Die Kühe tragen Glocken und Treicheln an Riemen aus besticktem Leder wie für die Poya (Alpaufzug) im Frühjahr, und ihr Kopf ist zudem mit einem Tännchen geschmückt, an dem buntes Papier aufgehängt ist. Die Sennen und ihre Begleiter/innen tragen Volkstracht. Zum Zug gehört auch ein alter Pferdewagen, auf dem Holzwerkzeuge gezeigt werden, oder, falls kein solcher Wagen mehr zur Verfügung steht, ein anderes mit grünen Zweigen und Papierblumen geschmücktes Fahrzeug.
In Charmey findet der Alpabzug (désalpe) am letzten Septembersamstag statt und zieht rund 10'000 Besucher/innen an. Der Markt umfasst 80 Handwerksstände, und das Publikum hat die Möglichkeit, den Geschmack verschiedener Alpkäse zu vergleichen. Der Abzug von sechs bis zwölf Alpen verteilt sich über den ganzen Tag, so dass im Dorf ein ständig wechselndes Programm abläuft. Die Sennen und ihre Familien begleiten ihre Herde zu Fuss bis ins Unterland, und die unzähligen Automobilisten, die den Vorbeizug am Strassenrand abwarten müssen, zücken ihre Fotokameras.
Alpaufzüge und Alpabzüge prägen die Jahreszeiten der Viehbauern, seit die Alpweiden bewirtschaftet werden. Im 20. Jahrhundert finden die Riten des Alpabzugs die Aufmerksamkeit der Heimatschützer und der Medien, während sich die Landwirtschaft verändert und mechanisiert. In Charmey wurde die erste Rindya am 6. Oktober 1980 von den einheimischen Gewerbetreibenden organisiert. Nach den ersten Ausgaben übernahmen der Verkehrsverein und das Tourismusbüro die Organisation, die von Freiwilligen der Ortsvereine unterstützt wird. Dieser «Verkehrsbüro-Alpabzug» vereint Gäste, Einheimische, Städter und ausgewanderte Freiburger. Es gibt aber auch Sennen, die nicht durch Charmey ziehen oder ihren Alpabzug an einem anderen Tag durchführen und damit eine intimere Form dieses Brauchs pflegen.
Der Alpabzug von Charmey, der aus touristischen Gründen ins Leben gerufen wurde, wertet das Alpleben, die Alprodukte und die Arbeit der Sennen auf. Der Vorbeizug der schön aufgeputzten Herden wird von einem ehemaligen Senn am Mikrofon kommentiert und erläutert. Das Fest schafft emotionale Bande zwischen Bauern und Städtern und beschwört die Poesie des Alpbetriebs und das Gedächtnis handwerklicher Praktiken. In den letzten 30 Jahren wurde der Alpabzug zu einem Schauplatz der Traditionen, zu denen Tracht, Handwerk, Musik, Gesang und Tanz gehören. Er gehört zu den Bräuchen, die den Einheimischen teuer sind, und kann als Gedächtnisort betrachtet werden.
Ergänzungen
Die Zahl der festlichen Alpabzüge nahm seit 1980 im Kanton Freiburg, im Wallis, in den Waadtländer Alpen und im Jura zu. Prominente Persönlichkeiten und Sonderveranstaltungen treten in Konkurrenz zu Kühen und Sennen…
Der Verkehrsverein von Semsales im Vivisbachbezirk veranstaltet 2013 den 30. Alpabzug. In Albeuve hat sich 1987 der Viehmarkt von Anfang Oktober in einen festlichen Alpabzug verwandelt, der von 13 Ortsvereinen organisiert wird.
In Charmey segnete der Pfarrer 2013 zum ersten Mal die vorbeiziehenden Kuhherden. So fügte er den während der Rindya von Charmey präsentierten Traditionen einen diskreten Brauch des Sommerbeginns hinzu. Die Alpbesitzer und die Alpawirte baten um Schutz, indem sie an einer Sennenmesse teilnahmen (in Bulle oder Châtel-Saint-Denis), einen geweihten Zweig zu ihrem Werkzeug legten oder den Priester baten, das Vieh auf der Alp zu segnen.
Text : Isabelle Raboud-Schüle
Für weitere Informationen
- Adieu l’armailli, Troubadour Film, 2004.
- BUCHS, Denis: Les Poyas, Neuchatel, Ides et Calendes, 2007.
- CLIGNAC, Frédéric und POULLE, Stéphane, Faut pas rêver, France 3, 1992. DVD 54 Minuten.
- Radio suisse romande RSR : Beitrag "Provinces" vom 30. September 1989.
- SAVARY, Pierre (texte), ERRATH, Christian, MAR, Daniel, und NEVEU,Jean-Louis (Fotografien): Les chemins qui descendent, une désalpe en Gruyère, Freiburg, Editions La Sarine, 1984.