Diese Seite fokussiert auf die Perspektive der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Tipps für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber finden Sie auf der Webseite Gleichstellung im Erwerbsleben – Informationen für Unternehmen.
Valorisierung ausserberuflicher Erfahrungen: zentrales Thema der Geschlechtergleichstellung im Erwerbsleben
Die Jahre, in denen man gar nicht oder nur in Teilzeit erwerbstätig war, um Erziehungs-, Haus- oder Freiwilligenarbeit zu übernehmen, werden oft als Lücken im Lebenslauf wahrgenommen. Dabei können durch diese ausserberuflichen Erfahrungen viele Schlüsselkompetenzen erworben werden, die in einer beruflichen Tätigkeit wertvoll sind. Als Beispiele dafür können Organisationsfähigkeit, Antizipation, Zeitmanagement, administrative Fähigkeiten, Flexibilität, Kommunikation, Stressresistenz usw. angeführt werden.
Die Valorisierung ausserberuflicher Erfahrungen kommt allen zugute, jedoch sind vermehrt Frauen in die Hausarbeit oder in (informelle) Freiwilligenarbeit eingebunden. In der Schweiz arbeiten etwa 60 % der Frauen Teilzeit, während es bei den Männern weniger als 20 % sind. Auch unterbrechen oder reduzieren weitaus mehr Frauen als Männer ihre berufliche Tätigkeit, um sich um Haushalt und Familienpflichten zu kümmern. Dieses Phänomen des sinkenden Beschäftigungsgrades betrifft überproportional Mütter, die laut Pro Familia Schweiz gerne mit einem höheren Beschäftigungsgrad weiterarbeiten würden, wenn die Umstände dies zuliessen.
Die Anerkennung der während der unbezahlten Tätigkeit erworbenen Kompetenzen ist daher für Frauen und ihre berufliche Laufbahn eine weitaus grössere Herausforderung. Für sie kann die Tatsache, dass sie den Grossteil der Haus-, Familien- und Freiwilligenarbeit übernehmen, ansonsten eine Doppelbelastung darstellen. Obwohl diese Arbeit für die Gesamtgesellschaft notwendig ist, bedeutet sie für Frauen einen Einkommensrückgang oder sogar einen kompletten Einkommensausfall – und damit fehlende Beiträge. Darüber hinaus kann die Reduzierung des Arbeitspensums oder die Aufgabe einer beruflichen Tätigkeit ein Hindernis für die Karriereentwicklung oder die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt darstellen.
Die Anerkennung ausserberuflicher Erfahrungen ist daher ein zentrales Thema bei Fragen der Geschlechtergleichstellung im Erwerbsleben.
Eigene Schlüsselkompetenzen ermitteln und anerkennen lassen
Die Valorisierung der eigenen ausserberuflichen Erfahrungen und der in diesen Kontexten erworbenen Schlüsselkompetenzen erfordert zunächst Aufwendungen in Sachen Bewusstsein, Ermittlung und Erfassung. Dieser Prozess kann selbstständig oder in Begleitung einer spezialisierten Organisation oder eines Coaches ablaufen. Die folgenden Abschnitte liefern Anregungen sowie Beispiele für verfügbare Ressourcen.
Ausserberufliche Erfahrungen sind sämtliche Tätigkeiten, die ausserhalb der bezahlten Erwerbsarbeit oder des beruflichen Kontexts ausgeführt werden. Dazu gehören unbezahlte Hausarbeit, Care-Arbeit, Freiwilligen- und Vereinsarbeit oder auch Freizeit. Beispiele:
- Kinder betreuen (unbezahlt)
- Gegenstände aufräumen, reinigen, reparieren
- Einkäufe planen, Mahlzeiten zubereiten
- Sich um Angehörige kümmern
- Geld für eine Organisation sammeln
- Familienagenda managen
- Reisen von Angehörigen betreuen
- Freiwillig an einer Wohltätigkeitsaktion teilnehmen
- Nach Angehörigen sehen, ihnen zuhören, sie trösten, sie unterhalten
- Mitgliedschaft in einer politischen Partei pflegen
- Ehrenamtlich Sprachunterricht erteilen
- Etc.
Schlüsselkompetenzen sind die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für alltägliche und berufliche Handlungen erforderlich sind. Sie sind die grundlegenden «Bausteine», die für bezahlte und unbezahlte Aufgaben notwendig und nützlich sind. Beispiele:
- Lesen
- Hör-/Schreibverstehen
- Priorisierung
- Kommunikation mit den Kolleginnen und Kollegen
- Antizipation
- Stressresistenz
- Planung und Einhaltung von Zeitplänen
- Etc.
Leitfäden, wie z. B. Das Instrument zur Erfassung von Schlüsselkompetenzen IESKO, helfen bei der Reflexion und der Erfassung der erworbenen Kompetenzen. Verschiedene Organisationen und Fachpersonen im Bereich Laufbahnberatung bieten Kompetenzbilanzen, teilweise mit Zertifizierung, zur Formalisierung der Anerkennung ausserberuflich erworbener Kompetenzen an.