Dementsprechend liegt die Murtner Fastnacht manchmal ziemlich nahe bei den anderen fastnächtlichen Anlässen im Kanton und in anderen Regionen – wenn Ostern spät ist –, es kann aber auch eine Verschiebung um mehrere Wochen geben. In Murten spricht man nicht von der „Fasnacht“, das Wort wird gemäss der Tradition mit einem t in der Mitte geschrieben: Fastnacht.
Den Kernpunkt der Fastnacht bildet der Umzug, jeweils am Sonntagnachmittag, bei dem die teilnehmenden Fastnachtsgruppen mit ihren Sujetwagen sowie die eingeladenen Guggenmusiken nach einem genau festgelegten Parcours durch die von Publikum gesäumten Gassen der Altstadt ziehen. Dem Anlass sind durch die Enge der Gassen Grenzen gesetzt, da bei den grossen Cliquen der Wagenbau und der Betrieb zum gewählten Sujet recht viel Platz beanspruchen können. Bezüglich der Zuschauerzahl bieten die Gassen und Lauben Platz für höchstens etwa 12 000 Schaulustige (eine Zahl, die bei günstigen Witterungsverhältnissen immer wieder erreicht wurde). Weitere Fixpunkte der Fastnacht sind der Kinderumzug am Samstagnachmittag, die Proklamation der Fastnacht am Samstagabend sowie das Verbrennen des „Füdlibürgers“ am Montagabend.
Akteurinnen und Akteure der Fastnacht sind insbesondere die verschiedenen Gruppierungen der Fastnächtler/innen, Wagenbauer/innen von den Cliquen, Guggenmusiken, Schnitzelbänkler/innen oder anderweitig Aktive, aber es ginge nicht ohne das Volk, das sich, grossenteils kostümiert und geschminkt, drei Tage lang in ungezwungener Stimmung in den Wirtschaften und in den Gassen herumtreibt. Das Ganze wird durch die Fastnachtgesellschaft Murten (FGM) koordiniert, welche seit 1950 eine gewisse Ordnung ins bunte Treiben bringt und damit für einen reibungslosen und traditionsgemässen Ablauf der Fastnacht sorgt. Sie koordiniert die Aktivität der Gruppierungen, organisiert den Umzug, um dessen reibungslosen Ablauf sicherzustellen, und beteiligt sich daran auch mit den zwei wiederkehrenden Sujets des Prinzenwagens und des Füdlibürgers (letzterer immer als Wagen Nummer 13 im Umzug). Wer jeweils für eine den Fastnächtlern aufgefallene „Sünde“ in den vergangenen 12 Monaten als zirka 6 Meter hohe Figur auf einem Wagen herumgeführt wird, bleibt jeweils bis zum Umzug das bestgehütete Geheimnis. Und als dann der Wagen vorbeifährt, beginnt manchmal das Rätselraten, denn es wird kein Name angegeben: Nur die Gestaltung des Kopfes und einzelne Indizien deuten darauf hin, wer und was da auf die Schippe genommen wurde. Dann aber passiert es immer wieder, dass der betroffene „Füdlibürger“ spontan auf den Wagen aufsteigt und sich so mit Humor der Menge vorführen lässt…
Bemerkungen
Seit den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts hatte es wiederholt Anläufe gegeben, regelmässig in Murten eine Fastnacht durchzuführen. Doch erst seit der Fastnacht 1950, als auch die heute noch bestehende Fastnachtgesellschaft als Koordinationsorgan gegründet wurde, besteht der Ablauf der dreitägigen Narrenzeit grosso modo in er heutigen Form. Im Verlaufe der Jahre wurden Detailpunkte geändert und neue Anlässe und „Auszeichnungen“ wurden in den Fastnachtsbetrieb integriert. So erhielt die für alles im vergangenen Jahr schief Gelaufene verantwortlich gemachte Gestalt des „Füdlibürgers“ ihren Namen erst 1965, zuvor war mit ihr unter der (von Zürich her bekannten) Bezeichnung „Böögg“ gleich umgegangen worden. Die Fastnachtgesellschaft ist als koordinierendes Organ für die allgemeine Organisation zuständig, aber auch speziell für den Kinderball und den Kinderumzug am Fastnachtssamstag, ferner für die Mitte Januar stattfindende Hilari-Feier, an der das Prinzenpaar das Zepter ausgehändigt bekommt. Die verschiedenen Cliquen sorgen ihrerseits für die ausgelassene Stimmung aber auch für die musikalischen Klänge in den Gassen.
An der Murtner Fastnacht wirken heute zusammen mit der Fastnachtgesellschaft folgende Cliquen aus Murten und Umgebung mit, zu einem guten Teil auch mit einer Schnitzelbank-Gruppe: Moosrugger Galmiz, seit 1961; Rüebeloch-Clique, seit 1964; Göggimöffezunft, seit 1966; Ringmurechutze, seit 1966; Zunft von de Schlossmüüs, seit 1966; Glögglifrösche, seit 1971; Gässliguuger, seit 1974; Loubeschränzer, seit 1983; und Bärntortschaupizunft, seit 1988.
Als auswärtige Gruppe sind jeweils seit bald 50 Jahren die Rotseehusaren aus Ebikon LU an der Murtner Fastnacht dabei.
Es werden jeweils kurz vor der Fastnacht zwei Zeitungen im Geist der Fastnacht herausgegeben, die „FGM-Zyttig“ und „der Mortebriegger“ (in Anlehnung an den „Murtenbieter) sowie der „Tischplattesöiferi“ – mit einer Weinbergschnecke als Symbol. Beide werden zum Preis von Fr. 3.01 verkauft (mit Mengenrabatt von einem Rappen ab einem Exemplar).
Text : Alain Grandjean
Für weitere Informationen
- Fastnachtgesellschaft Murten (Hrsg.): 50 Jahre Fastnacht Murten 1950-2000, Murten, 2000, S.88
- GRANDJEAN, Alain: "Murtner Fastnacht", in Freiburger Volkskalender 2000, S. 43-46.