Einführung
Die Schweiz ist ein Bundesstaat: Die Macht ist zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt. Diese Machtteilung ist ein wichtiger Bestandteil des nationalen, kantonalen und lokalen Zusammenhalts. Sie ist eine Stärke unserer Demokratie und gewährleistet sowohl einen Gesamtüberblick als auch bürgernahe Behörden. Gesetzesänderungen können sich auf die Aufteilung der Aufgaben zwischen den drei Ebenen auswirken. So wurde die Aufteilung im Laufe der Jahre weniger klar, was die Steuerung in verschiedenen Bereichen beeinträchtigte. Der Kanton Freiburg und seine Gemeinden haben daher beschlossen, eine «Aufgabenentflechtung» einzuleiten. Die Aufteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie die Finanzierung sollen geklärt und nach dem Grundsatz «Wer bezahlt, befiehlt» ausgerichtet werden. Wegen seiner Grösse wurde das Projekt in mehrere Etappen unterteilt. Bei dieser Vorlage, die dem obligatorischen Referendum untersteht, handelt es sich um das 1. Paket zur Aufgabenentflechtung zwischen Staat und Gemeinden (DETTEC).
Die Vorlage
Das 1. DETTEC-Paket umfasst vier Bereiche:
- Familienergänzende Betreuungseinrichtungen
- Hilfe und Pflege zu Hause
- Sonder- und sozialpädagogische Institutionen und professionelle Pflegefamilien
- Betagte in Pflegeheimen
Familienergänzende Betreuungseinrichtungen
Die DETTEC bestätigt die heutigen Kompetenzen der Gemeinden und ihre Ansiedlung in der Nähe der Leistungsempfängerinnen und empfänger. Sie kommt zur Schluss, dass die Aufgaben in diesem Bereich vollständig den Gemeinden übertragen werden sollen. So können die lokalen Bedürfnisse am besten berücksichtigt werden. Der Kanton bleibt aber weiterhin für die Aufsicht und die Bewilligungen zuständig, wodurch Mindestleistungen und die Qualität der Betreuung im ganzen Kantonsgebiet sichergestellt werden können. Der Freiburger Gemeindeverband wird mit der Verteilung der Beiträge der Arbeitgeber
und der Selbstständigerwerbenden sowie der Sozialabgabe aus der Steuerreform beauftragt. Diese Beiträge werden, wie bereits heute, vollumfänglich dafür eingesetzt, die Kosten für die Eltern zu senken.
Hilfe und Pflege zu Hause
In diesem Bereich spielt die Nähe der Behörden zur Bevölkerung eine wichtige Rolle. Er wird daher vollumfänglich von den Gemeinden übernommen, die bereits heute weitgehend zuständig sind. Die Subventionen des Kantons fallen weg.
Sonder- und sozialpädagogische Institutionen und professionelle Pflegefamilien
Der Kanton ist heute schon alleine zuständig für diesen Bereich, der jedoch zu 55 Prozent von den Gemeinden finanziert wird. Er wird neu auch die Kosten vollständig übernehmen.
Betagte in Pflegeheimen
Die Pflege und Betreuung von Betagten in Pflegeheimen werden heute von Kanton und Gemeinden gemeinsam finanziert. Neu sollen die Gemeinden für die Betreuung der Pflegeheimbewohnerinnen und bewohner zuständig sein, während der Kanton die Pflegekosten vollumfänglich übernimmt.
Finanzielles Gleichgewicht
Die geplanten Verschiebungen würden zu zusätzlichen Kosten für den Staat in der Höhe von 75 Millionen Franken pro Jahr führen, wobei die Gemeinden entsprechend entlastet würden. Die Vorlage sieht daher einen Finanzausgleichsmechanismus vor: Die Gemeinden übernehmen neu die Finanzierung der Ergänzungsleistungen. Gemäss Gesetzesentwurf werden die finanziellen Auswirkungen nach drei Jahren evaluiert, damit die bei der Ausarbeitung des Entwurfs getroffenen Annahmen überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden können.
Der Standpunkt des Staatsrates
Die Nähe der Behörden zur Bevölkerung ist ein wichtiger Grundsatz unserer föderalistischen Demokratie, um den uns viele Länder beneiden. Dank der dezentralen Strukturen werden öffentliche Leistungen so bürgernah wie möglich beschlossen und erbracht. Die Gemeinden kennen die Bedürfnisse ihrer Einwohnerinnen und Einwohner am besten und können die Leistungen danach ausrichten. Der Kanton übernimmt dagegen diejenigen Aufgaben, die auf dem ganzen Kantonsgebiet einheitlich erfüllt werden sollen oder die eine kritische Masse erfordern, die die Möglichkeiten der Gemeinden übersteigt. Die Kantonsverfassung garantiert die Gemeindeautonomie, die bewahrt und gestärkt werden muss. Das 1. DETTEC-Paket trägt dazu bei und führt zu einer klareren Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen den verschiedenen Gemeinwesen des Kantons. Es erlaubt eine kohärentere Steuerung und Leistungen, die den Erwartungen der Bevölkerung besser entsprechen. Die DETTEC verbessert zudem die Transparenz der finanziellen Beteiligungen der Gemeinwesen und die Leistungsempfängerinnen und -empfänger.
Debatte im Grossen Rat
Die Vorlage wurde im Februar und März 2023 im Grossen Rat behandelt und fand breite Unterstützung (68 Ja-Stimmen, 29 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen). Die wichtigsten Kritikpunkte betrafen die finanziellen Annahmen, die als zu unsicher eingestuft wurden, und den Beschluss, mit der DETTEC weiterzumachen, obwohl die Auswirkungen der laufenden Reformen auf Bundesebene noch nicht genau bekannt seien. Die Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage wiesen darauf hin, dass das 1. DETTEC-Paket das Ergebnis eines zehnjährigen Prozesses sei und dass die getroffenen finanziellen Annahmen so solide wie möglich seien. Die von der DETTEC betroffenen Bereiche seien auf Bundesebene immer wieder von Reformen betroffen. Zuwarten würde deshalb nur bedeuten, dass die Aufgabenentflechtung nie stattfindet.
Einige Mitglieder des Grossen Rates sprachen sich für eine Zentralisierung aus, da sie einen Leistungsabbau befürchten. Ihrer Meinung nach sollte der Kanton die Beiträge der Arbeitgeber an familienergänzende Betreuungseinrichtungen auch weiterhin verwalten. Die Mehrheit war jedoch der Ansicht, dass sich die Gemeinden, die bereits heute weitgehend für die betroffenen Bereiche zuständig sind, für einen deutlichen Ausbau der Leistungen eingesetzt hätten, vor allem bei der familienergänzenden Betreuung. Zudem könnten die Gemeindebehörden aufgrund ihrer Bürgernähe besser und rascher auf die Bedürfnisse der Bevölkerung reagieren und damit bessere Leistungen erbringen.
Häufig gestellte Fragen
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Nein. Für die Subventionen sind bereits heute hauptsächlich die Gemeinden zuständig. Zudem sieht das Gesetz vor, dass die Gemeinden ihre Subventionen um den wegfallenden Kantonsbeitrag erhöhen müssen.
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Nein. Der Staat wird die Aufsicht weiterhin sicherstellen. Die Einrichtungen benötigen nach wie vor eine Bewilligung des Kantons und müssen dieselben Bedingungen wie heute erfüllen.
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Nein. Der Freiburger Gemeindeverband wird die Mittel nur verwalten. Die gesamten Beiträge werden weiterhin dazu verwendet, die Kosten für die Eltern zu reduzieren. Es werden keine Verwaltungskosten abgezogen. Diese wurden in der Gesamtbilanz der DETTEC berücksichtigt.
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Die Aufwendungen in den von der DETTEC betroffenen Bereichen könnten in den nächsten Jahren vor allem aus demografischen Gründen steigen. Der Kanton und die Gemeinden müssen diese höheren Kosten finanzieren. Es ist heute jedoch nicht möglich zu sagen, ob der Kanton oder die Gemeinden stärker von der durch die DETTEC bedingten Kostenentwicklung betroffen sein werden.
In den letzten 20 Jahren haben sich die Kosten des Staates von 2,04 Milliarden auf 4,02 Milliarden Franken verdoppelt, während die Kosten der Gemeinden um 66 % (von 0,94 Milliarden auf 1,58 Milliarden) gestiegen sind.
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Nein. Die DETTEC wirkt sich auf die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden aus. Wo die Kosten für den Kanton steigen, werden die Gemeinden entsprechend entlastet und umgekehrt. Dies hat keine Auswirkungen auf die Gesamtbelastung der Steuerpflichtigen. Das Ziel ist eine wirksamere Steuerung, um bessere Leistungen zu einem günstigeren Preis anbieten zu können.
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Die DETTEC will den Gemeinden mehr Autonomie einräumen, damit sie den Bedürfnissen der Bevölkerung besser Rechnung tragen können. Die Bedürfnisse können je nach Lebensweise und Wohnort variieren. Daher können sich auch die Leistungen von einer Region oder Gemeinde zur anderen unterschiedlich entwickeln, entsprechend dem von den Behörden ermittelten spezifischen Bedarf. Der Kanton behält jedoch seine Aufsichtsfunktion und stellt sicher, dass die Leistungen auf dem ganzen Staatsgebiet den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
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Grundsätzlich nein. Bei der familienergänzenden Kinderbetreuung müssen die Gemeinden die wegfallenden Kantonsbeiträge kompensieren. Die neue Regelung im Bereich Menschen mit Behinderungen hat keine Auswirkungen auf die Leistungsempfängerinnen und empfänger. Allerdings könnte sich die DETTEC in Einzelfällen, vor allem je nach Vermögenssituation, auf gewisse Pflegeheimbewohnerinnen und bewohner auswirken.
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Nein, im Bereich der familienergänzenden Betreuung werden die Gemeinden weiterhin die Hauptansprechpartner für die Betreuungseinrichtungen bleiben, insbesondere was die finanziellen Beiträge betrifft. Im Bereich der Hilfe und Pflege zu Hause werden die selbstständigen Pflegefachpersonen und privaten Leistungserbringer die gleiche, wichtige Funktion bei der Deckung des Bedarfs beibehalten. Die Gesundheitsnetze werden die Pflegekosten für die privaten Leistungserbringer und selbstständigen Pflegefachpersonen sicherstellen, entweder indem sie den Tarif festlegen (wie das der aktuellen Praxis des Staates entspricht) oder über Leistungsaufträge.
Bisheriger Verlauf des DETTEC-Projekts
Das Projekt der Aufgabenentflechtung zwischen Staat und Gemeinden (DETTEC) wurde 2013 in Angriff genommen. Zahlreiche Bereiche wurden analysiert, um die Aufgaben an die öffentliche Einheit zu übertragen, die sie am besten erfüllen kann. Durch die DETTEC sollen insbesondere die Kompetenzen der Gemeinden, der ersten Stufe unseres demokratischen Systems, gestärkt werden.
Eine Projektorganisation bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des Staates, der Oberamtspersonen und der Freiburger Gemeinden unterzog jeden der gewählten Bereiche einer eingehenden Analyse. Der Staatsrat schloss sich den Schlussfolgerungen des Lenkungsausschusses vollumfänglich an.