dieser Freiwilligen und die für die Einsätze und deren Überwachung notwendige Software erhalten, um die höchste Qualität und Sicherheit für die Patientinnen und Patienten, aber auch den Fortbestand dieser Akteurinnen und Akteure zu gewährleisten.
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Die Primäreinsätze der auf dem Gebiet des Kantons Freiburg zugelassenen Ambulanzdienste werden nach einem neuen Modell abgerechnet, das auf eine Gleichbehandlung der Patientinnen und Patienten zwischen den Regionen abzielt, ob sie in der Peripherie oder in der Nähe eines Notfallzentrums wohnen.
Die Kosten für das vorgeschlagene neue Modell werden vom Staat übernommen.
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Ausbau des Leistungsangebots an den HFR-Standorten Tafers und Meyriez-Murten, insbesondere im ambulanten Bereich.
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Ein eigens für diese Aufgabe vorgesehener Sektor der GSD gewährleistet die strategische Führung und die Koordination der kantonalen Organisation der «lebensbedrohlichen» und «nicht lebensbedrohlichen» Notfälle, im Einklang mit der Gesundheitspolitik des Kantons.
Schätzung der finanziellen Folgen
Initiative: Investitionen in Höhe von 37 Millionen Franken für medizinisch-technische Ausrüstung und Immobilieninfrastruktur. Jährliche Kosten für den Staat: 11 bis 13 Millionen Franken aufgrund der Eröffnung regionaler Notfalldienste. Diese Schätzungen basieren auf den vom Initiativkomitee verwendeten Begriffen und den Mindestanforderungen an eine Spitalnotaufnahme. Denn eine Spitalnotaufnahme muss u. a. über ein Labor, einen Operationssaal, Fachärzte rund um die Uhr usw. verfügen können.
Gegenvorschlag: jährliche Kosten für den Staat: 7,2 Millionen Franken, davon 2,1 Millionen für die einheitliche Gesundheitsnummer, 1 Million für lebensbedrohliche Notfälle, darunter die Einführung eines Systems aus erfahrenen Rettungssanitäterinnen und -sanitätern in Randregionen, 2,7 Millionen, damit die Ambulanzeinsätze für die Bevölkerung in Randregionen nicht teurer werden, und 1,4 Millionen für die übrigen Massnahmen.
Die Empfehlungen des Staatsrats und des Grossen Rats
Der Staatsrat und der Grosse Rat empfehlen ein NEIN zur Initiative und ein JA zum Gegenvorschlag.
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Die Behörden (Grossrat und Staatsrat) teilen das Anliegen der Initiantinnen und Initianten, die Freiburger Bevölkerung gesundheitlich abzusichern und ihr einen flächendeckenden Zugang zu Notfallversorgung zu gewährleisten. Sie sind jedoch der Ansicht, dass diese Ziele mit der Initiative nicht erreicht werden können. Die Initiative ist im aktuellen Kontext unrealistisch und garantiert nicht den sicheren Zugang zur Notfallversorgung.
Die Gesundheitssicherheit der Bevölkerung hängt nicht von der Nähe zu einem Spital ab, sondern beruht auf einer leistungsfähigen Rettungs- und Versorgungskette aus mehreren Akteurinnen und Akteuren des Gesundheitswesens. Wie sich der Zustand einer erkrankten oder verletzten Person entwickelt, hängt mit der Notfallversorgung am Einsatzort zusammen und mit der Weiterleitung an die Einrichtung, die personell und technisch am besten ausgerüstet ist – nicht an die nächstgelegene.
Weiter sind die Behörden der Ansicht, die Initiative vermittle eine falsche Sicherheit, denn ihre praktische Umsetzung ist sehr schwierig. Eine Notaufnahme erfordert eine umfassende technische Ausrüstung sowie spezialisiertes und verfügbares Personal, das heute nur sehr schwer zu finden ist. Die Initiative lässt den Pflegepersonalmangel ausser Acht und hätte zur Folge, dass Personalressourcen unachtsam verteilt würden. Sicherheit und Qualität der Gesundheitsversorgung wären in Gefahr.
Zusammenfassend sind die Behörden der Ansicht, die Initiative liefere keine angemessene Antwort auf eine berechtigte Frage. Deshalb legen sie in Zusammenarbeit mit Gesundheitsfachpersonen einen realistischen Gegenvorschlag vor.
Die parlamentarischen Debatten
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Am 22. März 2022 erklärte er die Verfassungsinitiative «Für bürgernahe öffentliche Spitalnotaufnahme 24/24» für gültig. Bereits in dieser Debatte bekundeten einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihre Bereitschaft für die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags zur Initiative.
Am 21. Juni 2022 beschloss der Grosse Rat einstimmig, sich der Initiative nicht anzuschliessen und den Staatsrat mit der Ausarbeitung eines Gegenvorschlags zu beauftragen.
Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier verstanden die berechtigten Anliegen der Initiantinnen und Initianten, hielten die Initiative jedoch nicht für eine angemesse Lösung. Sie betonten insbesondere die Wichtigkeit, dass der Gegenvorschlag sämtliche Akteurinnen und Akteure des präklinischen, stationären und ambulanten Bereichs berücksichtige, und sich nicht wie die Initiative auf den stationären Bereich beschränke.
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Eine parlamentarische Kommission begleitete die Direktion für Gesundheit und Soziales bei der Ausarbeitung des Gegenvorschlags. Sie setzte sich aus einem Experten, Gesundheitsexperten und Abgeordneten beider Kantonssprachen, verschiedener Regionen und politischer Richtungen zusammen.
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Der Gegenentwurf wurde am 7. Februar 2024 vom Großen Rat ohne Gegenstimme angenommen. Eine Textänderung, die die Maßnahme in Bezug auf die Kosten für Ambulanzeinsätze in Randgebieten verbessert, wurde am Entwurf des Staatsrats vorgenommen.
In der Debatte stellten die Parlamentsmitglieder fest, dass die Initiative ein Risiko darstellt, weil sie vereinfacht formuliert ist und in Wirklichkeit nicht umsetzbar ist und stattdessen die Sicherheit der Patientinnen und Patienten gefährden könnte. Sie hielten die im Gegenentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen für sinnvoll und bestätigten, dass sie den Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Notfallversorgung für alle sicherstellen würden. Sie erinnerten auch daran, dass die Annahme der Initiative die Umsetzung des Gegenentwurfs unmöglich machen würde.
Andere kantonale Vorlagen der Abstimmungen vom 9. Juni 2024
Anlässlich der Abstimmungen vom 9. Juni 2024 ist die Bevölkerung auch aufgerufen, sich zu einem Dekret zur Finanzhilfe des Staates für das freiburger spital HFR vorsieht.
Informationen über den Dekret zur Finanzhilfe des Staates für das freiburger spital HFR