Die Jury hat im Anschluss an die Ausschreibung 18 eingereichte literarische Schaffensprojekte geprüft. Sie hat sich einstimmig für die Projekte von Lou Lepori und Michal Steinemann entschieden, die mit ihrer Qualität und ihrem Anspruch zu überzeugen wussten. Für die Jury ist es daher angebracht, die Realisierung dieser Arbeiten mit einem Stipendium zu unterstützen. Im Jahr 2021 waren ebenfalls zwei Stipendien vergeben worden, und zwar an Joëlle Richard und Matthieu Corpataux.
Lou Lepori
Der Autor, Übersetzer und Regisseur Lou Lepori ist queer und non-binär. Er wurde 1968 in Lugano geboren und lebt heute im Greyerzbezirk. Er verfügt über ein Lizenziat in Geisteswissenschaften der Universität Siena sowie ein Doktorat in Theaterwissenschaft der Universität Bern. Er arbeitet als Kulturkorrespondent beim Radio der italienischsprachigen Schweiz (RSI) und als Mentor für literarisches Schreiben an der Hochschule der Künste Bern (HKB). Er ist Gründer der queeren Zeitschrift Hétérographe und setzt sich für geschlechter- und disziplinenübergreifende kreative Ansätze ein. Er ist Übersetzer für Theater und Lyrik und hat mehrere Romane in italienischer und französischer Sprache geschrieben, ausserdem Essays und Gedichtsammlungen wie Qualunque sia il nome/Quel que soit le nom (Schiller-Preis 2004). Er hat ausserdem das Ensemble Tome Trois Théâtre gegründet und fünf Theaterstücke geschrieben.
Das Stipendium gibt Lou Lepori die Möglichkeit, seinen ersten autofiktionalen Roman Réparer les morts zu schreiben. Dieser wird in französischer Sprache von der Enthüllung eines Familiengeheimnisses erzählen, ausgehend von der Geschichte des homosexuellen Grossvaters, der mit über 60 Jahren die Liebe seines Lebens findet. Das Werk wird Elemente eines Briefromans mit fiktiven Episoden mischen und will mit Worten das Schweigen überwinden, das Generationen geprägt hat.
Michal Steinemann
Michal Steinemann wurde 1998 in Biel geboren und lebt in Freiburg, wo sie aufgewachsen ist. Sie hat am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel einen Bachelor in literarischem Schreiben erlangt und arbeitet neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit als Vertretungslehrerin in Primarschulen und als Serviceangestellte. Seit einigen Jahren gibt sie regelmässig Lesungen ihrer Texte, wobei sie sich besonders für deren Formen und Möglichkeiten interessiert. Ihr erster Roman Die Aufgeknackten erscheint im September 2023 im Knapp Verlag.
Mithilfe des Stipendiums kann sich Michal Steinemann während sechs Monaten hauptsächlich dem Schreiben ihres zweiten Romans Ida widmen, in dem es um das Thema Mutterschaft geht. Die Autorin will Tabus benennen und dazu beitragen, diese zu brechen. Der auf Deutsch verfasste Roman erzählt vom Alltag einer jungen Mutter, die sich von den Erwartungen und Normen der Gesellschaft befreien will. Indem Michal Steinemann persönliche Wahrnehmungen und alltägliche Gedanken literarisch verarbeitet, schafft sie ein Fenster ins Intime.
Das Stipendium zur Förderung literarischen Schaffens
Um das literarische Schaffen anzuregen, vergibt die Direktion für Bildung und kulturelle Angelegenheiten (BKAD) über das Amt für Kultur alle zwei Jahre ein Stipendium zur Förderung eines literarischen Schaffensprojekts in deutscher oder französischer Sprache. Das Stipendium soll es angehenden oder bereits etablierten Freiburger Autorinnen und Autoren ermöglichen, sich während einer bestimmten Zeit dem Schreiben eines Werks aus den Gattungen Roman, Erzählung, Novelle, Gedichtsammlung, Theaterstück, Opernlibretto oder Drehbuch zu widmen. Die Themenwahl ist frei. Die nächste Ausschreibung der Stipendiums zur Förderung literarischen Schaffens erfolgt im ersten Trimester 2025