«L’Alternative» – die Alternative: Der Name spricht für sich. Jugendlichen, bei denen die übliche Unterbringung in einem Wohnheim gescheitert oder aussichtslos ist, soll eine Alternativlösung angeboten werden. Das Mittel: Den Jugendlichen eine eigene Wohnung und eine massgeschneiderte sozialpädagogische Betreuung in einem offenen Rahmen zur Verfügung stellen.
Das neue Konzept ist die Antwort auf zwei Feststellungen, die sowohl die Friedensgerichte als Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden als auch das Jugendgericht gemacht haben. Einerseits gibt es in den Westschweizer Sondereinrichtungen für Jugendliche in Schwierigkeiten nicht genügend Plätze. Andererseits fehlt es an Lösungen für Jugendliche, die vorübergehend mit ihrem Umfeld gebrochen haben und die mit den Anforderungen eines sozialpädagogischen Wohnheims nicht zurechtkommen.
Aus diesen Gründen vereinbarte die Sicherheits- und Justizdirektion die Zusammenarbeit mit der Direktion für Gesundheit und Soziales bevor sie Ende 2018 der Freiburger Stiftung für die Jugend (FFJ, s. unten) den Auftrag erteilte, die neue Betreuungsform als Ergänzung zum bestehenden Angebot zu entwickeln. Die FFJ orientierte sich bei der Verfassung des Konzepts namentlich an dem seit vielen Jahren bewährten Konzept der Tessiner Stiftung Amilcare. Zudem konnte sie sich auf eine Projektgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern des Jugendgerichts und des kantonalen Jugendamtes stützen. Die Pilotphase ist im zweiten Halbjahr 2019 gestartet. Momentan wird das neue Angebot mit zwei strafrechtlich platzierten Jugendlichen erprobt. Eine dritte, zivilrechtliche Platzierung ist geplant.
Von 16 bis 25 Jahren
«L’Alternative» richtet sich an eine bestimmte Zielgruppe: Jugendliche und junge Erwachsene von 16 bis 25 Jahren, die unter Straf- oder Zivilmandat stehen, die obligatorische Schule abgeschlossen haben, bei denen aus jugendpsychiatrischer Sicht nichts gegen das Wohnen alleine spricht und – vielleicht am wichtigsten – die mit einer sozialpädagogischen Betreuung in einem offenen Rahmen einverstanden sind. Zunächst entscheidet der Richter oder die Richterin, der oder die für den Fall zuständig ist, ob die Lösung für den Jugendlichen oder die Jugendliche in Frage kommt. Danach findet ein Aufnahmegespräch statt, an dem der oder die Jugendliche, die Eltern, die gesetzliche Vertretung, der Richter oder die Richterin, die Fachpersonen für Kinderschutz des JA und des betroffenen Sozialdienstes, der zuständige Leiter der FFJ teilnehmen, sowie die Sozialpädagogin und der Sozialpädagoge, welche die Jugendliche oder den Jugendlichen in regelmässigen Gesprächen im Alltag begleiten werden.
Den Alltag in die eigenen Hände nehmen
Bei traditionellen Heimplatzierungen wird der oder die Jugendliche an einem Ort untergebracht, wo ein Platz für sie oder ihn reserviert ist und wo in einem geschützten Rahmen alles vorgegeben ist. Die sozialpädagogische Grundlage von «L’Alternative» besteht hingegen darin, die Jugendlichen in eine Situation zu versetzen, in der sie sich ihren Platz selbst schaffen müssen und zwar in einem Wohnhaus mit Nachbarn, in einem normalen sozialen Umfeld, in dem sie die Herausforderungen des Alltags selbst meistern müssen. Das Betreuungsteam unterstützt und berät die Jugendlichen bei der Bewältigung des Alltags (Wohnung, soziale Beziehungen, Gesundheit usw.) sowie bei Anliegen und verschiedenen Schritten, zum Beispiel wenn sie Leistungen der FFJ in Anspruch nehmen oder an deren Aktivitäten teilnehmen wollen oder wenn sie eine Ausbildung in Angriff nehmen wollen.
Bisher sind die Reaktionen positiv, sowohl von Seiten der Einweisungsbehörde (in beiden Fällen das Jugendgericht), als auch von Seiten der betroffenen Jugendlichen. Ihnen bietet sich mit dieser begleiteten Selbständigkeit eine günstige Ausgangslage dafür, sich schrittweise wieder in die Gesellschaft einzugliedern, indem sie Verantwortung übernehmen.
Stiftung zugunsten von Kindern und Jugendlichen
Die am 1. Januar 2016 gegründete Freiburger Stiftung für die Jugend (Fondation de Fribourg pour la jeunesse, FFJ) ist eine anerkannte gemeinnützige und nicht gewinnorientierte Stiftung. Sie begleitet Kinder, Jugendliche und Familien mit Schwierigkeiten bei der Eingliederung in die Gesellschaft. Sie umfasst verschiedene Sektoren: Das Foyer St-Etienne und das Foyer Bonnefontaines (Heime für Kinder und Jugendliche in persönlichen und/oder familiären Schwierigkeiten), die Struktur Time Out (zeitlich begrenzte, intensive Betreuung von Jugendlichen), «La Préfo» und Cap Formation (sozioprofessionelle Begleitung von Jugendlichen, die nach der obligatorischen Schule keine Anschlusslösung haben) sowie Auszeiten und ambulante sozialpädagogische Begleitung für junge Erwachsene. Die Stiftung beschäftigt rund 140 Mitarbeitende.