Nach der im Dezember 2018 gestarteten Vernehmlassung zum Entwurf des Reglements über die Sonderpädagogik waren bei der Direktion für Erziehung, Kultur und Sport 129 Stellungnahmen eingegangen. Daraufhin wurden einige Elemente des Reglementsentwurfs überarbeitet. So wurden zunächst eine Übergangszeit von 10 Jahren und eine schrittweise Einführung der neuen Präventionsmassnahmen vorgesehen, um den im Bereich der Logopädie geäusserten Befürchtungen einer Überlastung Rechnung zu tragen. Somit können Therapien während der Schulzeit weiterhin von freischaffenden Leistungsanbietern und nicht nur von den sieben über den Kanton verteilten logopädischen, psychologischen und psychomotorischen Diensten durchgeführt werden. Ferner wurde für die Logopädie und die Psychomotoriktherapie im Vorschulbereich die gleiche Steuerungsstruktur gewählt, wobei beide Fachgebiete in der Verantwortung des Amtes für Sonderpädagogik liegen. Zudem wurde eine Koordinationsstelle eingerichtet, die eine einheitliche Praxis in der Sonderpädagogik gewährleisten soll, insbesondere für die Gewährung von niederschwelligen sonderpädagogischen Massnahmen (NM) und verstärkten sonderpädagogischen Massnahmen (VM), und zwar sowohl für die in der Regelschule integrierten Schülerinnen und Schüler wie auch für die in sonderpädagogischen Einrichtungen betreuten Schülerinnen und Schüler. Die Aufgabenteilung in Zusammenhang mit dem Förderplan wurde klarer festgelegt; ein solcher Förderplan wird erstellt, wenn die Schülerin oder der Schüler nicht in der Lage ist, die Ziele des Lehrplans (PER oder LP21) zu erreichen.
Zur Erinnerung: Im Gesetz über die Sonderpädagogik, in Kraft seit dem 1. August 2018, ist der Grundsatz verankert, dass alle Schülerinnen und Schüler nach Möglichkeit die Schule in ihrem Wohnort oder Wohnquartier besuchen sollen. Dabei wird den Entwicklungsmöglichkeiten der Schülerin oder des Schülers sowie dem schulischen Umfeld und den schulorganisatorischen Belangen Rechnung getragen.
Damit formalisiert der Kanton Freiburg seine Praxis, die der aktuellen Politik entspricht: Integrative Lösungen werden separierenden Lösungen vorgezogen.
Dies betrifft sowohl Kinder und Jugendliche, deren Entwicklung eingeschränkt oder gefährdet ist, als auch Kinder und Jugendliche, die nachweislich grosse Schwierigkeiten in der Sozialkompetenz sowie im Lern- oder Leistungsvermögen haben. Im Schuljahr 2018/2019 waren beispielsweise 1590 Schülerinnen und Schüler betroffen, d.h. etwa 4 % aller Schülerinnen und Schüler. 890 von ihnen waren in sonderpädagogischen Einrichtungen ‒ auch ausserhalb des Kantons ‒ untergebracht, wogegen fast 700 Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bildungsbedarf die Regelschulen besuchten. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie in der Regelklasse mehr Unterstützung benötigen, werden sie in der Klassengrösse dreifach gezählt.
Mit der Verabschiedung des Reglements über die Sonderpädagogik sind mehr als zehn Jahre Arbeit, Reflexionen und Verhandlungen mit dem Ziel, alle betroffenen Partner einzubeziehen, zu Ende gegangen. Der Grundsatz «Integration vor Separation» beruht auf der Interkantonalen Vereinbarung vom 25. Oktober 2007 über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik (Sonderpädagogik-Konkordat). Seit 2015 verfügt der Kanton Freiburg über ein Sonderpädagogik-Konzept. Dieses Konzept diente als Grundlage für die Arbeiten am Gesetz vom 11. Oktober 2017 über die Sonderpädagogik (SPG) und am dazugehörigen Ausführungsreglement (SPR), das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist.
In Ergänzung zum Gesetz über die obligatorische Schule legt das Reglement über die Sonderpädagogik den Schwerpunkt auf die Lösungen für Kinder sowie Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bildungsbedarf, und zwar ab Geburt bis zum vollendeten 20. Altersjahr. Es führt Massnahmen ein, mit denen sich die gesellschaftliche und schulische Teilnahme der Kinder und Jugendlichen fördern lässt, wobei darauf geachtet wird, dass jede und jeder die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten ausschöpfen kann.