An seiner Sitzung vom 24. März 2015 genehmigte der Staatsrat die Eröffnung der Vernehmlassung zum Gesetzesvorentwurf über die erleichterte steuerliche Regularisierung von nicht deklarierten Vermögenswerten zur Umsetzung der Motion Nadine Gobet / Patrice Morand 2013-GC-107 über die Steueramnestie, die der Grosse Rat am 20. November 2014 angenommen hatte. Diese Steueramnestievorlage, die sich an das jurassische Modell anlehnt, ist nicht gratis: mit der Steuerbemessungsgrundlage und den Steuersätzen stützt sie sich auf ein vereinfachtes Berechnungssystem für die Nachsteuern und Verzugszinsen.
I. Verletzung verfassungsrechtlicher Steuerprinzipien
Das Bundesgericht kommt in seinem am 2. April 2015 veröffentlichten Urteil zum Schluss, dass die Tessiner Steueramnestie mit der Verfassung und dem Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) unvereinbar ist. Obschon sich die Tessiner Regelung vom Freiburger Gesetzesvorentwurf unterscheidet, hat die Finanzdirektion die Verfassungsmässigkeit ihrer Steueramnestievorlage im Lichte der bundesgerichtlichen Erwägungen untersucht. Parallel dazu hat sie auch bei Professor Xavier Oberson ein unabhängiges Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. In einer ersten Würdigung des Bundesgerichtsentscheids stellte die Kantonale Steuerverwaltung (KSTV) fest, dass bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Freiburger Gesetzesvorlage mit dem StHG von einem anderen Ansatz auszugehen ist, da es sich nicht um eine Tarifmassnahme handelt, sondern um ein weiteres Instrument parallel zur straflosen Selbstanzeige und vereinfachten Erbennachbesteuerung. Allerdings ist die KSTV der Ansicht, dass das Bundesgericht im Fall einer Untersuchung der Freiburger Steueramnestie zum Schluss käme, die vereinfachte Steuerberechnung verstosse gegen das StHG. In Anbetracht seiner kategorischen Erwägungen würde das Bundesgericht wahrscheinlich zum Schluss kommen, dass damit die verfassungsrechtlichen Steuergrundsätze missachtet würden. Steuermehreinnahmen generieren zu wollen, ist kein Rechtfertigungsgrund für die damit einhergehende Ungleichbehandlung. Professor Xavier Oberson sieht in seinem Rechtsgutachten ebenfalls einen Unterschied zwischen dem Freiburger und dem Tessiner Modell. Allerding ist nach seinem Dafürhalten das vorgeschlagene System nach dem Bundesgerichtsurteil kaum mit dem StHG vereinbar. Die Nachsteuer ist nämlich effektiv ein harmonisierter Begriff, der den Kantonen eigentlich keinen Spielraum lässt. Professor Oberson weist auch darauf hin, dass das Bundesgericht mit dem Tessiner Urteil den Grundstein für einen restriktiven Ansatz gelegt hat mit dem Fazit, sozioökonomische Gründe seien keine Rechtfertigung für einen Verstoss gegen verfassungsrechtliche Steuerprinzipien.
II. Insgesamt positive Vernehmlassungsergebnisse
Die Auswertung der Vernehmlassungsantworten hat ergeben, dass von den 62 Vernehmlassungsteilnehmern 39 die Vorlage vorbehaltslos, mit geringfügigen Vorbehalten oder unter Vorbehalt materieller Änderungen gutheissen, während 12 Vernehmlassungsteilnehmer erhebliche Vorbehalte äussern oder die Vorlage ablehnen und 11 nicht ausdrücklich dazu Stellung nehmen wollen.
III. Warten auf eine eidgenössische Steueramnestie
In Anbetracht der Ergebnisse des Rechtsgutachtens, der Vernehmlassung und des Bundesgerichtsentscheids zieht es der Staatsrat vor, den Verzicht auf dieses Steueramnestievorhaben zu beantragen und abzuwarten, was sich auf Bundesebene tut. Wie Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am vergangenen 6. Juni der Presse gegenüber äusserte, könnte eine allgemeine Steueramnestie im Zuge des automatischen Informationsaustauschs zwischen Steuerbehörden interkantonal gesehen eine bessere Lösung sein. Der Staatsrat wird dem Grossen Rat einen Bericht überweisen, in dem er Aufgabe des Gesetzesvorhabens beantragt.