Am 21. September 2022 gegen 13.45 Uhr wurde der leblose Körper einer im Jahr 1976 geborenen thailändischen Frau in einem Einvernahmeraum der Kriminalpolizei in Freiburg aufgefunden. Die mit den technischen Ermittlungen beauftragte Neuenburger Kriminalpolizei und die Obduktion ergaben, dass sich die Frau mit einem Schnürsenkel halb erhängt hatte. Die von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Einvernahmen ergaben, dass die Verstorbene am Vortag zusammen mit einem Freund wegen des Verdachts des Menschenhandels und der Förderung der Prostitution festgenommen worden war. Am 21. September 2022 um 09.10 Uhr wurde die Frau in Polizeigewahrsam genommen und in den Einvernahmeraum gebracht, wo sie um 14.00 Uhr vernommen werden sollte. Während der fast fünfstündigen Wartezeit in dem Raum, der nicht videoüberwacht war, aber über eine Gegensprechanlage verfügte, blieb sie allein und erhielt nur einmal Besuch: Um 11.05 Uhr rief sie über die Gegensprechanlage den Empfang der Kriminalpolizei an und um 11.07 Uhr betrat ein Inspektor den Einvernahmeraum und überreichte ihr eine Mahlzeit. Nach etwa drei Minuten verliess er den Raum wieder.
Die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft ergaben, dass die Verstorbene entgegen den internen schriftlichen Vorschriften der Kantonspolizei ihre Schuhe mit Schnürsenkeln an den Füssen trug. Sie ermöglichten es jedoch nicht, festzustellen, wer die Fahrlässigkeit begangen hatte: der Transportbegleiter, der sie in einen ersten Einvernahmeraum in den Räumlichkeiten der Kriminalpolizei gebracht hatte, der Inspektor, der sie um 09.10 Uhr in den Einvernahmeraum gebracht hatte, in dem sie leblos aufgefunden worden war, oder der zweite Inspektor, der sie um ungefähr 11.05 Uhr besuchte. Im Übrigen sind keine Beweise zur Beantwortung dieser Frage vorhanden. Eine Anklage der drei genannten Personen allein aufgrund dieser Fahrlässigkeit ist nicht sinnvoll, da das befasste Gericht keine andere Alternative hätte, als ein freisprechendes Urteil zu fällen. Darüber hinaus war es die Kombination aus Schnürsenkeln und langer Wartezeit, die zu diesem tragischen Vorfall führte. Keine der drei oben genannten Personen ist jedoch für die lange Wartezeit verantwortlich.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Sichtkontrolle der im Einvernahmeraum untergebrachten Person nicht als unzureichend zu bezeichnen ist, auch wenn lediglich eine Kontrolle zwischen 09.10 Uhr und 13.45 Uhr durchgeführt wurde. Die Regelmässigkeit dieser Kontrollen hängt vom psychologischen Zustand der betroffenen Person ab. Nach Aussagen der Personen, die am Vortag oder am Todestag der Verstorbenen mit ihr in Kontakt waren, gab es keine Anzeichen für ein suizidales Verhalten seitens der Verstorbenen. Anzumerken ist, dass die Verstorbene am 20. September 2022, dem Tag ihrer Festnahme, mit Hilfe einer Dolmetscherin über die Gründe ihrer Festnahme informiert worden war.
Diese Tragödie reiht sich in eine Serie von unvorhersehbaren Ereignissen ein, deren Eintreten keiner bestimmten Person zugeschrieben werden kann. Insbesondere konnte die Festnahme der Verstorbenen und ihres Freundes nicht geplant werden, sondern musste aufgrund einer bevorstehenden Abreise der beiden ins Ausland schnell erfolgen; die am 21. September 2022 zahlreichen geplanten Gefangenentransporte erforderten eine frühere Ankunft der Verstorbenen in den Räumlichkeiten der Kriminalpolizei; die zahlreichen parallel durchgeführten Einvernahmen, insbesondere in diesem Fall, führten zu einer geringeren Verfügbarkeit der Inspektoren für Sichtkontrollen; die Einvernahmen der mutmasslichen Opfer von Menschenhandel, die nur Thai sprachen, mussten aufgeschoben werden, da dringend eine Dolmetscherin gefunden werden musste; Letztere stand am Tag der Festnahme der Verstorbenen nicht zur Teilnahme an ihrer ersten Einvernahme zur Verfügung. Die Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, dass der Fall unter dem Aspekt der Staatsverantwortung und nicht aus strafrechtlicher Sicht behandelt werden sollte. Zu beachten ist, dass der Freund der Verstorbenen als Straf- und Zivilkläger auftritt. Er gilt als unschuldig und wird vor dem Strafgericht des Sensebezirks angeklagt, insbesondere wegen Menschenhandel und Förderung der Prostitution. Auch die Mutter und der Sohn der Verstorbenen, die in Thailand wohnhaft sind, treten als Straf- und Zivilkläger auf.
Am 4. September 2024 stellte der Generalstaatsanwalt somit das gegen Unbekannt eingeleitete Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung ein. Die Verfügung ist nicht endgültig, gegen sie kann bei der Strafkammer des Kantonsgerichts Beschwerde eingelegt werden.