von Emanuel Gerber
Der Twannberg-Meteorit tauchte vor etwa 165‘000 Jahren mit hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre ein, wo er in Folge der enormen Reibungshitze im Luftraum über der Schweiz in tausende von Fragmente zerbarst. Diese regneten in Form eines Meteoritenschauers grossflächig auf die Höhen des Berner Juras, nordwestlich des heutigen Bielersees.
Das erste und mit fast 16 Kilogramm Gewicht schwerste bekannte Fragment dieses Eisenmeteoriten der sehr seltenen Klasse IIG wurde 1984 von der Bäuerin Margrit Christen auf dem Twannberg entdeckt. Eine Serie weiterer 81 Funde ab dem Jahre 2000 motivierte Beda Hofmann, Leiter der Abteilung Erdwissenschaften des Naturhistorischen Museums der Burgergemeinde Bern, und eine Gruppe in- und ausländischer Meteoritensucher rund um den Brügger Marc Jost zu einer wissenschaftlich begleiteten Suchaktion mittels Metalldetektoren. Diese begann 2013, führte bis Anfang Juni 2016 zur Entdeckung von 488 neuen Fragmenten und erbrachte den Nachweis eines mehrere Quadratkilometer grossen Meteoriten-Streufeldes. Seit 1984 wurden vom Twannberg-Fall somit nicht weniger als 570 Fragmente mit einem Gesamtgewicht von 72.5 Kilogramm gesammelt.
Für das Naturhistorische Museum Freiburg war dies Anlass, sich für seine Meteoriten-Sammlung um ein repräsentatives Stück dieses Jahrhundertfundes zu bemühen. Erste Kontakte mit den Berner Projektverantwortlichen zeigten, dass im Einklang mit der Gesetzgebung des Kantons Bern zu naturwissenschaftlich bedeutsamen Fundstücken ein Handel möglich sein würde. Und so begaben sich Peter Wandeler und Emanuel Gerber vom Museum Freiburg am 9. September 2015 ins Naturhistorische Museum Bern, um dort zusammen mit den Herren Hofmann und Jost die in Frage kommenden Meteoriten-Fragmente zu sichten und sich auf ein Objekt zu einigen. Die Diskussion ergab, dass das Endstück eines grossen Fragments für Freiburg besonders gut geeignet sein würde, dies wegen der schönen Kruste und der grossen Schnittfläche. Letztere würde es erlauben, besonders viel des interessanten Inneren des Meteoriten zu sehen.
Die Wahl fiel schliesslich auf TW93, das mit 5755 Gramm Gewicht zweitschwerste bisher gefundene Fragment des Twannberg-Falls. Dieses war am 30. April 2014 vom russischen Meteoritensucher Sergey Vasiliev nur gerade 100 Meter vom Ort des Erstfundes von 1984 entfernt aufgespürt worden. Nun ging es darum, von diesem Brocken für Freiburg etwa ein Kilogramm abzutrennen, ganz klar ein Fall für den Spezialisten Marc Jost. Nachdem dieser in seiner Werkstatt in Brügg mit Diamantdraht das Endstück abgesägt und dessen Schnittfläche poliert hatte, zeigten sich dort schöne Schreibersit-Einschlüsse und die für diesen Meteoriten charakteristischen orientierten Risse. TW93 lässt somit keine Wünsche offen und hat sich im wahrsten Sinne des Wortes als Glücksfall erwiesen.