Zwei Drittel aller Jugendlichen auf der Sekundarstufe II absolvieren eine berufliche Grundbildung. Diese ist verbundpartnerschaftlich organisiert und wird an drei Lernorten umgesetzt. Die Bildungsinhalte der drei Lernorte werden in der jeweiligen Bildungsverordnung jedes Berufs geregelt: die betriebliche Bildung in rund 80’000 Lehrbetrieben in der Schweiz (3-4 Tage pro Woche), die schulische Bildung in Berufsfachschulen (1-2 Tage pro Woche), Handelsmittelschulen und anderen zu diesem Zweck anerkannten Institutionen (z.B: Lehrwerkstätten), sowie in überbetrieblichen Kursen (üK) jedes Berufs. Die üK dienen der Vermittlung und dem Erwerb grundlegender Fähigkeiten, dies zumeist in Form von praktischen Arbeiten (Art. 16 Abs. 2 BBG; SR 412.10).
Ausgehend von den Erfahrungen des Präsenzverbots im Frühling 2020 und mit Blick auf schweizweit einheitliche Rahmenbedingungen und gerechte Voraussetzungen für alle Lernenden, insbesondere auch bei den Lehrabschlussprüfungen, ist es deshalb zentral, bei allfälligen Präsenzverboten auf Stufe berufliche Grundbildung folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Lehrbetrieb
Im Lehrbetrieb vermitteln qualifizierte Berufsbildnerinnen und Berufsbildner den Lernenden die praktische Ausbildung. Die Vermittlung der praktischen Kompetenzen wird durch die Präsenz vor Ort sichergestellt. Die Task Force begrüsst deshalb die aktuelle Regelung für Kurzarbeitsentschädigung, die Berufsbildnern die Ausübung ihrer Funktion trotz Kurzarbeit ermöglicht. Diese gilt es aufrechtzuerhalten. Eine Verlagerung dieser Funktion ausschliesslich auf virtuelle Kanäle oder im Homeoffice ist in vielen Berufen nicht möglich. Selbst bei Home-office-Empfehlungen sollen Ausbildungen am Arbeitsplatz nach wie vor möglich bleiben. Die praktische Ausbildung in einem schulischen Umfeld ist mit einer Ausbildung in einem Betrieb gleichzusetzen. Einige Branchen führen aufgrund der behördlichen Schliessung von Betrieben alternative Formate durch, beispielsweise in Form von Praxiswochen oder gemeinsamen Schulungen der betroffenen Lernenden. Der Förderschwerpunkt «Lehrstellen Covid-19» ermöglicht die finanzielle Unterstützung solcher Formate (s. unten).
Die Task Force empfiehlt, dass Alternativformate auch bei restriktiveren Massnahmen aufrechterhalten und besucht werden können.
Überbetriebliche Kurse
Die Organisation der überbetrieblichen Kurse ist Aufgabe der Organisationen der Arbeitswelt, meist in sogenannten üK-Zentren, die unter der Aufsicht der Kantone stehen. Die Ausbildung in den überbetrieblichen Kursen vermittelt praktische Kenntnisse und dient dem Erwerb grundlegender Fähigkeiten im Beruf. Die Ausbildungsumgebung ist vergleichbar mit der Situation am Arbeitsplatz. Fernunterricht - dies hat sich in der ersten Pandemiewelle gezeigt – ist oft nicht möglich und die Erreichung der Bildungsziele ist in Frage gestellt.
Die Task Force empfiehlt deshalb, dass überbetriebliche Kurse im Präsenzunterricht stattfinden können und von allfälligen Restriktionen ausgenommen werden, selbst wenn sie an einer allfällig geschlossenen Berufsfachschule oder einer Lehrwerkstatt angegliedert sind.
Berufsfachschule
Der Unterricht an der Berufsfachschule ergänzt die praktische Ausbildung. Der allgemeinbildende Unterricht befähigt die Lernenden, ihre künftigen Rollen als Berufs- und Privatperson wahrzunehmen. Im berufskundlichen Unterricht werden die für die Ausübung des Berufs notwendigen theoretischen Grundlagen vermittelt.
Aufgrund der grossen Bedeutung dieses Kompetenzerwerbs in seiner bewährten, für alle Lernenden gleichermassen zugänglichen Form, empfiehlt die Task Force dringend, den Präsenzunterricht vor Ort aufrechtzuerhalten, ggf. unter angepassten Bedingungen. Aufgrund der Risiken des Fernunterrichts für einen Teil der Lernenden ist dieser nur als ultima ratio in Betracht zu ziehen. Diese Überlegungen gelten analog für den Berufsmaturitätsunterricht (BM 1 und 2).
Qualifikationsverfahren 2021
Jugendliche und Erwachsene, die eine Berufslehre absolvieren, sollen auch 2021 einen vollwertigen, auf dem Arbeitsmarkt anerkannten Berufsabschluss erlangen. Auch die Kandidatinnen und Kandidaten der Berufsmaturität sollen diese ohne Abstriche abschliessen können. Am Spitzentreffen der Berufsbildung vom 9. November 2020 haben sich Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt gemeinsam dafür ausgesprochen, dass die Qualifikationsverfahren 2021 wenn immer möglich nach geltendem Recht durchgeführt werden sollen. Um nationalen und kantonalen Schutzbestimmungen gerecht zu werden und so die Durchführung der Prüfungen zu sichern, erarbeiten die Organisationen der Arbeitswelt und die Kantone vorgängig organisatorische Massnahmen. Diese Arbeiten sind auf Kurs. Bei restriktiveren Massnahmen empfiehlt die Task Force, dass in den Bestimmungen die Möglichkeit von Präsenzprüfungen unter Einhaltung der Schutzmassnahmen aufgenommen wird. Damit können, wie vom Spitzentreffen vorgesehen, die Qualifikationsverfahren regulär durchgeführt werden.
Task Force «Perspektive Berufslehre»
Die Task Force Perspektive Berufslehre wurde im Mai 2020 von Bundesrat Guy Parmelin mandatiert mit geeigneten Massnahmen den Lehrstellen- und Absolventenmarkt während der Corona-Krise zu stabilisieren. Die Berufsbildung ist gemäss Berufsbildungsgesetz eine verbundpartnerschaftliche Aufgabe. Bund, Kantone und Sozialpartner sind entsprechend in der Task Force vertreten.
Förderschwerpunkt «Lehrstellen Covid-19»
Der Förderschwerpunkt «Lehrstellen Covid-19» wurde vom Bund eingesetzt und von der Task Force im Mai 2020 lanciert. Mit dem Förderschwerpunkt unterstützt das SBFI unter anderem Ersatzformate für die betriebliche Bildung. Der Bund übernimmt bei den unterstützten Projekten bis zu 80% der Kosten. Bisher wurden rund 50 Gesuche aus allen Landesteilen eingereicht und knapp 14 Mio. CHF verfügt.
Projekte könnten laufend eingereicht werden, die Kriterien sind auf dem Merkblatt Förderschwerpunkt «Lehrstellen Covid-19» festgehalten.
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