Im Jahr 2010 nannte das Ministerkomitee des Europarats in seinen Leitlinien für eine kinderfreund-liche Justiz namentlich das Freiburger System für Mediation in Jugendstrafsachen als Beispiel für eine europaweite "Best Practice". Die Pionierrolle des Kantons Freiburg in diesem Bereich fand so eine internationale Anerkennung, die heute mit der Zwischenbilanz des Büros für Mediation in Jugendstrafsachen (BMJS) zur Feier seines zehnjährigen Bestehens vollumfänglich bestätigt wird.
Das Freiburger Modell ist in der Schweiz einzigartig. Anstatt private Mediatorinnen und Mediato-ren zu verpflichten, entschied sich Freiburg 2004 dafür, eine öffentlich-rechtliche Mediationsstelle in Jugendstrafsachen - das der Justizdirektion angegliederte BMJS - zu schaffen. Als Gericht, das Strafsachen an einen Mediator delegieren darf, konnte das Jugendgericht (JG) so auf einen institutionellen Partner zählen, dessen Arbeitsweise und Praxis es genau kennt und mit dem es eine langfristige Zusammenarbeit aufbauen konnte.
Erfolgreiche Mediation in 75 % der Fälle
Das so aufgebaute Vertrauen zeigt sich auch in der Statistik: In zehn Jahren hat das JG dem BMJS 896 Fälle mit 1427 beschuldigten Minderjährigen und 1068 Opfern und Geschädigten delegiert. Die Erfolgsrate ist ebenfalls beispielhaft: In 75 % der Fälle führte der Prozess zu einer Mediations-vereinbarung und in 5 % zu einem Rückzug der Strafklage. Nur 20 % der Fälle gingen für eine rein strafrechtliche Bearbeitung zurück ans Gericht.
Zuhören und Bewusstwerden
Der Nutzen des Mediationsprozesses für die Jugendstrafrechtspflege, die von einer beachtlichen Anzahl Fälle entlastet wird, ist offensichtlich. Noch grösser ist er jedoch für die betroffenen Konfliktparteien. Im Gegensatz zur Justiz, wo sie sich in einem Prozess gegenüber stehen, an dessen Ende das Gericht ein Urteil und eine Strafe ausspricht, macht die Mediation Täter und Opfer insofern zu Akteuren des Justizvollzugs, als beide Parteien mit Unterstützung des Mediators gemeinsam eine Lösung (Wiedergutmachung) erarbeiten und akzeptieren. Diese Methode ermöglicht dem Opfer, vom Täter wirklich angehört und als Opfer anerkannt zu werden, was zum posttraumatischen Heilungsprozess beiträgt.
Der Täter wird sich durch das Eintreten in einen Dialog mit dem Opfer seiner Taten und ihrer Konsequenzen stärker bewusst und akzeptiert so eher die Notwendigkeit einer Wiedergutmachung. Der Nutzen einer solchen frühen Bewusstwerdung zeigt sich auch in Sachen Gewaltprävention, denn Minderjährige, die eine Mediation durchlaufen konnten, haben im Vergleich weniger die Tendenz, eine Straftat der gleichen Art zu begehen.