Seine dynamische Präsidentin Marie-Thérèse Vial bildete und bildet zahlreiche Schülerinnen in der Region und sogar in Frankreich aus. Anfängerinnen wie Fortgeschrittene teilen dieselbe Leidenschaft und bilden sich unaufhörlich weiter, indem sie neue Techniken erlernen oder kompliziertere Muster ausführen. Trotz ihrer häufig traditionellen Motive ist die Spitzenklöppelei, wie man sie heute ausübt, keineswegs ein Freiburger Brauch. Die Fäden sind auf Klöppeln oder Holzspulen aufgerollt, die ein Greyerzer Handwerker – wegen des Gewichts idealerweise aus Buchsholz – herstellt. Sie werden in kunstvollen Kombinationen miteinander verdreht und gekreuzt. Dabei ist die Arbeit mit Stecknadeln auf einem Kissen fixiert, das auf einem Tischchen mit verstellbarer Höhe liegt. Im Gegensatz zu dem, was man sich vorstellen könnte, wenn man frühere Arbeiten sieht oder an die damals angestrebte Produktivität denkt, sind heute Erfindungsreichtum und Originalität gefragt; Greyerzer Spitzen sind sogar auf den neuesten Kreationen des Freiburger Couture-Lehrateliers zu finden!
Einige Arbeiten werden von den Greyerzer Klöpplerinnen noch von Hand auf Bestellung ausgeführt; 2012 schufen sie vor allem Halstücher und Spitzenhandschuhe für verschiedene Schweizer Trachten. Diese Vermarktung der Spitzen mag bescheiden sein, ist jedoch ein Erbe der Vergangenheit: 1907 hatte Madame Balland, Besitzerin des Schlosses Greyerz, die Erlernung der Spitzenklöppelei gefördert, die den jungen Frauen der Region anstelle der im Niedergang begriffenen Strohflechterei ein Auskommen sichern sollte. 1919 wurde die Société dentellière gruyérienne gegründet, die 1941 den Namen Association des Dentelles de Gruyère annahm und von der Bürgerschaft von Bulle unterstützt wurde. Ihr grösster Auftrag ist unvergessen: das 1.-August-Abzeichen 1942, eine zeitraubende Arbeit. Später ersetzten immer häufiger Maschinen die handwerkliche Tätigkeit, und die Aufträge nahmen ab, obwohl die Klöpplerinnen unter der Schirmherrschaft des Vereins für ein Geschäft in Bulle arbeiteten. Da sie die Konkurrenz fürchteten, behielten sie ihr Wissen für sich. In den 1970er-Jahren bahnte sich ein Wandel an. Insbesondere auf Initiative von Marie-Thérèse Vial wurden die Techniken demokratisiert und an Spitzenbegeisterte weitergegeben. Auf diese Weise gelang es dem Verein, seinen Untergang zu vermeiden und diese alte Tradition zu retten.
Heute betreibt man also im Greyerzerland die Spitzenklöppelei hauptsächlich aus Liebhaberei, ein überwiegend weibliches Hobby, mit dem sich kein Zusatzeinkommen mehr verdienen lässt. Da die Klöpplerinnen das Handwerk weiterpflegen, dürfte dieses eine schöne Zukunft vor sich haben, vor allem wenn man bedenkt, dass auch das Stricken bei der Jugend wieder beliebt geworden ist.
Bemerkungen
Bekanntlich gab es die Spitzenklöppelei auch im benachbarten Pays-d'Enhaut seit mehr als 100 Jahren, wo sie zur Herstellung weiblicher Kopfbedeckungen diente. Italienerinnen auf der Durchreise nach Frankreich sollen die Technik den Frauen des Pays-d’Enhaut und des Greyerzerlandes gelehrt haben. So wurde die Spitzenklöppelei zu Beginn des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich wiedereingeführt. Damals ging es im Greyerzerland allerdings darum, den Frauen ein Auskommen zu sichern. Lauterbrunnen ist ebenfalls seit langem für die Vermarktung seiner Spitzenklöppelei bekannt.
Text : Florence Bays
Übersetzung : Hubertus von Gemmingen
Für weitere Informationen
- Buchs, Denis: «Heurs et malheurs en dentelles», in: La Radio en Gruyère. Cahiers du musée gruérien. Bulle, 2003, S. 90-92. (hier findet man insbesondere zahlreiche Hinweise auf Zeitungsartikel)
- de Diesbach, Hélène: «Dentelles et filets brodés de Gruyères», in: Fribourg artistique, 1914.
- Delachaux, Marguerite: «La Dentelle aux fuseaux», in: Trésors de nos vieilles demeures, anciennetés du pays romand, Ed. de la Gazette & Ed. SPES S.A., Lausanne 1930, S. 77-83.
- Vgl. auch die Publikationen der Association des Dentelles de Gruyère.