Im Greyerzer Patois bezeichnet Barlatè den Mann, der sich um das Maultier und den Käsetransport kümmert. Die Tätigkeit, Käselaibe von der Alp ins Unterland zu transportieren, wird durch das Verb barlatâ wiedergegeben.
Mit dem Ausbau der Alpwege und dem Rückgang der Alpkäsereien in den 1970er-Jahren verschwindet der Maultiertransport fast vollständig aus der Freiburger Alplandschaft. Einige Barlatès sind allerdings weiterhin tätig und befördern insbesondere die Käselaibe von der Alp Les Morteys, dem höchsten «Kessi» des Kantons Freiburg und Eigentum von Pro Natura, ins Unterland. Da sich die Alp im Naturschutzgebiet Vanil Noir befindet, hat sie keinen Zufahrtsweg. Ab 1999 und während rund zehn Jahren ist Georges Mooser, ein gebürtiger Greyerzer und von Beruf Chef einer Treuhandfirma in Genf, begleitet von Marco, seinem Maultier, als Barlatè tätig. Einige Jahre später übt Jean-Claude Pesse, Lehrer und Schulleiter, diese Tätigkeit drei Sommer lang mit seinem Maultier Inschi aus. Um diese Transportweise erneut zu einer ständigen Einrichtung zu machen, gründet er 2014 mit anderen Passionierten den Verein Transtrad. Die von Jean-Claude Pesse und seinem Verein vorgeschlagene Lösung erweist sich somit als willkommene und unverzichtbare ökologische Alternative.
Rasch kommen weitere Tätigkeiten hinzu. Schon in alten Zeiten dienen Maultiere nicht nur zum Käsetransport, sondern auch zur Vorbereitung der Alpsaison im Frühling und zur Beförderung von Konstruktionsmaterial und Holz für die Instandsetzung der Hütten. Das Setzen von Zaunpfählen oder der Transport von Salz, Brennholz und Vorräten auf die Alpen gehören zu den Arbeiten, für welche Maultiere eingesetzt werden. Die Alpbewirtschafter schätzen diese effiziente Hilfe.
Der Verein verfügt über acht Maultiere und Maulesel, die 2023 während 123 Tagen auf Alpen im Greyerzerland, aber auch im Kanton Waadt und im Berner Oberland im Einsatz standen. Er arbeitet auch für den Schweizer Alpenclub, in erster Linie um die Hütte Les Marindes im Vallon des Morteys zu versorgen, doch auch andere Hütten stellen zunehmend Anfragen, zumal der ökologische Nutzen sehr geschätzt wird.
Der Verein kann auf etwa 20 Maultiertreiber und Maultiertreiberinnen zählen, die hauptsächlich in Kursen zu Beginn jeder Saison ausgebildet werden. Die Weitergabe der Kenntnisse ist wichtig, damit die Tradition erhalten bleibt und diese Tätigkeit nicht verschwindet. Zunächst galt es, den alten Barlatès zuzuhören, um sich mit Gesten und Know-how vertraut zu machen. Der Verein führt überdies Ausbildungs- und Erlebnistage durch und bietet über das Landwirtschaftliche Institut Grangeneuve einen Weiterbildungstag für Junglandwirte an. Er will zeigen, dass das Maultier nicht nur für Agrartransporte, sondern auch für die Entwicklung zusätzlicher Aktivitäten wie Agrotourismus, Reitsport, Reittherapie oder Unterhalt von kleinen Wäldern und Weiden nützlich sein kann.
Erneuerte Traditionen
Der Verein TransTrad ist nicht nur auf den Alpen tätig. Er beteiligt sich ebenfalls an der Pflege weiterer Traditionen, zum Beispiel bei Alpabzügen, für welche Maultiere sehr gefragt sind. Andernorts wurden alte Bräuche wiederbelebt oder erneuert: Mitwirkung an der Bundesfeier, an der Bénichon in Crésuz, dem Nikolausfest in verschiedenen Dörfern, dem Dreikönigsmarsch in Valsainte, der Nuit de l’Avant in Bulle, dem Doppelrahmfest in Gruyères, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Maultiere werden zudem für die Aufstellung von Kreuzen auf den Greyerzer Vanils (zum Beispiel Vudalla 2024 und L’Arsajoux 2018) herangezogen. Hinzu kommen Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der Schmiede von La Tzintre, etwa am Jakobusfest und am Fest des hl. Eligius, des Schutzpatrons der Hufschmiede, aber auch – was weniger bekannt ist – der Maultiertreiber und Maultiertreiberinnen.
Für Schulklassen gibt es besondere Angebote, bei denen es darum geht, die Maultiere zu präsentieren sowie Kinder und Jugendliche anhand von Aktivitäten mit ihnen vertraut zu machen. «Diese Tiere sind wunderbare Vermittler, welche Begegnungen ermöglichen und Freundschaften oder Kontakte schaffen», schwärmt Jean-Claude Pesse.
Der Verein besitzt fünf Maultiere und kann auf einige zusätzliche Maultiere als Verstärkung zählen. Sein grosser Erfolg zwingt ihn, Anfragen abzulehnen. Da seine Tätigkeit von Amateuren und Freiwilligen geleistet wird, ist er von der Verfügbarkeit seiner Mitglieder abhängig.
Historischer Rückblick
Der Maultiertransport auf die Alpen ist alt, lässt sich aber nur schwer genau datieren. Seine Bedeutung wurde in unserem Kanton möglicherweise überschätzt. Im Mittelalter scheint die Präsenz von Maultieren nicht sehr bedeutend gewesen zu sein. Laut einer Untersuchung der Freiburger Notariatsregister werden sie im Gegensatz zu Pferden nur sehr selten erwähnt.
Die Herstellung von Alpkäse erfährt ab dem 17. Jahrhundert eine starke Entwicklung. Die Laibe wurden mit Maultieren oder auf dem Oji (Vogel), einem Holzgestell, das auf Kopf und Schultern des Senners ruht, von den Alpen ins Unterland befördert und dann in Kellern veredelt, die sich oft im Haus der Käsehändler oder Alpbesitzer befanden. Anschliessend wurden sie in Fässern auf Fuhrwerken über die «Käsestrasse» von Bulle nach Vevey gebracht. Der Transport erfolgte auch auf Maultierrücken über den Col de Jaman, um die Zollgebühren zu umgehen. Von Vevey aus gelangten die Käse per Schiff nach Genf, dann auf der Strasse nach Seyssel und schliesslich auf der Rhone nach Lyon, dem Hauptumschlagplatz für Gruyère-Käse.
Als man im 19. Jahrhundert die ersten Statistiken erstellt, sind die im Kanton Freiburg erfassten Maultiere nicht sehr zahlreich. Von den 5258 Maultieren und Eseln, die das Bundesamt für Statistik für das Jahr 1876 zählt, stammen nur 152 aus Freiburg. Mehr als die Hälfte (3138) kommen aus dem Wallis und fast tausend (940) aus dem Tessin. Auch wenn der Kanton Freiburg nach der Waadt (286) und Genf (234) an fünfter Stelle steht, überrascht diese geringe Zahl.
Die etwas genaueren Freiburger Statistiken unterscheiden zwischen Eseln und Maultieren und melden so noch niedrigere Zahlen: 83 Maultiere im Jahr 1850, 88 im Jahr 1860, 71 im Jahr 1870, 37 im Jahr 1880, 22 im Jahr 1890, 48 im Jahr 1900. Ihr Rückgang in den 1880er- und 1890er-Jahren entspricht der Krisenzeit für Alpkäse. Mit dem Aufkommen der Siedereien, welche die Milch direkt von den dörflichen Milchgenossenschaften beziehen, geht die Käseherstellung stark zurück, was dazu führt, dass auch die Anzahl der Kühe auf den Alpen sinkt. Dagegen steigt die Zahl der Maultiere nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wieder an. In der Zwischenkriegszeit werden etwa 100 Maultiere gezählt.
In der Nachkriegszeit ändern sich die Dinge rasch. Die Zahl der Alpkäsereien geht stark zurück. Das Leben auf der Alp muss modernisiert werden. Der Freiburger Grosse Rat verabschiedet 1960 ein kantonales Gesetz zur Förderung der Alpwege, das den Zugang zu den Hütten und den Transport der Produktion ins Unterland erleichtert. Das Netz der Bergwege verdreifacht sich zwischen 1960 und 1975, während die Alpkäseproduktion einbricht und nur noch acht Produzenten tätig sind. Die Verbesserungen führen jedoch zu einem Wiederaufschwung – im 21. Jahrhundert sind erneut 35 Alpkäsereien zu zählen –, bringen jedoch zugleich den Maultiertransport fast völlig zum Verschwinden.
Anfang der 1950er-Jahre eröffnet sich einigen Barlatès eine neue Transportmöglichkeit: der Rahm, den das Unternehmen Cremo in den Alphütten erwirbt, die keinen Käse mehr herstellen, doch weiterhin mit Kühen auf die Alp ziehen. Ihre Zahl steigt stetig an: von sieben Lieferanten im Jahr 1950 auf rund 100 zwanzig Jahre später. Für die am weitesten entfernten Hütten wird der Rahm mit Hilfe von Maultieren oder Pferden mit Packsätteln zu den Sammelstellen gebracht, wo der Cremo-Transporter alle zwei Tage den in den Hütten zentrifugierten Rahm abholt.
Der Barlatè, eine Figur der Greyerzer Folklore
Zur gleichen Zeit werden der Barlatè und sein Maultier zu Symbolfiguren nostalgischer und folkloristischer Erzählungen über das Alpleben, die in den Jahren 1950–1970 florieren, als diese Lebensweise zu verschwinden droht. Civis – der Künstlername von Gérard Glasson – publiziert in der Zeitung La Gruyère vom 13. Juni 1950 einen schönen Text über das Maultier: «… vor mir trottete ein Maultier mit dem fröhlichen Klingeln seines Glöckchens den Hang hinunter. Es war der Barlatè, der sich aufmachte, seine duftende Fracht zum Salzen zu bringen. Und das Langohr schien sich ebenfalls seiner Aufgabe bewusst zu sein. Es gibt Berufungen auf allen Ebenen der Schöpfung.» Lassen wir ihn überdies den Wandel der Alpwirtschaft ein Jahr später in der Gruyère vom 6. November 1951 kommentieren: «Allerdings beginnt sich dort der mechanische Fortschritt durchzusetzen. Auf den Alpwegen ersetzt der Jeep Made in USA immer mehr das Maultier. Der Barlatè ist Chauffeur geworden. Und die Kuhherde unternimmt ihre Poya im Lastwagen.»
Wer zwischen einem Gefühl der Wehmut und der Notwendigkeit der Modernisierung schwankt, muss eines feststellen: Es gibt immer weniger Bauern, die mit ihren Kühen auf die Alp ziehen, und um dem entgegenzuwirken, müssen Alpen, Hütten und Arbeitsweisen modernisiert werden. Jene, die sich nach den alten Schellen, dem Barlatè und dem Oji sehnen, arbeiten meist nicht auf der Alp oder gehören zu den Ewiggestrigen.
Der Maultiertransport auf die und von der Alp wäre also im Kanton Freiburg fast ausgestorben. Dank der Passionierten des Vereins TransTrad und einiger Bauern, die Maultiere besitzen, wurde er wiederbelebt. So blieb dieses Know-how, das noch in guter Erinnerung ist, erhalten. Die Tradition ist über den rein folkloristischen Rahmen hinausgewachsen, der darin bestanden hätte, die Maultiere nur für den Alpaufzug oder Alpabzug einzusetzen. Sie entwickelte sich weiter, indem sie die soziale Rolle des Maultiers hervorhob, auch wenn diese weit entfernt von jener ist, die dieses Lasttier früher spielte, als es bei den Bauern nicht unbedingt einen guten Ruf hatte. Nach Aussage der Mitglieder des Vereins TransTrad ist das Maultier zwar sanft und friedlich, aber auch stur und widerspenstig, vor allem wenn es allzu oft mehr Stockschläge als Streicheleinheiten erhielt.
Der Verein TransTrad ging von einer alten Tradition aus und hat sie aktualisiert, doch auch neu erfunden, damit sie ihre Lebendigkeit bewahrt und nicht nur eine folkloristische und touristische Attraktion ist. Indem er sich auf ökologische Kriterien stützt, aber auch ein Vertrauensverhältnis mit dem Tier entwickelt und die Einfachheit im Kontakt mit der Natur fördert, zeigt er, dass sich Tradition und Know-how an aktuelle Kriterien anpassen lassen können.
Text : Anne Philipona
Übersetzung : Hubertus von Gemmingen
Für weitere Informationen
- BUGNARD, Pierre-Philippe, «Les Morteys. Enfer de pierres, paradis du gruyère». In Cahiers du Musée gruérien, Alpages. Un héritage en mouvement, Nr. 14, 2023, S. 13–30.
- MORENZONI, Franco, «L’achat et la vente de chevaux d’après les registres des notaires fribourgeois de la fin du Moyen Age», in Schweizerische Zeitschrift für Geschichte = Revue suisse d'histoire = Rivista storica svizzera, 48 (1998), S. 131–148.