Paul Torche (1912–1990), konservativ
Nach einem kurzen Aufenthalt in einer Anwaltskanzlei in Baden absolviert er ein Praktikum bei Anwalt Maxime Quartenoud. Ab 1937 ist er als Notar in Estavayer-le-Lac und zugleich als Agent des Crédit agricole in Domdidier tätig. Als Mitglied der jungen Konservativen wird er angefragt, 1936 für den Grossen Rat zu kandidieren, hat jedoch noch nicht das geforderte Alter von 25 Jahren erreicht. Er muss folglich bis 1941 warten, um auf einer gemeinsamen konservativen und freisinnigen Liste an erster Stelle als Abgeordneter des Broyebezirks in den Grossen Rat gewählt zu werden. 1946 ist er zum ersten Mal dessen Vizepräsident. Paul Torche ist Sekretär der Enteignungskommission für den Greyerzersee (1943).
1946 in den Staatsrat gewählt, wird er Vorsteher der Gesundheits- und Polizeidirektion. Er lanciert die Spitalreform, die zum Bau eines neuen Kantonsspitals führt, und verantwortet das Gesetz über die Bekämpfung der Tuberkulose (1951). Er sieht sich mit einem Arbeitskonflikt zwischen Dr. François Ody (1896–1957), Chefarzt für Chirurgie am Kantonsspital seit 1940, und drei von dessen Kollegen konfrontiert. Der Konflikt wird in der Presse, insbesondere im Neuenburger L’Express, breitgewalzt. In einer Einschätzung kommt eine Ärztegruppe unter Leitung des Bundesrichters Louis Couchepin am 24. April 1951 zum Schluss, dass eine Zusammenarbeit zwischen Ody und seinen Kollegen unmöglich ist. Der Chefarzt muss seine Stelle aufgeben. Bei einer Begegnung in einer Gaststätte kritisiert Ody den Staatsrat in Gegenwart von Torche, der an einem solchen Ort und vor Dritten diese Affäre nicht besprechen möchte. Ody beginnt ein zweites Mal mit seinen Anschuldigungen und setzt sich an den Tisch des Gesundheitsdirektors, der ihm daraufhin eine Ohrfeige verabreicht.
Im Polizeibereich werden unter Torche ein Gesetz über das Kino und das Theater (1949) und ein Gesetz über die Gaststätten, den Tanz und den Getränkehandel (1955) verabschiedet. Als Maxime Quartenoud 1956 stirbt, leitet Paul Torche bis zu seinem Rücktritt mit grossem Erfolg die Direktion des Innern, der Landwirtschaft, der Industrie und des Handels. Er schafft das Gesetz über die Bodenverbesserungen und die Gewerbegerichtsbarkeit. Mit seiner Tätigkeit fördert er die wirtschaftliche Entwicklung des Kantons, macht aber auch auf die psychologischen Probleme aufmerksam, wenn Landwirte in die Fabrik geschickt werden. Die Freiburger Wirtschaft ist noch nicht imstande, den Geburtenüberschuss aufzufangen. Während Torches Regierungsjahren ist ein Rückgang des Primärsektors festzustellen, in dem ein Viertel der Arbeitskräfte tätig sind, während der Sekundärsektor auf mehr als 40% steigt (Volkszählung von 1960). Paul Torche, ein Mann der Tat, gilt als Urheber des freiburgischen Wirtschaftswunders. Er verändert das Image Freiburgs, das sich zuvor abgekapselt hat, und präsentiert auf Pressefahrten, die das Informations- und Public-Relations-Zentrum des Genfers René-Henri Wüst organisiert, einen modernen Kanton. Er sei ein ausgezeichneter Botschafter für Freiburg, erklärt sein Mitarbeiter Pierre Dreyer. Dank seiner Politik siedeln sich rund 65 Unternehmen im Kanton an.
Als Doyen der Regierung muss er 1958 auf eine Anfrage von Louis Barras über die Haltung der Westschweizer Presse nach dem Freitod von Léonce Duruz, Oberamtmann des Broyebezirks, antworten, der gegen Pierre Barras, den offiziellen Kandidaten der Konservativen Volkspartei, zum Kantonsrichter gewählt worden war. 1951, 1955 und 1960 ist er Staatsratspräsident. Nach Quartenouds Tod gilt er als der starke Mann der Regierung.
Gesundheitlich angeschlagen und enttäuscht über das im Staatsrat herrschende Klima – ein Kollege wirft ihm sogar vor, er arbeite zuviel –, tritt er am 31. März 1966 zurück. Seiner Meinung nach wäre Pierre Dreyer sein idealer Nachfolger, doch die Konservativ-Christlich-soziale Volkspartei beschliesst, den Greyerzer Jacques Morard zu präsentieren, der dem Freisinnigen Paul Genoud unterliegt. Für Torche hätte Morard bis zu den allgemeinen Wahlen Ende 1966 warten sollen.
Von 1947 bis 1954 ist er Nationalrat (er berichtet insbesondere 1951 über das Landwirtschaftsgesetz), von 1954 bis 1972 Ständerat. Mit Erfolg unterstützt er eine Motion zum Bau eines Transhelvetischen Kanals (Wasserweg zwischen Genfersee und Basel, von der Rhone zum Rhein), der jedoch Projekt bleibt. 1969/70 ist er Ständeratspräsident.
Ohne Kandidat zu sein, erhält er 85 Stimmen bei der Bundesratswahl, in der Roger Bonvin 1962 im fünften Wahlgang mit 142 Stimmen den Sieg davonträgt. « Sein Hauptanliegen war kantonaler Natur », stellt François Gross fest.
Dennoch sieht er dank seiner Herkunft aus der Broye über die Kantonsgrenzen hinaus. Er knüpft vertrauliche Beziehungen zu einem anderen Broyard, dem freisinnigen Waadtländer Staatsrat und Bundesparlamentarier Jean-Pierre Pradervand.
Paul Torche ist durch seine Begegnungen mit Papst Pius XII., General Guisan und Robert Schuman geprägt. Der Letztere, ein führender Politiker des MRP in Frankreich und einer der Väter Europas, war 1949 im Anschluss an einen offiziellen Besuch in Bern nach Freiburg gekommen. Auf Wunsch von Hans Oprecht, Präsident der Schweizer Sozialdemokratischen Partei, setzt er sich für den Aufenthalt des wegen Kollaboration verurteilten belgischen Sozialisten Henri de Man in Greng bei Murten ein. Zu seinen Bekannten gehört auch Monsignore Bela Varga, Präsident der ungarischen Nationalversammlung und der Kleinlandwirte-Partei, der von den Kommunisten vertrieben wurde und eine Zeitlang im Kloster Hauterive lebte, bevor er sich in den Vereinigten Staaten niederliess.
Paul Torche ist 1956 Präsident des Organisationskomitees für die 100-Jahr-Feier der konservativen Regierung.
Tatkräftig präsidiert er die Bewegung für das Frauenstimmrecht, die sich für die Revision des entsprechenden Verfassungsartikels einsetzt (Abstimmung 1969). Von 1966 bis 1968 ist er Präsident der kantonalen Konservativ-Christlichsozialen Volkspartei (heute CVP), kann aber nicht die Abspaltung des christlich-sozialen Flügels verhindern. Er ist Ehrendoktor und Ehrensenator der Universität und präsidiert zudem den Hochschulverein.
Nach seinem Rücktritt ist er weiterhin am öffentlichen Leben interessiert und sitzt in mehreren Verwaltungsräten (Präsident von Nestlé, Schweizerischer Bankverein).
In der Armee ist er Hauptmann und Kommandant einer Kompanie des Freiburger Regiments 7 während des Aktivdiensts und bekleidet zuletzt den Rang eines Majors.