Ein grauer Tag Ende Oktober: In der Morgendämmerung landet ein grosser Wasservogel mitten auf der Kantonsstrasse in Marly. Vermutlich hat er diese im Nebel für einen Wasserlauf gehalten – ein folgenschwerer Irrtum. Ist es eine Ente? Ein Kormoran? Nein! Zum grossen Erstaunen eines Velofahrers, der den Vogel beobachtet hat, handelt es sich um einen Prachttaucher, eine Vogelart, die in der Schweiz nur selten vorkommt und hier in Marly eigentlich nichts verloren hat. Seine Landebahn war jedenfalls nicht die beste Wahl, denn es dauert nicht lange, bis ihn ein Auto mit voller Wucht erwischt. Doch der seltene Vogel hat Glück im Unglück, denn der Velofahrer, der die Szene verfolgt hat, ist nicht nur Ornithologe, sondern auch noch Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums Freiburg. So gelangt das Tier auf schnellstem Weg in die Pflegestation. Dort wird es untersucht, ruhiggestellt und mit kleinen Fischen gefüttert. Schon nach einem halben Tag kommt der seltene Gast wieder zu Kräften und wird immer aktiver. So kann er am folgenden Tag auf dem Neuenburgersee freigelassen werden, wo er im Wasser planscht und taucht und sich offensichtlich wie zu Hause fühlt.
Der Prachttaucher (Gavia arctica) wird etwa 70 Zentimeter lang und hat eine Spannweite von gut einem Meter. Er ist ein typischer Wasservogel, der nur selten fliegt, hauptsächlich für den Frühjahrs- und Herbstzug. Er brütet auf den Seen und an den Küsten Skandinaviens, Sibiriens und Nordamerikas und überwintert hauptsächlich in gemässigteren Zonen wie im mitteleuropäischen Binnenland. Einige Dutzend Individuen verbringen den Winter auf den grossen Schweizer Seen. Die Füsse des Prachttauchers, die weit hinten am Körper ansetzen, sind ebenso wie sein Körperbau an das Leben im Wasser angepasst. Er verlässt dieses nur, um seine Eier auszubrüten. Prachttaucher bauen ihre Nester in Ufernähe oder auf kleinen Inseln. Die Küken sind Nestflüchter und verlassen das Nest schon am ersten Tag, um ihren Eltern auf das Wasser zu folgen. Im Kanton Freiburg werden jedes Jahr einige wenige Prachttaucher am Südufer des Neuenburgersees beobachtet. Ausserhalb dieser Region ist die Art bei uns sehr selten.
Gilles Hauser (Übersetzung: Carole Schneuwly)
Die Wildtierpflegestation «Rita Roux» nimmt verletzte oder kranke Kleinwildtiere auf, um sie zu behandeln und anschliessend wieder freizulassen. In den letzten Jahren wurden im Durchschnitt 350 Tiere, hauptsächlich Vögel und Säugetiere, in die Obhut des Tierpflege-Teams des Naturhistorischen Museums Freiburg gegeben.
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