Das Archiv von Roger de Diesbach (1944-2009), einem Pionier des investigativen Journalismus in der Westschweiz, ist nun den Forschern zugänglich. Es wurde im Jahr 2010 von Frau de Diesbach im Staatsarchiv Freiburg deponiert und besteht aus einer grossen Zahl von Dossiers zu einzelnen Themen. Nach fünf Jahren Klassierungs- und Inventarisierungsarbeit kann der Bestand, erschlossen durch ein Inventar, nun mit Erlaubnis der Familie des verstorbenen Journalisten konsultiert werden. Er umfasst drei Teile: die Recherchedossiers des Bureau de reportage et de recherche d'information, die persönlichen Recherchedossiers von Roger de Diesbach, aus denen von ihm bevorzugten Problemfelder hervorgehen (Aussenpolitik und Neutralität der Schweiz in ihren militärischen und handelspolitischen Dimensionen, Ost-West-Beziehungen, Entwicklung der Dritten Welt, Umweltfragen), und schliesslich persönliche Dokumente in der Form von Notizen und Briefen. Alles in allem 27 Laufmeter Dokumente, datiert von 1916 bis 2009.
Nachdem Roger de Diesbach seine Grundausbildung beim Journal de Genève erworben hatte, hat er den Recherche- und Reportagedienst der Schweizerischen Depeschenagentur auf die Beine gestellt und geführt (1972). In den Jahren 1976-1986 wirkte er als Bundeshauskorrespondent der Tribune de Lausanne-Le Matin (1976-1986) und 1986 gründete er in Rossens das Bureau de reportage et de recherche d'informations (BRRI), eine unabhängige Presseagentur, spezialisiert auf nachhaltige Recherchen im Dienst des Ideals einer "demokratischen Transparenz". Im Jahr 1987 erhielt Roger de Diesbach den Preis Jean-Dumur für journalistischen Mut. Als das BRRI 1993 aus finanziellen Gründen schliessen musste, trat de Diesbach wieder in den Dienst des Journal de Genève-Gazette de Lausanne, bevor er 1996 zum Chefredaktor der La Liberté ernannt wurde, eine Stellung, die er 2004 wegen Krankheit aufgeben musste. Er blieb jedoch weiterhin in der Redaktion der La Liberté tätig, bis zu seinem Tod am 21. September 2009. Roger de Diesbach, der eine ganze Generation von Journalisten ausgebildet hat, hinterlässt ein reiches und fruchtbares Erbe: eine auf nationalem Niveau anerkannte Freiburger Tageszeitung, eine treue Leserschaft und ein visionäres Testament, sein letztes Buch, Presse futile, presse inutile. Plaidoyer pour le journalisme (2007), sowie, last but not least, ein gewichtiges Archiv.
In der Werkstatt des Journalisten
Dieser Archivbestand öffnet dem Forscher die Türe zur "Werkstatt" des Journalisten, da er es erlaubt, die oft komplexen Etappen der "Fabrikation" eines Dossiers zu rekonstruieren, von dem das Publikum letztlich nur das Endprodukt zu Gesicht bekommt. Auf dem Weg über die angesammelte Dokumentation, die bei der Lektüre und den Interviews genommenen Notizen und andere Bruchstücke von Informationen sieht man, wie die Recherche sich entwickelt, mit allen Schwierigkeiten, die sich in den Weg legen können. In zweiter Linie liefert der Bestand Roger de Diesbach die Elemente, um eine Karte dessen zu zeichnen, was einen talentierten und sensiblen Journalisten beschäftigte, insbesondere die Vorzeichen von Wandel in einer Welt und Gesellschaft in steter Veränderung. Das Interesse an diesem Bestand ist umso grösser, als es sich hier um einen Journalisten mit grossen ethischen und staatsbürgerlichen Ansprüchen handelte, der Wert auf grösstmögliche Freiheit gegenüber allen Gewalten legte.
Das Archiv von Roger de Diesbach ist klassiert und inventarisiert
In den letzten fünf Jahren ist das Archiv von Roger de Diesbach, Pionier des investigativen Journalismus in der Westschweiz, vollständig klassiert und inventarisiert worden. Künftig steht es den Erforschern und Historikern des Journalismus im Staatsarchiv Freiburg zur Benutzung offen.
Veröffentlicht am 12. März 2015 - 12h15
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Herausgegeben von Direktion für Bildung und kulturelle Angelegenheiten
Letzte Änderung: 12.03.2015 - 12h15