Nachdem das Amt für Kultur einen einjährigen Aufenthalt im Pariser Atelier «Jean Tinguely» ausgeschrieben hatte, fiel die Wahl der Expertenjury einstimmig auf Pierre-Alain Morel, der die Jury mit seinem künstlerischen Projekt überzeugt hat. In einer Welt, in der es Bilder im Überfluss gibt und in der die künstlerischen Ausdruckformen einem raschen Wandel unterliegen, stellt sich der Künstler Fragen darüber, ob in der heutigen Zeit noch eine Sehnsucht nach dem Malen besteht und ob das Malen überhaupt noch zweckmässig ist. Während seines Aufenthalts in Paris wird er mehrere Gemäldeserien erstellen, in die seine intensiven Überlegungen über die Materialität der Malerei einfliessen werden. Farbauftrag, Pinselführung, individueller Stil werden als Elemente, die mit der Hand und dem Körper des Künstlers entstehen, gedacht und erlebt. Im Zentrum des Malens steht für Pierre-Alain Morel das ständige Hinterfragen seiner eigenen Praktiken und Beweggründe im Zusammenhang mit dem Bildmedium sowie jener seiner ebenfalls malenden Kolleginnen und Kollegen: «Welchen Beitrag leistet diese so persönliche Art, Bilder herzustellen, Farbe auf eine Leinwand aufzutragen? Wie wird es gemacht? Weshalb tut man es?» Der Aufenthalt in der französischen Hauptstadt wird ihm auch die Möglichkeit geben, einen Dokumentarfilm über die Sichtweise anderer Künstlerinnen und Künstler zu realisieren, in dem diese ihr Engagement für die Malerei und ihre Überzeugungen hinsichtlich der Wirkkraft der Malerei erläutern.
Nach der Matura am Kollegium St. Michael begann Pierre-Alain Morel (geboren 1966 in Freiburg) eine Ausbildung an der Universität Bern, um später bildende Kunst zu unterrichten. Neben seiner Lehrtätigkeit wurde er freischaffender Maler und Bildhauer und stellte in den letzten dreissig Jahren regelmässig in der Schweiz (so in Freiburg, Bern, Lausanne, Zürich) und im Ausland (Peking) aus. Seine Werke sind in zahlreichen Kunstsammlungen vertreten, unter anderem im Freiburger Fonds für den Erwerb von Kunstwerken, bei der Freiburger Kantonalbank und im Genfer Fonds Cantonal d’Arts Visuels. Pierre-Alain Morel malt vorwiegend abstrakt und konzentriert sich auf das schöpferische Potenzial der Geste und der Farbe. Seine Holzschnitzereien sind häufig figurativ, wobei er einfache und kräftige Formen bevorzugt: Einkaufstaschen, Kerne, menschliche Herzen, Kampfflugzeuge usw. Seine Werke, in die er das ausdrückt, was ihn persönlich beschäftigt, kombinieren Themen, Formen und Farben, um einen kritischen Blick auf unsere individualistisch geprägte Konsumgesellschaft auszudrücken.
Das Pariser Künstleratelier «JeanTinguely», Freiburger Künstlerresidenz
Im Jahr 1985 erwarben der Kanton und die Stadt Freiburg gemeinsam ein Atelier in der Cité internationale des Arts, Rue de l’Hôtel-de-Ville, im Zentrum von Paris. Der ungefähr 35 m2 grosse Wohn- und Arbeitsraum erhielt den Namen «Atelier Jean Tinguely». Im Komplex der «Cité internationale des Arts» stehen auch Gemeinschaftsräume zur Verfügung (z.B. Ateliers für Druck, Keramik oder Fotographie sowie Übungsräume für Musik). Die Cité fördert die Vernetzung und den Austausch von Ideen und Erfahrungen unter Kunstschaffenden aus der ganzen Welt. Für die Ausschreibung des Ateliers, das von professionellen Kunstschaffenden genutzt werden kann, sind Stadt und Kanton abwechselnd zuständig.