Existenzminimum
Was ist das Existenzminimum?
Im eigentlichen Sinne wird das Existenzminimum aufgrund der nötigsten Bedürfnisse berechnet um den Lebensunterhalt zu bestreiten, d.h. die absolut notwendigsten Lebensmittel, der Witterung angepasste Kleidung, minimale Hygiene- und Körperpflege (zur Vorbeugung von Krankheiten) und eine angemessene Unterkunft. Im Sinne des Betreibungsrechts wurden die Bestandteile im Existenzminimum zum Bestreiten des Lebensunterhalts erstellt. Infolge der gegenwärtigen Entwicklung und der humanitären Sorgen drängt sich ein anständiges Leben auf. Die Vorstellung vom Existenzminimum entwickelt sich parallel zu den Veränderungen des Sozial- und Lebensstandards; seine wesentlichen Bestandteile können nicht in ihrer Definition und Anteilen festgelegt werden. Das Betreibungsamt verfügt somit über eine grosse Einschätzungsbefugnis.
Das unentbehrliche Existenzminimum kann auch mit der minimalen Geldsumme definiert werden, welche dem Schuldner und seiner Familie als absoluten Notbedarf zur Verfügung steht; dies unter Berücksichtigung der unpfändbaren Werte nach den Bestimmungen von Art. 92 SchKG.
Die wesentlichen Bedürfnisse gewährleisten ein akzeptables Leben ohne Luxus.
Das Betreibungsamt legt die Bedürfnisse des Schuldners und dessen Familie beim Zeitpunkt des Pfändungsvollzugs fest und berücksichtigt dabei keine künftigen und unvorhergesehenen Auslagen.
Wie wird das Existenzminimum berechnet?
Verschiedene Elemente werden gemäss den Richtlinien vom 1. Juli 2009 der Schweizerischen Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten berücksichtigt, nämlich:
- Monatlicher Grundbetrag
- Zuschläge zum monatlichen Grundbetrag
- Sonderbestimmungen über das dem Schuldner anrechenbare Einkommen
- Abzüge vom Existenzminimum
- Abweichungen
1. Monatlicher Grundbetrag
Für Nahrung, Kleidung und Wäsche einschliesslich deren Instandhaltung, Körper- und Gesundheitspflege,
Unterhalt der Wohnungseinrichtung, Privatversicherungen, Kulturelles sowie Auslagen
für Beleuchtung, Kochstrom und/oder Gas etc. ist in der Regel vom monatlichen Einkommen
des Schuldners folgender Grundbetrag als unumgänglich notwendig im Sinne von Art. 93
SchKG von der Pfändung ausgeschlossen:
Für einen alleinstehenden Schuldner | Fr.1'200.00 |
Für einen alleinerziehenden Schuldner | Fr.1'350.00 |
Für ein Ehepaar, zwei in einer eingetragenen Partnerschaft lebende Personen oder ein Paar mit Kindern | Fr.1'700.00 |
Unterhalt der Kinder |
Fr. 400.00 Fr. 600.00 |
Bei kostensenkender Wohn-/Lebensgemeinschaft
Verfügen Partner des in einer kinderlosen, kostensenkenden Wohn-/Lebensgemeinschaft lebenden Schuldners ebenfalls über Einkommen, so ist der Ehegatten-Grundbetrag einzusetzen und dieser in der Regel (aber maximal) auf die Hälfte herabzusetzen (vgl. BGE 130 III 765 ff.).
2. Zuschläge zum monatlichen Grundbetrag
1. Mietzins, Hypothekarzins
Effektiver Mietzins für das Wohnen ohne Auslagen für Beleuchtung, Kochstrom und/oder Gas, sind im Grundbetrag inbegriffen.
Besitzt der Schuldner eine eigene von ihm bewohnte Liegenschaft, so ist anstelle des Mietzinses der Liegenschaftsaufwand zum Grundbetrag hinzuzurechnen. Dieser besteht aus dem Hypothekarzins (ohne Amortisation), den öffentlich-rechtlichen Abgaben und den (durchschnittlichen) Unterhaltskosten.
Ein den wirtschaftlichen Verhältnissen und persönlichen Bedürfnissen des Schuldners nicht angemessener Mietzins ist nach Ablauf des nächsten Kündigungstermins auf ein ortsübliches Normalmass herabzusetzen; in sinngemässer Weise ist beim Schuldner zu verfahren, der sich als Wohneigentümer einer unangemessen hohen Hypothekarzinsbelastung ausgesetzt sieht (BGE 129 III 526 ff. m. H.).
Bei einer Wohngemeinschaft (eingeschlossen volljährige Kinder mit eigenem Erwerbseinkommen) sind die Wohnkosten in der Regel anteilsmässig zu berücksichtigen.
2. Heiz- und Nebenkosten
Die durchschnittlichen - auf zwölf Monate verteilten - Aufwendungen für die Beheizung der Wohnräume.
3. Sozialbeiträge (soweit nicht vom Lohn bereits abgezogen), wie Beiträge bzw. Prämien an:
- AHV, IV und EO
- Kranken- und Sterbekassen
- Pensions- und Fürsorgekassen
- Arbeitslosenversicherung
- Unfallversicherung
- Berufsverbände
Der Prämienaufwand für nichtobligatorische Versicherungen kann nicht berücksichtigt werden (BGE 134 III 323 ff.).
4. Unumgängliche Berufsauslagen (soweit der Arbeitgeber nicht dafür aufkommt)
- Erhöhter Nahrungsbedarf bei Schwerarbeit, Schicht- und Nachtarbeit: Fr. 5.50 pro Arbeitstag
- Auslagen für auswärtige Verpflegung bei Nachweis von Mehrauslagen für auswärtige Verpflegung: Fr. 9.00 bis Fr. 11.00 für jede Hauptmahlzeit.
- Überdurchschnittlicher Kleider- und Wäscheverbrauch (beispielsweise bei Servicepersonal, Handelsreisenden u.a.m.): bis Fr. 50.- pro Monat.
- Fahrten zum Arbeitsplatz
Öffentliche Verkehrsmittel: effektive Auslagen.
Fahrrad: Fr. 15.- pro Monat für Abnützung
Mofa/Moped: Fr. 30.- pro Monat für Abnützung, Betriebsstoff usw
Motorrad: Fr. 55.- pro Monat für Abnützung, Betriebsstoff usw
Automobil: Sofern einem Automobil Kompetenzqualität zukommt, sind die festen und veränderlichen Kosten ohne Amortisation zu berechnen. Bei Benützung eines Automobils ohne Kompetenzqualität: Auslagenersatz wie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
5. Rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge
die der Schuldner an nicht in seinem Haushalt wohnende Personen in der letzten Zeit vor der Pfändung nachgewiesenermassen geleistet hat und voraussichtlich auch während der Dauer der Pfändung leisten wird (BGE 121 III 22).
Dem Betreibungsamt sind für solche Beiträge Unterlagen (Urteile, Quittungen usw.) vorzuweisen.
6. Schulung der Kinder
Besondere Auslagen für Schulung der Kinder (öffentliche Verkehrsmittel, Schulmaterial usw.).Für mündige Kinder ohne Verdienst bis zum Abschluss der ersten Schul- oder Lehrausbildung, zur Maturität oder zum Schuldiplom.
7. Abzahlung oder Miete/Leasing von Kompetenzstücken
Gemäss Kaufvertrag, jedoch nur solange zu berücksichtigen, als der Schuldner bei richtiger Vertragserfüllung zur Abzahlung verpflichtet ist und sich über die Zahlungen ausweist. Voraussetzung: Der Verkäufer muss sich das Eigentum vorbehalten haben.
Die gleiche Regelung gilt für gemietete/geleaste Kompetenzstücke (BGE 82 III 26 ff.).
8. Verschiedene Auslagen
Stehen dem Schuldner zur Zeit der Pfändung unmittelbar grössere Auslagen, wie für Arzt, Arzneien, Franchise, Geburt und Pflege von Familienangehörigen, einen Wohnungswechsel etc. bevor, so ist diesem Umstand in billiger Weise durch eine entsprechende zeitweise Erhöhung des Existenzminimums Rechnung zu tragen.
Gleiches gilt, wenn diese Auslagen dem Schuldner während der Dauer der Lohnpfändung erwachsen. Eine Änderung der Lohnpfändung erfolgt hier in der Regel jedoch nur auf Antrag des Schuldners.
3. Sonderbestimmungen über das dem Schuldner anrechenbare Einkommen
1. Beiträge gemäss Art. 163 ZGB oder Art. 13 PartG
Verfügt der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Schuldners über ein eigenes Einkommen, so ist das gemeinsame Existenzminimum von beiden Ehegatten (ohne Beiträge gemäss Art. 164 ZGB) im Verhältnis ihrer Nettoeinkommen zu tragen. Entsprechend verringert sich das dem Schuldner anrechenbare Existenzminimum (BGE 114 III 12 ff).
2. Beiträge gemäss Art. 323 Abs. 2 ZGB
Die Beiträge aus dem Erwerbseinkommen minderjähriger Kinder, die in Haushaltgemeinschaft mit dem Schuldner leben, sind vorab vom gemeinsamen Existenzminimum abzuziehen (BGE 104 III 77 f.). Dieser Abzug ist in der Regel auf einen Drittel des Nettoeinkommens der Kinder, höchstens jedoch auf den für sie geltenden Grundbetrag (Ziff. 4) zu bemessen.
Der Arbeitserwerb volljähriger, in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner lebender Kinder ist bei der Berechnung des Existenzminimums desselben grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Dagegen ist dabei ein angemessener Anteil der volljährigen Kinder an den Wohnkosten (Mietzins und Heizung) in Abzug zu bringen (Ziff. V/2).
Leistungen/Vergütungen von Dritten
wie Prämienverbilligungen, Stipendien, Unterstützungen etc. müssen zum Einkommen dazugerechnet werden.
4. Abzüge vom Existenzminimum
1. Naturalbezüge
wie freie Kost, Logis, Dienstkleidung usw. sind entsprechend ihrem Geldwert vom Existenzminimum in Abzug zu bringen:
Freie Kost mit 50% des Grundbetrages; Dienstkleidung mit Fr. 30.00 pro Monat.
2. Reisespesenvergütungen
welche der Schuldner von seinem Arbeitgeber erhält, soweit er damit im Existenzminimum eingerechnete Verpflegungsauslagen in nennenswertem Umfang einsparen kann.
5. Abweichungen von den Ansätzen
Abweichungen von den Ansätzen gemäss Ziff. I-V können soweit getroffen werden, als der Betreibungsbeamte sie aufgrund der ihm im Einzelfall obliegenden Prüfung aller Umstände für angemessen hält.
Verdienstpfändungen (Einkommen aus selbständiger Berufstätigkeit, Trinkgeldeinnahmen im Gastgewerbe usw.): Hier finden die vorstehenden Richtlinien analoge Anwendung.
6. Steuern
Diese sind bei der Berechnung des Notbedarfs nicht zu berücksichtigen (BGE 95 III 42 E. 3).
Bei ausländischen Arbeitnehmern, die der Quellensteuer unterliegen, ist bei der Berechnung der pfändbaren Quote vom Lohn auszugehen, der diesen tatsächlich ausbezahlt wird (BGE 90 III 34).
Diese Richtlinien beruhen auf dem Landesindex (Totalindex) der Konsumentenpreise (Basis Dezember 2005 = 100 Punkte) von Ende Dezember 2008 mit einem lndexstand von 103.4 Punkten. Sie gleichen vorgabeweise die Teuerung bis zum Indexstand von 110 Punkten aus. Eine Änderung der Ansätze ist erst bei Überschreiten eines lndexstandes von 115 Punkten, oder Unterschreiten eines Indexstandes von 95 Punkten vorgesehen.