Mit Blick auf die Dent de Morcles, auf deren Gipfel gerade die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen fallen, erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Einführung in die Gesteine und die Entstehung der Alpen. In Suen im Val d’Hérens stellen wir anschliessend unseren Minibus ab, und unsere neunköpfige Gruppe macht sich auf in Richtung Pas de Loveignoz. Es ist die erste Etappe einer zweitägigen Tour, die uns durch das Vallon de Réchy zur Cabane des Becs de Bosson auf 3000 m ü. M. und ins Val de Lona führen wird.
Ein Strand auf 3000 m ü. M.
Nach einem zweistündigen Marsch erreichen wir den Pas de Loveignoz und von dort aus das Vallon de Réchy. Malerisch breitet sich dessen oberer Teil vor uns aus. Der Talkessel auf über 2500 m ü. M. erinnert an die Landschaft, welche das Team der «Expedition Spitzbergen» 2018 im hohen Norden erlebte.
Unter uns liegt der Lac du Louché, der in der Mittagszeit dieses Augusttages gut besucht ist. Uns jedoch interessieren nicht die Ufer des Sees, sondern vielmehr jene des Urkontinents Pangaea, die sich entlang unseres Weges in der Gestalt von weissem Quarzit zeigen. Als dieser Superkontinent vor über 200 Millionen Jahren, zu Beginn der Dinosaurierzeit, auseinanderbrach, entstand in seinem Herzen ein Ozean, dort, wo sich später die Alpen bildeten.
«Schneefelsen» und ein Boden voller Kältespuren
Als wir uns gegen Ende des Nachmittags der Cabane des Becs de Bosson nähern, teilt sich unsere Gruppe auf: Die Waghalsigeren erkunden die terrassenförmige Felslandschaft. Deren Verwerfungen stammen aus der letzten Phase der Kollision zwischen dem europäischen und dem afrikanischen Kontinent, in deren Verlauf sich während Dutzenden von Millionen Jahren die Alpen bildeten.
Jetzt, im Spätsommer, ist der Boden unter unseren Füssen schneefrei und enthüllt ein Patchwork aus Polygonen, das durch die ständigen Frost-Tau-Zyklen in dieser Höhe entstanden ist. Etwas weiter klettern die Mitglieder unserer Gruppe über schneeweisses, poröses Gipsgestein, das von dem trockenen Klima zeugt, welches hier vor ungefähr 200 Millionen Jahren an den Ufern des damaligen Ozeans herrschte.
Auf dem Grund des Ozeans
Nach dem anstrengenden Tag sind alle glücklich, als wir bei der Hütte ankommen. Hier, auf den Becs de Bosson, bewegen wir uns auf Tiefseesedimenten. Im Verlauf der letzten hundert Millionen Jahre, als der alpine Ozean sich langsam schloss und der afrikanische und der europäische Kontinent aufeinander zudrifteten und schliesslich kollidierten, schob sich das Gestein allmählich in die Höhe, so dass wir es nun auf 3000 m ü. M. wiederfinden.
Nach einer Nacht, in der einige Mitglieder unserer Gruppe etwas Mühe mit dem Sauerstoffmangel bekundeten, nehmen wir den Abstieg ins Val de Lona in Angriff. Dort bekommen wir weitere «polare» Böden und den felsigen Untergrund des Ozeans zu sehen. In der Ferne sind die Felsen des einstigen afrikanischen Kontinents zu erkennen: Sie bilden die Dent Blanche und die anderen grossen Gipfel im hinteren Bereich der Walliser Täler.
Bevor wir den Pas de Lona verlassen, um zu unserem Bus zurückzukehren, machen ein paar Teilnehmer von dem eigens mitgebrachten Geologenhammer Gebrauch, um Proben des typisch grünlichen Gesteins zu entnehmen. So können sie ein kleines Stück eines 150 Millionen Jahre alten Ozeans mit nach Hause nehmen.
Cédric Botter
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