Ein Schiedsspruch aus dem Jahr 1558 enthält die älteste bekannte Erwähnung des Worts Cuchaule (cussiole); allerdings wissen wir nicht, wie das damalige Rezept aussah und ob Safran bereits zu den Zutaten gehörte. Eigentlich ist dies eher unwahrscheinlich, da Gewürze einer Elite vorbehalten waren. Dagegen erscheint er in einem Rezept aus dem späten 19. Jahrhundert, während die Cuchaule bereits in den 1850er-Jahren zum Kilbimenü gehörte: Das Volkslied Dzaquet de Courtion erwähnt das Safranbrot, und der Verfasser der Idylle gruérienne (1852) nennt es in seiner Aufzählung der verschiedenen Speisen.
Heute wird diese Freiburger Spezialität im September in grossen Mengen von den Bäckereien und Grossverteilern produziert. Auch wenn sich ihre Zusammensetzung nicht verändert hat, gab es einen bedeutsamen Wandel im Konsumverhalten, da die Cuchaule in den 1950er-Jahren ausschliesslich an Feiertagen auf den Tisch kam. Heute wird sie ganzjährig verkauft, vor allem für das Wochenende. Einen grossen Erfolg hat eine Mini-Cuchaule von 80–100 Gramm für den unmittelbaren Verzehr.
Die Erhöhung der Kaufkraft und die Entsakralisierung der Kilbi bzw. Kirchweih erklären diese Entwicklung.
Weitere Angaben
Dank der regelmässig gefeierten Kilbi gerieten mehrere typisch freiburgische Produkte nicht in Vergessenheit; die entsprechenden Rezepte wurden während Generationen von Mutter zu Tochter oder von Beck und Beck weitergegeben. Seit 2018 hat die Cuchaule eine geschützte Ursprungsbezeichnung (AOP). Die Bäcker müssen sich an ein Pflichtenheft halten und frische, lokale Zutaten verwenden, um diese Bezeichnung zu erhalten.
Die Frage, ab wann Safran zu den Zutaten der Cuchaule gehört, konnte noch nicht geklärt werden. Es gibt jedoch einige Hinweise, welche die Präsenz dieses orientalischen Gewürzes in einem traditionellen Freiburger Gebäck erklären. Bereits im 15. Jahrhundert erwarben wohlhabende Freiburger Safran bei den Apothekern der Stadt. Ein Artikel über alte Freiburger Speisen, der 1898 in den Nouvelles Etrennes Fribourgeoises (Nr. 32) erschien, weist auf die Bedeutung exotischer Gewürze für die Zubereitung der Speisen hin und präzisiert, dass die Freiburger Regierung 1428 die präzisen Mengen der Gewürzmischung für die Küche festlegte; Safran war offenbar sehr beliebt, da er in den Rezepten für feines Pulver, gemeines Pulver und gemeines Pfefferpulver erscheint. In der Schweiz wird Safran in kleinen Mengen seit Jahrhunderten angebaut (in Basel bereits im 14. Jahrhundert).
Der Kilbisenf, dessen würziger Geschmack gut zum Safranparfum der Cuchaule passt, scheint ein würdiger Nachfolger der mittelalterlichen Küche zu sein.
Text : Florence Bays
Übersetzung : Hubertus von Gemmingen
Für weitere Informationen
- BAYS, Florence: Etude historique sur la cuchaule, Freiburg, 2002.
- Blätter einer Umfrage von 1910 im Archiv des «Glossaire des patois de la Suisse romande», Neuenburg.
- BRODARD, Hélène, «Un peu de cuisine gruérienne», in: Folklore suisse, 1948, Nr. 2, S. 20.
- «Henri Meunier ou le Diogène fribourgeois», in: Emulation, 1856, S. 139.
- Kopie eines Schiedsspruches, 1558, Pont Nr. 391, Staatsarchiv Freiburg.
- «La Bénichon au village. Idylle gruyérienne», in: Le Confédéré, Nr. 39, 24. Juli 1852.
- Mon livre de cuisine, Schulmaterial für Frauenarbeiten, Freiburg 1942, 1947.
- PHILIPONA ROMANENS, Anne, Jean-Pierre PAPAUX: Chantons, dansons, bénichonnons, Freiburg: Editions La Sarine,2011.
- VOLMAR, Joseph, «Us et coutumes d’Estavayer», in: Archives suisses des traditions populaires, Nr. 6, 1902, S. 105.